Pedant

Mit Pedant oder pedantisch (französisch pédantesque) wird umgangssprachlich abwertend ein Mensch bezeichnet, der laut Duden „in übertriebener Weise genau; alle Dinge mit peinlicher, kleinlich wirkender Exaktheit ausführend o. Ä.“ sei.[1] Abgeleitet daraus entstand das Substantiv Pedanterie[2] oder veraltet Pedantismus.[3]

Wortgeschichte

Etymologie

Die Bezeichnung Pedant für ‚Kleinigkeits-, Umstandskrämer, Haarspalter‘ wurde um 1600 in die deutsche Sprache vom französischen pédant ‚Schulfuchs, engstirniger Kleinigkeitskrämer‘, zuvor nicht geringschätzig gemeint mittelfranzösisch pedanteSchulmeister‘ aus italienisch pedanteErzieher, Schulmeister, Pedant‘ entlehnt. Die Herkunft gilt jedoch als unsicher, vermutet wird auch mittellateinisch *paedans (Genitiv *paedantis), Partizip Präsens zu mittellateinisch *paedare, einer latinisierten Entlehnung der Renaissancezeit aus griechisch paidé͞uein (παιδεύειν) ‚erziehen, unterrichten‘, zu griechisch pá͞is, Gen. paidós (παῖς, παιδός) ‚Kind, Knabe, Sohn‘ (vgl. Pädagoge) sowie eine scherzhafte Entstellung vom Italienischen pedagogoLehrer, Erzieher‘ durch Anpassung an das ältere italienische pedante ‚Fußgänger, Fußsoldat‘ im 14. Jahrhundert. Das Adjektiv pedantisch für ‚schulmeisterlich, kleinlich, förmlich, in übertriebener Weise genau‘ entstand ebenso um 1600. Das Substantiv Pedanterie für ‚kleinliche Denkart, übertriebene Genauigkeit, Einseitigkeit‘ entstand im gleichen Zeitraum aus dem mittelfranzösischen pédanterie, italienisch pedanteria.[4]

Geschichte

In der deutschen Sprache taucht dieses Fremdwort erstmals im 17. Jahrhundert als Entlehnung von französisch pédanterie, „Engherzigkeit“ auf.

Der Kulturanthropologe Heinz Schilling bezeichnet wesentliche Charaktereigenschaften des Kleinbürgertums als Hang zum Sicherheitsbedürfnis bis zur Handlungsfurcht, Beharrlichkeit bis zur Versteinerung, Ordentlichkeit bis zur Pedanterie, Sparsamkeit bis zum Geiz und Eigenbewusstsein bis zur Intoleranz.[5]

Nach Sigmund Freuds Phasentheorie der psychosexuellen Entwicklung ist die Pedanterie ein Charaktertyp der „analen Phase“.[6]

Rudolf Allers definierte Pedanterie so: „Pedanterie ist nichts anderes als der Wille, Kleinigkeiten der Umwelt das Gesetz der eigenen Person aufzuerlegen.“[7]

Die Pedanterie zählt neben Rigidität, Perfektionismus und Eigensinn aus heutiger psychologischer Sicht zu den Kernsymptomen der zwanghaften Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.5).[8]

Beispiele

Ein Pedant unterbräche ein Gespräch, wenn sein Gesprächspartner etwa bei Zahlen statt des exakten Wertes einen gerundeten Wert nennt (z. B. statt 9,99 Euro 10 Euro). Diese für andere unbedeutende Differenz kann in einem krankhaften Pedanten erhebliche Emotionen auslösen (z. B. Irritation, Ärger über den Gesprächspartner („Der weiß doch, dass ich das genau nehme / ein exakter Mensch bin.“) o. ä.).

Loriot sagte 2009 zu seiner Arbeitsweise als Filmregisseur:

„Um in der Qualität der Filme nicht nachzulassen, bedarf es einer sehr intensiven Arbeitsweise, die mir bisweilen auch vorgeworfen wurde. Es hieß immer, ich sei so penibel. Dabei gibt es keinen ernst zu nehmenden Regisseur, der nicht penibel wäre. […] Stanley Kubrick hat Szenen mehr als 100-mal wiederholen lassen. Eine komplizierte Aufnahme ließ ich 34-mal wiederholen. Da ging es um nichts anderes, als dass Evelyn Hamann in "Pappa ante Portas" mit einer Freundin durch den Berliner Fasanenpark spaziert und sich über ihre Ehe beklagt. Sie muss auf die Kamera zugehen, ohne hinzusehen in ein Hundehäufchen treten und dabei weiterreden. Alles ganz beiläufig, das war die Schwierigkeit, und mit nur einer Kamera-Einstellung. Für den Fortgang des Films ist diese Szene nicht wichtig, man hätte sie streichen oder schneiden können ….[9]

Umgangssprachliche Bezeichnungen für Pedanten sind beispielsweise Erbsenzähler, Korinthenkacker, Prinzipienreiter, Haarspalter oder I-Tüpf(er)lreiter (kurz auch: I-Tümpftler) (österreichisch). Man bezeichnet Pedanten auch als penibel, Pingel, überexakt oder überpeinlich (im Wortsinn wie bei „peinlich genau“).

Lexikalische Definitionen

Johann Christoph Adelung schrieb 1798 zum Stichwort Pedant: „ein Gelehrter, und in weiterer Bedeutung, eine Person, welche Kleinigkeiten als wichtige Dinge ansiehet und vertheidiget. Im weitesten Verstande nennet man jeden Gelehrten ohne Geschmack und Sitten einen Pedanten, worunter denn auch die Pedanten der vorigen engern Bedeutung begriffen sind. […] Frisch leitet es sonderbar genug von dem Lat. pedere her, ohne Zweifel, so fern der Mangel der Sitten sich bey Pedanten oft nur zu sehr auszeichnet. Nach dem Ferrarius stammet es von Pedaneus ab, und bedeutet Magistrum pedaneum, d. i. einen Unterschulmeister, welcher bey den Römern nicht auf dem Katheder saß, sondern stehend lehren mußte. So viel ist gewiß, daß dieses Wort zuerst von Schulmännern gebraucht worden, welche einen übertriebenen Werth auf ihre Schulgelehrsamkeit legen, und im verächtlichen Verstande auch Schulfüchse genannt werden. Im mittlern Lat. ist pedaneus Judex ein Unterrichter und pedanea Causa eine geringe, unerhebliche Sache.“[10] Im Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe Kirchners 1907 wurde als Pedant derjenige definiert, „welcher gewisse beschränkte Formen peinlich beobachtet und daher unfähig ist, die Dinge mit freiem Geiste zu beurteilen und zu behandeln. Am häufigsten sind die Pedanten unter den Gelehrten, doch findet man sie in jedem Stande, Alter und Geschlecht.“[11]

Meyers Großes Konversations-Lexikon definierte 1908 einen Pedanten:

„(ital.; v. griech. paideuein, erziehen), ursprünglich Erzieher, Hofmeister; dann steifer, einseitiger Gelehrter (Schulmeister; Schulfuchs), sowie verallgemeinert jeder, der kleinlich auf gegebene Formen hält. Pedanterie oder Pedantismus, das Wesen eines solchen; pedantisch, kleinlich.“

Meyers Grosses Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 531.[12]

Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon 1911 als:

„Erzieher; ein Mensch, der mit peinlicher Genauigkeit an äußerlichen, unwesentlichen Dingen hängt; Pedanterīe, Pedantismus, ängstliches Hängen an steifen Formen und beschränkten Ansichten; pedantisch, kleinlich, steif.“

Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911, S. 369.[13]

Und in Kürschners Universal Konversations Lexikon von 1906 (Abschnitt 1864) wird ausgeführt:

"Pedant (ital.), Hofmeister; (besonders wissenschaftlicher) Kleinigkeitskrämer."

Literatur

  • Alexander Košenina: Der gelehrte Narr. Gelehrtensatire seit der Aufklärung. Wallstein, Göttingen 2003, ISBN 3-89244-531-1.
  • Helmut Henne: „Nun so sage doch Freund, wie man ‚Pedant‘ uns verdeutscht.“ Campes nachdenkliche Antwort. In: Muttersprache 123 (2013), S. 206–213.
  • Karl Hölz: Wissenschaft und Salonkultur. Der Wandel des Pedanten. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift N.F. Nr. 43, 1993, S. 1–18.
  • Horst Dölvers, Theo Reichenberger (Illustrator): Pedant, Poet, gelehrter Narr: Swifts Freund Dr. Thomas Sheridan. Schulmeister, Spaßmacher, Spottfigur. Edition Reichenberger, Kassel 1999, ISBN 3-931887-58-8 (= Europäische Profile, Band 50).
  • Andrea Barham: Vom Klugscheißer zum Besserwisser, warum viele Dinge falsch sind, von denen wir denken, sie seien richtig (Originaltitel: The Pedant’s Revolt. Übers. von Katja Rudnick). Lappan, Oldenburg 2007, ISBN 978-3-8303-3157-5.

Weblinks

Wiktionary: Pedant – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: pedantisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Pedant – Zitate

Einzelnachweise

  1. Pedantisch in duden.de, abgerufen am 19. November 2013.
  2. Pedanterie in duden.de, abgerufen am 19. November 2013.
  3. Pedantismus in duden.de, abgerufen am 16. November 2015.
  4. Etymologisches Wörterbuch nach Pfeifer. (online im DWDS, abgerufen am 19. November 2013)
  5. Heinz Schilling: Kleinbürger: Mentalität und Lebensstil. Campus Verlag, 2003, ISBN 978-3-593-37250-1, S. 10 (252 S.).
  6. Gertraud Turrini. Abweichendes Verhalten aus psychoanalytischer Sicht. Vortrag Tainach, 23.–25. September 2004
  7. Viktor Frankl: Ärztliche Seelsorge. Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse. Letztauflage. Stand: 2005. In: Viktor Frankl: Gesammelte Werke. Band 4. Böhlau Verlag, Wien/Köln/Weimar 2011, ISBN 978-3-205-78619-1, S. 311 (489 Fn. 109).
  8. icd-code.de: F60.5 Anankastische [zwanghafte] Persönlichkeitsstörung.
  9. Alexander Kühn: Loriot: "Mein Arzt sagt: Sie haben gar nichts - Sie sind alt". In: stern.de, abgerufen am 16. Mai 2021.
  10. Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Band 3. Leipzig 1798, S. 680–681. (online in zeno.org, abgerufen am 19. November 2013)
  11. Friedrich Kirchner, Carl Michaëlis: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 424. (online in zeno.org, abgerufen am 19. November 2013)
  12. online in zeno.org, abgerufen am 19. November 2013.
  13. online in zeno.org, abgerufen am 19. November 2013.