Peter Lorre

Peter Lorre (1946)

Peter Lorre (* 26. Juni 1904 als László Loewenstein in Rosenberg, Ungarn, Österreich-Ungarn, heute Slowakei; † 23. März 1964 in Los Angeles) war ein Filmschauspieler, Drehbuchautor und Filmregisseur. Durch seine Darstellung des unheimlichen Kindermörders in Fritz Langs Klassiker M ging er 1931 in die Filmgeschichte ein. Nach seiner Emigration arbeitete er als erfolgreicher Charakterdarsteller von oftmals zwielichtigen Gestalten in Hollywood, unter anderem in Die Spur des Falken, Casablanca und Arsen und Spitzenhäubchen.

Leben

In Europa

Peter Lorre wuchs als Kind einer deutschsprachigen jüdischen Familie im Habsburgerreich auf und besuchte eine deutsche Volksschule. Nach dem Tod seiner Mutter zog die Familie 1913 nach Wien, wo er später als Bankangestellter arbeitete. 1915 übersiedelte die Familie nach Mödling – als Wohnadresse ist das Haus Ludwig-Höfler-Gasse 20 überliefert[1] –, wo er als Externist das Gymnasium besuchte, und verblieb hier bis 1917. Danach übersiedelte man erneut nach Wien: In die Valeriestraße (heute Böcklinstraße) am Rande des Praters.[2]

Im Jahr 1922 kam er durch Jacob Levy Moreno zur Schauspielerei. Unter Morenos Leitung wirkte Lorre in einer Gruppe mit, die auf den Straßen Wiens aktuelle Ereignisse des Zeitgeschehens szenisch in Form des Straßentheaters, einer speziellen Form des Stegreiftheaters, darstellte. Hierbei wurde versucht, zufällig vorbeikommende Passanten mit einzubeziehen. Lorre spielte unter anderem die Rolle eines Mörders, der damals in Wien sein Unwesen trieb. Die Freude und der Erfolg, den er dabei hatte, trugen wesentlich zu seiner Entscheidung bei, Schauspieler zu werden. 1923 gab Lorre (noch unter seinem ursprünglichen Namen) sein Bühnendebüt. Das Pseudonym „Peter Lorre“ legte er sich 1925 zu.

In den Folgejahren spielte er an den Vereinigten Breslauer Bühnen, dem Hamburger Thalia Theater und dem Zürcher Schauspielhaus. Einer seiner ersten Publikumserfolge war die Titelrolle in dem Stück Das tapfere Schneiderlein, das er zum Teil selbst geschrieben hatte. Nach einem Streit mit dem Intendanten stand Lorre in Wien an der Seite von Hans Moser, Paul Verhoeven und Marlene Dietrich auf der Bühne.

1929 gab Lorre in dem österreichischen Stummfilm Die verschwundene Frau sein Leinwanddebüt. Im gleichen Jahr war er an der Berliner Volksbühne unter anderem in den Stücken Pioniere in Ingolstadt (Regie: Bertolt Brecht), Dantons Tod und Frühlings Erwachen zu sehen. Bei einem dieser Engagements lernte er seine spätere Frau, die Schauspielerin Cäcilie Lvovsky, kennen, mit der er ab 1930 zusammenlebte. 1931 spielte er in der Uraufführung der Geschichten aus dem Wiener Wald die Rolle des Alfred.

Darstellung von Peter Lorre in der Rolle des "M" auf einem Wandgemälde in einer Diskothek in Bayern, 1994

Der große internationale Durchbruch gelang Lorre 1931, als er von Fritz Lang für die Hauptrolle in M - Eine Stadt sucht einen Mörder besetzt wurde. Seine beeindruckende und intensive Darstellung des Kindermörders Hans Beckert trug wesentlich zum großen Erfolg des Films bei.

Als 1933 die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler an die Macht kamen, ging Lorre zurück nach Wien; angeblich wurde ihm die Flucht von Joseph Goebbels persönlich nahegelegt. Seine letzte Filmrolle in einem deutschsprachigen Film spielte er in Unsichtbare Gegner (1933). Ein geplantes Kaspar-Hauser-Projekt kam nicht mehr zustande. Der Film M - Eine Stadt sucht einen Mörder wurde im dritten Reich verboten. Im Jahre 1940 wurde ein Ausschnitt dieses Films im Film Der ewige Jude dämonisiert. Damit versuchten die Hitleristen nachzuweisen, dass Peter Lorre das Rechtsempfinden des deutschen Volkes angeblich verdrehen und Täter zu Opfern[3] machen würde.

In den USA

Gegen Ende des Jahres 1933 ließ Lorre sich mit seiner Verlobten Cäcilie zunächst in Paris nieder. Dort hielt er sich mit kleineren Gelegenheitsjobs, u. a. beim Radio, über Wasser. 1934 wurde der Hollywood-Produzent Harry Cohn auf ihn aufmerksam und er kam bei dessen Studio, Columbia Pictures, unter Vertrag. Nach Abschluss der Dreharbeiten zu Alfred Hitchcocks Der Mann, der zuviel wußte in London zog Lorre im Jahr 1935 in die USA.

Dort traf er zahlreiche frühere Kollegen wieder, die sich ebenfalls im Exil befanden (u. a. Fritz Lang, Bertolt Brecht, Marlene Dietrich und Billy Wilder, mit dem er sich ein Zimmer teilte). Seinen Freund, den jüdischen Schauspieler Kurt Gerron, konnte Lorre jedoch nicht dazu bewegen, die Niederlande, wohin er sich geflüchtet hatte, zu verlassen. Gerron wurde im Jahr 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.

Zu Beginn hatte Lorre Schwierigkeiten, in Hollywood Fuß zu fassen, was vor allem an seinen schlechten Englischkenntnissen lag. Kleinere Rollen in unbedeutenden B-Movies wollte er nicht annehmen; zahlreiche andere Projekte (beispielsweise ein gemeinsamer Film mit Charlie Chaplin) scheiterten an der Finanzierung. So dauerte es mehr als ein Jahr, bis Lorre in der MGM-Produktion Mad Love wieder auf der Leinwand zu sehen war. Mit Columbia drehte er zu dieser Zeit nur einen einzigen Film: Schuld und Sühne von Josef von Sternberg, in dieser Dostojewski-Verfilmung spielte er die Rolle des Mörders Raskolnikow.

Durch die Titelrolle in Mr. Moto und die Schmugglerbande wurde Lorre im Jahr 1937 einem breiteren Publikum in den USA bekannt. Der Film war so populär, dass er bis 1939 sieben Fortsetzungen nach sich zog. Einen weiteren großen Erfolg konnte Lorre im Jahr 1941 mit dem Film-noir-Klassiker Die Spur des Falken (The Maltese Falcon) von John Huston verbuchen, in dem er neben Humphrey Bogart und Sydney Greenstreet zu sehen war. Mit Greenstreet, der in körperlicher wie charakterlicher Hinsicht als sein perfekter Gegenpart fungierte, drehte er insgesamt acht Filme. Neben dem massigen, stoisch wirkenden Greenstreet spielte der schmächtige Lorre in der Regel nervöse, verschlagene Typen, denen nicht zu trauen war.

Ebenfalls mit Bogart und Greenstreet drehte Lorre im Jahr 1942 das Liebesdrama Casablanca, das allein in den USA rund 4 Millionen Dollar einspielte (bei einem Budget von knapp einer Million Dollar) und mit drei Oscars ausgezeichnet wurde. Im gleichen Jahr wurde er US-amerikanischer Staatsbürger. Mittlerweile war er mit durchschnittlich vier Filmen pro Jahr zu einem vielbeschäftigten und gefragten Schauspieler geworden. Überschattet wurde sein Aufstieg nur durch finanzielle Probleme, die ihn aufgrund seines verschwenderischen Lebensstils ständig begleiteten.

Im Jahr 1944 gründete Lorre gemeinsam mit Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann und anderen bekannten Exil-Deutschen die Organisation Council for a Democratic Germany. Zur selben Zeit glänzte er neben Cary Grant in der schwarzhumorigen Theaterverfilmung Arsen und Spitzenhäubchen, die bereits 1941 gedreht worden war, wegen der noch laufenden Bühnenversion am Broadway jedoch erst 1944 in die Kinos kam.

Er ließ sich 1945 von Cäcilie scheiden und heiratete die Schauspielerin Kaaren Verne, eine gebürtige Deutsche. Diese Ehe hielt bis 1950. Nach dem Konkurs seiner eigenen Produktionsfirma und mehreren Misserfolgen geriet Lorre mit Drogen in Kontakt und wurde im Jahr 1947 deswegen verhaftet. Im Anschluss an einen Aufenthalt in einer Entzugsklinik arbeitete er vorwiegend für verschiedene Rundfunkanstalten. Große Beachtung fand seine Lesung der Geschichte Das verräterische Herz von Edgar Allan Poe für den Radiosender NBC.

Kurze Rückkehr nach Deutschland und Regiearbeit Der Verlorene

Als Ende der 1940er Jahre unter Senator McCarthy die Hexenjagd auf potentielle Kommunisten in der Filmbranche begann, war Lorre einer der prominentesten Gegner dieser Politik. Da er dadurch jedoch kaum noch Rollenangebote bekam (siehe McCarthy-Ära, Schwarze Liste), stand er 1949 kurz vor dem finanziellen Ruin. Daraufhin kehrte er nach Deutschland zurück und drehte dort mit Der Verlorene seinen ersten und einzigen Film als Regisseur, den er im Stile des Film noir inszenierte. Der Verlorene, mit Lorre in der Hauptrolle eines von den Nationalsozialisten geschützten Mörders, war vielleicht auch wegen seines düsteren Themas kein Publikumserfolg im Nachkriegsdeutschland und fand keinen Verleiher in den USA.[4] Daraufhin kehrte er Deutschland endgültig den Rücken.

Letzte Lebensjahre

Nach einem einjährigen Aufenthalt in London spielte Lorre ab dem Jahr 1953 am Broadway und erfüllte sich damit einen lange gehegten Traum. Kurze Zeit später ließ er sich erneut scheiden und heiratete seine dritte Frau Annemarie Brenning, ebenfalls eine Deutsche.

Im Jahr 1954 war er in einer seiner letzten großen Hollywood-Produktionen, Disneys Jules-Verne-Adaption 20.000 Meilen unter dem Meer neben Kirk Douglas zu sehen. In der dritten Folge der Fernsehserie Climax!, Casino Royale (basierend auf Ian Flemings gleichnamigem James-Bond-Roman), spielte er den Schurken. Er gilt somit als erster Bond-Bösewicht überhaupt. Im Jahr 1956 hatte er neben zahlreichen anderen Prominenten (unter anderem Buster Keaton, Frank Sinatra, Marlene Dietrich) einen Cameo-Auftritt in In 80 Tagen um die Welt.

Nach einem Herzinfarkt im Jahr 1959 verschuldete sich Lorre hoch und musste seine Ranch verkaufen. Um an Geld zu kommen, spielte er ab dem Jahr 1962 an der Seite von Boris Karloff und Vincent Price in den B-Movies Schwarze Geschichten, Der Rabe – Duell der Zauberer und Ruhe Sanft GmbH. Die Horrorkomödien der Regisseure Roger Corman und Jacques Tourneur erlangten in den Folgejahren Kultstatus. Im Jahr 1962 trennte sich Lorre von Annemarie, mit der er eine Tochter namens Catherine (1953–1985)[5] hatte. Im Jahr 1964 drehte er unter der Regie von Jerry Lewis Die Heulboje, seinen letzten Film.

Peter Lorre starb am 23. März 1964 an einem Schlaganfall. Er wurde auf dem Hollywood Forever Cemetery in Los Angeles beigesetzt.[6]

Trivia

  • Peter Lorre hat einen Stern am Hollywood Walk of Fame (6619 Hollywood Blvd.)
  • Einer berühmten Anekdote zufolge bemühte sich Joseph Goebbels 1933 persönlich, den „Lieblingsschauspieler des Führers“ Lorre in Deutschland zu halten (ohne von seiner jüdischen Herkunft zu wissen). Angeblich antwortete Lorre darauf per Telegramm mit dem prophetischen Satz: „Für zwei Mörder wie Hitler und mich ist in Deutschland kein Platz[7]“ - eine Anspielung auf seine Rolle als Serienmörder in M.
  • Für Charlie Chaplin war Peter Lorre „the world's greatest character actor“ („der beste Charakterdarsteller der Welt“).[8]
  • In den Cartoons der Warner Brothers (u. a. Bugs Bunny) trat Lorre häufig in Form einer Zeichentrickfigur auf. Er gilt außerdem als Inspiration für die Comic-Figuren Flat Top (Dick Tracy) und Ren (Ren und Stimpy).
  • Der Schauspieler findet auch Erwähnung in dem Song Year of the Cat des britischen Singer-Songwriters Al Stewart von dem gleichnamigen Album aus dem Jahr 1976 (You go strolling through the crowd like Peter Lorre contemplating a crime)
  • Lorres Tochter Catherine war 1977 in der Gewalt der Serienmörder Hillside Stranglers, konnte ihnen aber entkommen.
  • Die amerikanische Goth-Punk-Band Antiworld zollte Lorre 1997 in dem Lied Story of Lorre Tribut.
  • Im September 2007 veröffentlichte das New Yorker Punk-Rock-Kollektiv The World/Inferno Friendship Society ein Album unter dem Titel Addicted to Bad Ideas: Peter Lorre’s Twentieth Century. Zu diesem Album wurde außerdem ein Musical geschrieben, welches sich mit dem Leben Peter Lorres auseinandersetzt. In den Liedern werden Inhalte wie Drogensucht ("M" is for Morphine), verschwenderischer Lebenswandel (With a Good Criminal Heart und Addicted to Bad Ideas), sein Leben in Deutschland (Ich erinnere mich an die Weimarer Republik) bis zu seinem Tod (Heart Attack ’64) thematisiert.
  • In J. D. Salingers Fänger im Roggen behauptet eine Dame, mit der Holden Caulfield im „Lavender Room“ tanzt, am Vorabend Peter Lorre beim Kauf einer Zeitung gesehen zu haben.
  • In Malcolm Lowrys Roman Unter dem Vulkan wird der Film Las Manos de Orlac (spanischer Titel für Mad Love) mit Peter Lorre erwähnt. In der Verfilmung des Romans durch den Regisseur John Huston läuft dieser Film in einem Kino.

Filmografie (Auswahl)

Dokumentarfilme

Hörspiele

Auszeichnungen

Literatur

  • Friedemann Beyer: Peter Lorre. Seine Filme – sein Leben. Heyne, München 1988, ISBN 3-453-00658-5.
  • Jörg Becker: Der Charakterkopf hinter der Maske. In: taz, 22. Juni 2004; Würdigung zum 100. Geburtstag
  • Hanns Zischler: Im geliebten Sumpf. Schattenmann und Alleskönner – zum 100. Geburtstag des Schauspielers Peter Lorre. In: Die Zeit, Nr. 27/2004
  • Michael Omasta, Brigitte Mayr, Elisabeth Streit (Hrsg.): Peter Lorre – ein Fremder im Paradies. Österreichisches Filmmuseum und Synema – Gesellschaft für Film und Medien. Zsolnay, Wien 2004, ISBN 3-552-05291-7.
  • Felix Hofmann, Stephen D. Youngkin: Peter Lorre. Portrait des Schauspielers auf der Flucht. Ins Deutsche übersetzt von Felix Hofmann und Ingrid Mylo. belleville, München 1998, ISBN 3-923646-41-0.
  • Manfred Kreckel: Lorre, Peter. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 15, Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-00196-6, S. 187 f. (Digitalisat).
  • Kay Weniger: 'Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …'. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. S. 320 ff., ACABUS-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8

Weblinks

Commons: Peter Lorre – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gregor Gatscher-Riedl, „M“ für Mödling. Filmstar Peter Lorre und seine Jugend in der Babenbergerstadt. In: Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Mödling, 54. Jgg., F. 2, (Mödling 5. Juni 2019), S. 9–11, 9.
  2. Stephen D. Youngkin: The Lost One: A Life of Peter Lorre. University Press of Kentucky, 2005, S. 8. Online-Vorschau: books.google.at
  3. Süddeutsche Zeitung: Warte, warte nur ein Weilchen; 16. Januar 2007, S. 11.
  4. Ulrike Ottinger: Peter Lorre, Der Verlorene. Ulrike Ottinger Filmproduktion, abgerufen am 7. April 2013.
  5. Catharine Evelyn Lorre Baker in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 24. November 2022 (englisch).
  6. knerger.de: Das Grab von Peter Lorre
  7. Kein Platz für zwei Mörder. In: Der Spiegel. 26. September 1950, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 25. September 2022]).
  8. Stephen D. Youngkin: The Lost One: A Life of Peter Lorre. University Press of Kentucky, 2005, ISBN 978-0-8131-2360-8, S. 515.
  9. Das doppelte Gesicht: Peter Lorre | filmportal.de. Abgerufen am 7. November 2021.

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Peter Lorre, Hungarian-American actor, 1946