Pauluskirche (Zürich)

Pauluskirche (Zürich)

Die Pauluskirche ist neben der Kirche Unterstrass und der Matthäuskirche eine der drei evangelisch-reformierten Kirchen im Zürcher Quartier Unterstrass. Die Pauluskirche besitzt das grösste Geläute des Kantons Zürich.

Geschichte

In den 1920er Jahren wuchs die Kirchgemeinde Unterstrass auf über 14000 Mitglieder an, hauptsächlich wegen verschiedenen neu entstandenen Wohnsiedlungen nördlich der Kirche Unterstrass. Deshalb wurde der Bau einer zweiten, grossen reformierten Kirche im Quartier unumgänglich. 1929 fand ein öffentlicher Wettbewerb in zwei Phasen statt, aus denen das Projekt von Martin Risch als Sieger hervorging. Am 21. Februar 1932 wurde das Projekt nach einer leidenschaftlichen Volksabstimmung bei 13497 Ja- und 8000 Nein-Stimmen angenommen. Im Juni des Jahres 1932 begann der Aushub für das Ensemble, bestehend aus Kirchgemeindehaus, Kirchenhof und Gotteshaus von den Architekten Martin Risch und August Arter. Am 19. August 1932 fand die Grundsteinlegung statt. Am 23. September 1933 zogen 1500 Kinder die Glocken in den Kirchturm auf und am 14. Januar 1934 wurde die fertiggestellte, 1400-plätzige Pauluskirche eingeweiht.[1] In den Jahren 1984–1986 fand eine umfassende Aussensanierung der Kirche statt,[2] 2007 wurde durch team4 Architekten Zürich eine Innensanierung durchgeführt.[3]

Baubeschreibung

Aussenbereich

Die städtebaulich und architektonisch sorgfältig gestaltete Anlage mit Gemeindehaus, Kirche und Hof gilt als eines der frühesten kirchlichen Gemeindezentren der Schweiz. Das Kirchgemeindehaus, flankiert von zwei Wohnflügeln, wurde 1932, die Kirche als 2. Etappe 1933 auf dem Gelände des ehemaligen Eggenschwyler-Zoos erbaut. Der wuchtige Kirchturm mit Flachdach und Glockenterrasse dominiert das baulich schlichte Ensemble und beherbergt das grösste Geläute des Kantons Zürich. Das siebenstimmige Glockengeläut aus Bronze wurde 1933 von der Glockengiesserei H. Rüetschi hergestellt.[4]

Glocke 1Glocke 2Glocke 3Glocke 4Glocke 5Glocke 6Glocke 7
BezeichnungElfuhr-GlockeBetzeit-GlockeMorgen-Glocke
Gewicht6220 kg3500 kg2600 kg1840 kg1525 kg1026 kg785 kg
Schlagtonc′d′es′f′g′

Die Pauluskirche ist ein längsrechteckiger, geosteter Saalbau. Überragt wird der mit Muschelkalk von Estavayer verkleidete Betonbau durch seinen 34 Meter hohen Eingangsturm, der mit seinem offenen Glockenstuhl ein weit herum sichtbares Wahrzeichen des Milchbuckquartiers ist. Die Längsfassaden der Kirche sind durch hohe Rechteckfenster gegliedert. Über eine breite Freitreppe gelangt der Besucher zu den Kirchentüren, zwischen denen Standbilder von Zwingli, Luther, Calvin und Bullinger angebracht sind. Gestaltet wurden diese Standbilder von Otto Kappeler.[5]

Die Kirche gilt als ein ausgeprägt monumentales Beispiel des Heimatstils. Einflüsse des Neuen Bauens lassen sich ebenso erkennen wie Merkmale der faschistischen Architektur der 1930er-Jahre.

Innenraum

Auch der Innenraum beeindruckt durch seine schiere Grösse und demonstrative Monumentalität: ein streng axial ausgerichteter, funktionaler Hallenbau mit über tausend Sitzplätzen, verteilt auf Kirchenschiff und zwei Emporen. Beidseitig angeordnete Strebepfeiler gliedern den Raum in 10 Joche und lassen das Tageslicht nur indirekt einfallen. Zusammen mit einer matten Bleiverglasung bewirkt dies im Raum eine Weichzeichnung, die sakrale Abgeschiedenheit vermittelt. Der Orgelprospekt und ein leuchtend farbiges Glasfenster von Augusto Giacometti, das die Theologischen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung darstellt, bilden die Kulisse für die gottesdienstlichen Handlungen vor der Kanzelwand.

Dieser Gegensatz von schlichter Sachlichkeit im Aussenbereich und feierlicher Wirkung im Innern, hervorgerufen durch die edle Farbgebung in verschiedenen Grautönen und durch die indirekte Beleuchtung, löste in den 1930er Jahren eine heftige Kontroverse um den reformierten Kirchenbau aus. Die Anlage steht heute unter kommunalem Denkmalschutz.[6]

Da die Kirchgänger die Monumentalarchitektur als bedrückend und nicht mehr zeitgemäss erlebten, suchte die Kirchgemeinde bei der Renovation des Innenraums im Jahr 2007 nach Möglichkeiten, die Monumentalität der Architektur von 1934 zu brechen, ohne in die ursprüngliche Gestaltung allzu stark einzugreifen. Deshalb wurde die Idee einer hellen Farbgebung des Innenraums sowie einer bunten Verglasung fallen gelassen. Stattdessen wurde die Verkleidung der Chorwand mit Blattpalladium als neuer Blickfang gestaltet, sodass deren Oberfläche das hereinfallende Licht reflektiert. Zudem wurde der Chorbereich erweitert, um ihn je nach Veranstaltung unterschiedliche bestuhlen zu können.[7]

Orgel

Die Orgel wurde 1934 von Orgelbau Kuhn (Männedorf) erbaut. Das Instrument besitzt elektrische Trakturen und hatte ursprünglich 52 Register auf drei Manualen samt Pedal. 1964 erfolgte ein Umbau durch Ziegler Orgelbau mit gleichzeitiger Erweiterung um 12 Register. Seit der Renovation durch Orgelbau Kuhn im Jahre 2006 hat das Schleifladen-Instrument 66 Register[8] und besitzt einen neuen Spieltisch. Das Register Untersatz ist ein „akustisches“ 32′-Register, d. h. ein Ton setzt sich aus jeweils einer 16′-Pfeife und einer 1023′-Pfeife zusammen, was den akustischen Eindruck eines 32′-Tones ergibt.[9]

I Hauptwerk C–g3
Principal16′
Principal8′
Gedeckt8′
Flöte8′
Gambe8′
Octave4′
Nachthorn4′
Quinte223
Octave2′
Mixtur major2′
Mixtur minor1′
Glockenzimbel12
Cornet V8′
Zinke8′
Clairon4′
II Positiv C–g3
Principal8′
Gedackt8′
Gemshorn8′
Principal4′
Rohrflöte4′
Sesquialtera II223
Principal2′
Nachthorn2′
Larigot113
Octave1′
Scharf12
Cimbel14
Dulcian16′
Klarinette8′
Tremulant
III Schwellwerk C–g3
Gedackt16′
Principal8′
Rohrflöte8′
Salicional8′
Unda Maris8′
Octave4′
Koppelflöte4′
Gemshorn4′
Nasard223
Flöte2′
Terz135
Plein Jeu2′
Terzzimbel135
Bombarde16′
Trompete8′
Oboe8′
Voix humaine8′
Clairon4′
Tremulant
Pedal C–f1
Untersatz32′
Principal16′
Flöte16′
Subbass16′
Gedackt16′
Principal8′
Cello8′
Spillflöte8′
Gedackt8′
Octave4′
Flöte4′
Schwegel2′
Mixtur V2′
Posaune16′
Sordun16′
Trompete8′
Fagott8′
Zinke4′
Singend Kornett2′
  • Koppeln: II/I, III/I, I/P, II/P, III/P

Siehe auch

Literatur

  • Fabrizio Brentini: Bauen für die Kirche. Edition SSL, Luzern 1994.
  • Katja Hasche: Sensible Eingriffe in ein ungeliebtes Denkmal. Neue Zürcher Zeitung vom 11. September 2007
  • Klaus-Martin Bresgott: Pauluskirche Zürich-Unterstrass, in: ders.: Neue Sakrale Räume. 100 Kirchen der Klassischen Moderne. Zürich 2019. S. 196f.
  • Kirchgemeinde Paulus: 50 Jahre Pauluskirche Zürich. Zürich 1984.
  • Hochbaudepartement der Stadt Zürich: Reformierte Kirchen der Stadt Zürich. Spezialinventar. Zürich 2006.

Weblinks

Commons: Pauluskirche (Zürich) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Website der Kirchgemeinde, Abschnitt Geschichtliches über unsere Kirchgemeinde. Abgerufen am 1. August 2015.
  2. Hochbaudepartement der Stadt Zürich: Reformierte Kirchen der Stadt Zürich. Spezialinventar. Zürich 2006, S. 68.
  3. Artikel in der NZZ vom 11. September 2007. Abgerufen am 1. August 2015.
  4. SRF: Glocken der Heimat – Zürich-Unterstrass, Pauluskirche, abgerufen am 7. April 2022
  5. Hochbaudepartement der Stadt Zürich: Reformierte Kirchen der Stadt Zürich. Spezialinventar. Zürich 2006, S. 66–68.
  6. Hochbaudepartement der Stadt Zürich: Reformierte Kirchen der Stadt Zürich. Spezialinventar. Zürich 2006, S. 67.
  7. Artikel in der NZZ vom 11. September 2007. Abgerufen am 1. August 2015.
  8. Nähere Informationen zur Orgel
  9. Ref. Pauluskirche Zürich. In: Orgelverzeichnis Schweiz und Liechtenstein, abgerufen am 1. August 2015.

Koordinaten: 47° 23′ 39″ N, 8° 32′ 35,5″ O; CH1903: 683390 / 249848

Auf dieser Seite verwendete Medien

Zuerich Pauluskirche.jpg
Autor/Urheber: Ikiwaner, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Pauluskirche in Zürich Unterstrass, Schweiz
Diese evangelisch-reformierte Kirche wurde von Architekt Martin Risch entworfen und am 14. Januar 1934 eingeweiht.