Peter Bichsel
Peter Bichsel (* 24. März 1935 in Luzern) ist ein Schweizer Schriftsteller, bekannt insbesondere für seine Kurzgeschichten und Kolumnen.
Leben
Peter Bichsel wuchs als Sohn eines Handwerkers zunächst in Luzern, ab 1941 in Olten auf. Am Lehrerseminar in Solothurn liess er sich zum Primarlehrer ausbilden. 1956 heiratete er die Schauspielerin Therese Spörri († 2005), er ist Vater einer Tochter und eines Sohnes.
Im Jahre 1957 trat er der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS) bei, aus der er 1995 wieder austrat.[1] Er bezeichnet sich selber als Sozialist. Bis 1968 (und ein letztes Mal 1973) arbeitete er als Primarlehrer. Zwischen 1974 und 1981 war er als persönlicher Berater und Redenschreiber für Bundesrat Willi Ritschard tätig,[2] mit dem er befreundet war. Auch mit dem Schriftsteller Max Frisch war er bis zu dessen Tod 1991 eng befreundet.
Massgeblichen Anteil an seinem literarischen Durchbruch soll Jörg Steiner gehabt haben, der ihn an Peter Lehner für erste Lesungen und später Otto F. Walter zur Herausgabe der «Milchmann-Anthologie» vermittelte.[3]
Bichsel lebt in Bellach bei Solothurn.
Werk
Nach kleineren Veröffentlichungen – vor allem Lyrik – in Zeitungen erschien 1960 ein erster Prosaversuch als Privatdruck. Im Winter 1963/1964 nahm er an einem Prosa-Schreibkurs in Berlin teil, geleitet von Walter Höllerer. Von diesem Kurs zeugen ein Dokumentationsband, Prosaschreiben (1964), und ein Gemeinschaftsroman der Teilnehmer (unter anderen Hubert Fichte und Klaus Stiller), Das Gästehaus (1965), zu dem Bichsel das erste Kapitel beisteuerte.
1964 wurde er mit seinen Kürzestgeschichten in Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen auf einen Schlag bekannt; die Gruppe 47 nahm ihn begeistert auf und verlieh ihm 1965 ihren Literaturpreis. 1968 wurden in der Weltwoche seine ersten Kolumnen veröffentlicht, die seither (aktuell in der Schweizer Illustrierten) sozusagen sein Hauptwerk bilden. Er äusserte sich in diesen Kolumnen öfter zu politischen Fragen. 1970 trat er zusammen mit 21 weiteren bekannten Autoren aus dem Schweizerischen Schriftstellerverband aus und beteiligte sich an der Gründung der Gruppe Olten. 1978 war er Mitinitiant der Solothurner Literaturtage.[4]
Peter Bichsel ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt.
Sein Archiv befindet sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern.
Auszeichnungen
- 1964 und 1999: Einzelwerkpreise der Schweizerischen Schillerstiftung
- 1965: Preis der Gruppe 47
- 1965: Förderungspreis des Lessing-Preises der Freien und Hansestadt Hamburg
- 1966: Förderungspreis der Stadt Olten
- 1970: Prämie beim Deutschen Jugendbuchpreis für die Kindergeschichten
- 1978: Kunstpreis des Kantons Solothurn
- 1978: Literaturpreis des Kantons Bern
- 1981/82: Stadtschreiber von Bergen
- 1986: Johann-Peter-Hebel-Preis des Landes Baden-Württemberg
- 1987: Gesamtwerkspreis der Schweizerischen Schillerstiftung
- 1996: Mainzer Stadtschreiber
- 1999: Gottfried-Keller-Preis
- 2000: Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor
- 2000: Prix européen de l’essai Charles Veillon
- 2004: Ehrendoktortitel der Theologischen Fakultät der Universität Basel
- 2005: Werkbeitrag der Stiftung Pro Helvetia
- 2011: Solothurner Literaturpreis
- 2012: Grosser Schillerpreis
- 2014: prix libref.[5]
Werke
Bücher
- Versuche über Gino. Privatdruck 1960.
- Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen (21 Kurzgeschichten, darunter Der Milchmann, Die Tochter und San Salvador). Walter, Olten 1964.
- mit Walter Höllerer und anderen: Das Gästehaus. Gemeinschaftsroman. Walter, Olten 1965.
- Die Jahreszeiten (Roman). Luchterhand, Neuwied 1967.
- Kindergeschichten (7 Kurzgeschichten). Luchterhand, Neuwied 1969.
- Des Schweizers Schweiz (Aufsätze). Arche, Zürich 1969; erweiterte Neuauflage: Arche, Zürich 1989.
- Stockwerke. Prosa (Hrsg. Heinz F. Schafroth). Reclam, Stuttgart 1974 (UB 9719).
- Geschichten zur falschen Zeit. Kolumnen 1975–1978. Luchterhand, Darmstadt 1979.
- Der Leser. Das Erzählen. Frankfurter Poetik-Vorlesungen. Luchterhand, Darmstadt 1982 (SL 482).
- Schulmeistereien (Reden und Aufsätze). Luchterhand, Darmstadt 1985.
- Der Busant. Von Trinkern, Polizisten und der schönen Magelone. Luchterhand, Darmstadt 1985.
- Irgendwo anderswo. Kolumnen 1980–1985. Luchterhand, Darmstadt 1986 (SL 669).
- Möchten Sie Mozart gewesen sein? Meditation zu Mozarts Credo-Messe KV 257 / Predigt für die andern. Eine Rede für Fernsehprediger. TVZ, Zürich 1990.
- Im Gegenteil. Kolumnen 1986–1990. Luchterhand, Frankfurt am Main 1990 (SL 920).
- Zur Stadt Paris. Geschichten. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1993.
- Cuny-Geschichten (Hrsg. Tamara S. Evans). Pro Helvetia, New York 1994.
- Gegen unseren Briefträger konnte man nichts machen. Kolumnen 1990–1994. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995.
- Die Totaldemokraten. Aufsätze über die Schweiz. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1998 (es 2087).
- Cherubin Hammer und Cherubin Hammer (Erzählung). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999.
- Am Ende der Revolution – Staaten ohne Citoyens. Liechtensteinische Akademische Gesellschaft, Vaduz 1999.
- Alles von mir gelernt. Kolumnen 1995–1999. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000.
- Eisenbahnfahren (Hrsg. Rainer Weiss). Insel, Frankfurt am Main 2002 (IB 1227).
- Doktor Schleyers isabellenfarbige Winterschule. Kolumnen 2000–2002. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003.
- Das süße Gift der Buchstaben. Reden zur Literatur. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004 (es 2353).
- Wo wir wohnen. Geschichten (Hrsg. Rainer Weiss). Insel, Frankfurt am Main 2004 (IB 1253).
- Von der Erfindung der heiligen Schriften (Rede anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde). Insel, Frankfurt am Main 2004.
- Kolumnen, Kolumnen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005.
- Geschichten. Kommentiert von Rolf Jucker. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005 (sbb 64).
- Dezembergeschichten (Hrsg. Adrienne Schneider). Insel, Frankfurt am Main 2007 (IB 1295).
- Heute kommt Johnson nicht. Kolumnen 2005–2008. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008.
- Über Gott und die Welt. Texte zur Religion (Hrsg. Andreas Mauz). Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009 (st 4154).
- Das ist schnell gesagt. Sätze aus dem Werk (Hrsg. Beat Mazenauer, Severin Perrig). Suhrkamp, Frankfurt am Main 2011 (st 4294).
- Im Hafen von Bern im Frühling. Kolumnen 2008–2011. Radius, Stuttgart 2012.
- Über das Wetter reden. Kolumnen 2012–2015. Suhrkamp, Berlin 2015.
- Auch der Esel hat eine Seele. Frühe Texte und Kolumnen 1963–1971. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2020 (st 5004).
- Was wäre, wenn? Ein Gespräch mit Sieglinde Geisel. Kampa, Zürich 2018, ISBN 978-3-311-14004-7.
- Im Winter muss mit Bananenbäumen etwas geschehen. Geschichten für die kalte Jahreszeit. Insel Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-458-68178-6.
- Die schöne Schwester Langeweile. Geschichten für jeden Tag. Insel Verlag, Berlin 2023, ISBN 978-3-458-68305-6.
Hörspiele, Radiosendungen
- 1971: Inhaltsangabe der Langeweile. Hörspiel für das Schweizer Radio DRS
- 1983–1997: zahlreiche Beiträge für die Sendung Zytlupe bei Schweizer Radio DRS
- 2015: Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen. Regie: Päivi Stalder, SRF
Plattenaufnahmen
- Warum ist die Banane krumm? Wagenbach-Verlag, 1971
- Kindergeschichten. Gelesen von Peter Bichsel. Deutsche Grammophon, Hamburg 1979.
Filme
- Unser Lehrer, mit Alexander J. Seiler, 1971
- Elektronisches Tagebuch. TV-Film des ZDF, 1996
- Zimmer 202 – Peter Bichsel in Paris. Regie: Eric Bergkraut, 2010
Literatur
- Herbert Hoven (Hrsg.): Peter Bichsel. Auskunft für Leser. Luchterhand, Darmstadt 1984, ISBN 3-472-61494-3.
- Rudolf Probst (Hrsg.): Peter Bichsel. In: Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs, Nr. 40/41, Slatkine, Genf 2015, ISSN 1023-6341 (Inhaltsangabe).
- Chalit Durongphan: Poetik und Praxis des Erzählens bei Peter Bichsel. Königshausen und Neumann, Würzburg 2005, ISBN 3-8260-3091-5.
- Hans Bänziger: Peter Bichsel. Weg und Werk. 2., rev. u. erg. Auflage. Benteli, Bern 1998, ISBN 3-7165-1169-2.
- Herbert Hoven (Hrsg.): In Olten umsteigen. Über Peter Bichsel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-518-39602-1.
- Rolf Jucker (Hrsg.): Peter Bichsel. University of Wales Press, Cardiff 1996, ISBN 0-7083-1380-9.
- Herbert Hoven (Hrsg.): Peter Bichsel. Texte, Daten, Bilder. Luchterhand, Hamburg 1991, ISBN 3-630-61997-5.
Weblinks
- Literatur von und über Peter Bichsel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Peter Bichsel bei Perlentaucher.
- Kathrin Alder, Marc Tribelhorn: «Die Unveränderbarkeit der Schweiz hat etwas Beängstigendes». In: Neue Zürcher Zeitung. 31. Dezember 2020 (Interview)
- Peter Bichsel: Das Ende der Schweizer Unschuld. In: Der Spiegel. 4. Januar 1981 (Essay)
- Kommentierte Linksammlung der Universitätsbibliothek der FU Berlin (Memento vom 13. Mai 2013 im Internet Archive) (Ulrich Goerdten)
- Archiv Peter Bichsel in der Datenbank HelveticArchives bzw. als Online-Inventar (EAD) des Schweizerischen Literaturarchivs
- Peter Bichsel zum 75. Geburtstag (Memento vom 14. Juli 2011 im Internet Archive). Sendungen und Hintergründe mit historischem Archivmaterial von DRS 2 (Schweizer Radio DRS)
- Publikationen von und über Peter Bichsel im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
- Franziska Kolp: Peter Bichsel. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Werke von und über Peter Bichsel im Stadtschreiberarchiv Bergen-Enkheim
- Im Schatten des Erzählens. Zu Peter Bichsel (Memento vom 16. Februar 2017 im Internet Archive). Essay von Beat Mazenauer
- Eintrag über Peter Bichsel im Lexikon des Vereins Autorinnen und Autoren der Schweiz
- Nicholas Hessenkamp: Peter Bichsel (Memento vom 30. September 2015 im Internet Archive). In: Sonic Reducer. 8. März 2013 (Interview)
- Peter Bichsel, Biografie und Bibliografie auf Viceversa Literatur
Einzelnachweise
- ↑ Fredi Lerch: Zum Glück nie fluchttauglich. In: WOZ. Nr. 12, 24. März 2005.
- ↑ Der demokratische Minderheitssozialist (Memento vom 20. Dezember 2016 im Internet Archive). In: Quarto. Nr. 40–41, 2015, S. 132–145 (archiviert bei Fredi Lerch).
- ↑ Peter Bichsel: Das hab ich nun davon. In: Renatus Deckert (Hrsg.): Das erste Buch. Schriftsteller über ihr literarisches Debüt. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-45864-8, S. 55–58.
- ↑ Über uns. Website des Vereins der Solothurner Literaturtage.
- ↑ prix libref. an Peter Bichsel. Website des prix libref., 29. Oktober 2014.
Personendaten | |
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NAME | Bichsel, Peter |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 24. März 1935 |
GEBURTSORT | Luzern |
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Autogramm von Peter Bichsel
Autor/Urheber: Gestumblindi, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel wartet in Solothurn auf seinen Bus. Foto von Gestumblindi, aufgenommen mit Bichsels freundlicher Erlaubnis.
Autor/Urheber: Dontworry, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Peter Bichsel, 2012 in der Nationalbibliothek in Frankfurt am Main.