Paul Bowles
Paul Frederick Bowles (* 30. Dezember 1910 in Jamaica, Long Island, New York City; † 18. November 1999 in Tanger) war ein US-amerikanischer Schriftsteller, Komponist und Übersetzer.
Leben
Paul Frederick Bowles wurde als Einzelkind konservativer Eltern geboren, der Vater war Zahnarzt. Früh zeichnete sich seine schriftstellerische und musikalische Gabe ab: Bereits 1929 wurden einige seiner Gedichte in Frankreich veröffentlicht. Daraufhin verließ er die University of Virginia, an der er Musik studierte, um nach Europa zu reisen. Nach seiner Rückkehr widmete er sich erneut dem Studium der Musik.
Im Jahr 1931 reiste Bowles zum ersten Mal nach Tanger und war von der Stadt und ihren Menschen fasziniert. Wieder zurück in den Vereinigten Staaten, verdiente er sein Geld als Komponist für Kammer- und Theatermusik und schrieb Theaterkritiken. 1937 lernte er Jane Auer kennen, eine 20-jährige angehende Schriftstellerin. Im Jahr darauf heirateten die beiden, obwohl Jane zuvor nur lesbische Beziehungen geführt hatte, während Bowles bisexuell orientiert war. Schon bald gingen beide im sexuellen Bereich wieder ihre eigenen Wege, blieben aber freundschaftlich eng verbunden und unterstützten sich gegenseitig in ihrer künstlerischen Arbeit.
Mit dem ersten Roman von Jane Bowles Zwei sehr ernsthafte Damen, den die Kritik äußerst unterschiedlich aufnahm, begann auch seine Karriere. Paul Bowles begann selbst zu schreiben und veröffentlichte ab 1945 Erzählungen. Während Jane an ihrem zweiten Roman arbeitete, ging Bowles 1947 nach Tanger, um dort seinen ersten Roman zu schreiben. Auf dem Weg dorthin entstand die Kurzgeschichte Pages from Cold Point, die die Beat-Bewegung der 1950er- und 1960er-Jahre solchermaßen inspirierte, dass sie Bowles zu einem ihrer Vorbilder erhob.
1948 folgte Jane ihm nach Tanger. Durch weitere Autoren wie Truman Capote, Tennessee Williams, William S. Burroughs, Jack Kerouac wurde diese Stadt zeitweilig zu einem Mekka der Schriftsteller.
Im Jahr 1949 erschien sein erster Roman The Sheltering Sky (dt. Himmel über der Wüste), der ein großer Erfolg wurde. Ausgedehnte Reisen nach Sri Lanka, Indien, Spanien und durch Marokko einschließlich der Sahara folgten, woraus weitere Geschichten und Bücher resultierten. Er arbeitete auch an einer Oper.
Seine Frau erlitt 1957 einen Schlaganfall und wurde alkohol- und tablettenabhängig, litt unter epileptischen Anfällen und zunehmender geistiger Verwirrung. Als sie 1973 in Málaga starb, war Bowles bei ihr. Er, der sich während ihrer Krankheit stets um sie gekümmert hatte, schrieb in dieser Zeit unter anderem die Erzählungen Gesang der Insekten, Mitternachtsmesse, die Romane So mag er fallen, Das Haus der Spinne und seine Autobiografie Without Stopping. An Autobiography („Rastlos. Erinnerungen eines Nomaden“). Er unterstützte marokkanische Autoren, indem er sie – wie zum Beispiel Mohamed Choukri – zum Schreiben ermutigte. Choukris Autobiografie Das nackte Brot übersetzte Bowles ins Englische, so wie Driss ben Hamed Charhadis Ein Leben voller Fallgruben. Im Weiteren übersetzte er die Werke der schweizerischen Abenteurerin und Autorin Isabelle Eberhardt. 1981 wurde er in die American Academy of Arts and Letters gewählt.[1]
1990 entstand Bernardo Bertoluccis Verfilmung Himmel über der Wüste nach Bowles’ Roman. Der Autor hatte zwei kurze Gastauftritte in dem Film, war aber mit dem Gesamtergebnis nicht zufrieden.
Bowles starb 1999 im italienischen Krankenhaus in Tanger.
Wirkung
Bowles hat sich schon in seiner Kindheit mit den versteckten Abgründen der US-amerikanischen Gesellschaft auseinandergesetzt, von denen viele seiner Geschichten und Romane handeln. Die dauerkränkelnde Mutter, mit der ihn eine Hassliebe verband, und sein puritanisch-autoritärer Vater, den er ausnahmslos hasste, drängten ihn zudem früh in eine Traumwelt, in der er seine Phantasien ausleben konnte.
Sein literarisches Werk zeichnet sich vor allem durch eine Offenheit aus, die zu ihrer Zeit wohl einmalig, zumindest aber für die breite Öffentlichkeit schockierend war. Bowles’ Figuren sind oft entwurzelte, im Innersten kranke und sich selbst suchende Gestalten. Als Verfasser von Erzählungen gehört Paul Bowles zu den bedeutendsten Autoren in der US-amerikanischen Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Werke
Neben seinen Romanen und Musikkompositionen veröffentlichte Bowles vierzehn Kurzgeschichten-Bände, drei Gedichtbände, zahlreiche Übersetzungen, etliche Reiseberichte und eine Autobiographie.
Musik
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Fiktion
Romane | Kurzgeschichten (Sammelbände) | Gedichte |
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Übersetzungen
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Reiseberichte, Autobiographie und Briefe
- 1957 – Yallah, Text von Paul Bowles, Fotos von Peter W. Haeberlin (Reisebericht)
- 1963 – Their Heads are Green and Their Hands Are Blue (Reisebericht)
- 1972 – Without stopping (Autobiographie)
- 1990 – Two Years Beside The Strait (Autobiographie)
- 1991 – Days: Tangier Journal (Autobiographie)
- 1993 – 17, Quai Voltaire (Autobiographie von Paris, 1931, 1932)
- 1994 – Photographs – “How Could I Send a Picture into the Desert?” (Paul Bowles & Simon Bischoff)
- 1995 – In Touch – The Letters of Paul Bowles (herausgegeben von Jeffrey Miller)
Editionen
- 1984 – Paul Bowles Selected Songs (herausgegeben von Peter Garland)
- 1993 – Too Far from Home (herausgegeben von Daniel Halpern) ISBN 0-88001-295-1
- 1994 – The Portable Paul and Jane Bowles (herausgegeben von Millicent Dillon)
- 1995 – Paul Bowles: Music (herausgegeben von Claudia Swan) ISBN 0-9648083-0-7
- 2000 – The Paul Bowles Reader (Peter Owen) ISBN 0-7206-1091-5
- 2001 – The Stories of Paul Bowles (Ecco) ISBN 0-06-621273-1
- 2002 – The Sheltering Sky, Let It Come Down, The Spider’s House (Daniel Halpern, ed. Library of America) ISBN 1-931082-19-7
- 2002 – Collected Stories and Later Writings (Daniel Halpern, ed. Library of America) ISBN 1-931082-20-0
- 2010 – Travels: Collected Writings, 1950–1993 (Mark Ellingham, ed. Sort Of Books, London) ISBN 978-0-9560038-7-4
Musikethnologie
- Music of Morocco from the Library of Congress. Recorded by Paul Bowles in 1959. Dust to Digital, 2016. 4 CD.
Auftritte in Filmen und Interviews
- Paul Bowles in Morocco (1970), Produktion und Regie: Gary Conklin, 57 Minuten
- Paul Bowles: South Bank Show London Studios (1988), Produktion: ITV, Regie: Melvyn Bragg, 54 Minuten
- 1990 adaptierte Bernardo Bertolucci The Sheltering Sky zum Film Himmel über der Wüste, in dem Bowles einen Cameo-Auftritt hat und als Erzähler fungiert. 132 Minuten.
- Things Gone and Things Still Here, 1991, Regie vom preisgekrönten BBC-Filmemacher Clement Barclay. Der Film will die Welt des Paul Bowles in einer einstündigen Dokumentation entschlüsseln. Gewinner des Chicago Film Festivals.
- Paul Bowles The Complete Outsider, 1993, von Catherine Hiller Marnow und Regina Weinreich, 57 Minuten.
- Halfmoon, 1995, vier Geschichten von Paul Bowles, Frieder Schlaich und Irenve von Alberti. First Run Features, 91 Minuten (deutsche Version Halbmond, 90 Minuten)
- Let It Come Down, 1998, Requisite Productions, Zeitgeist Films, 72 Minuten. Porträt des Autors in seinem späten Leben. Regie: Jennifer Baichwal, enthält Material vom letzten Treffen zwischen Bowles, William Burroughs und Allen Ginsberg, das 1995 in New York stattfand. 72 Minuten.
- Night Waltz, 2002, ein Film von Owsley Brown über die Musik von Paul Bowles, mit Phillip Ramey und einem Interview mit Jonathan Sheffer, Dirigent des Eos Orchestra. 77 Minuten.
Sekundärliteratur
- Robert Briatte: Paul Bowles 2117 Tanger Socco. Editions Plon, Paris 1989.
- Robert Briatte: Paul Bowles : Ein Leben. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1991. ISBN 3-499-12911-6
- Gena Dagel Caponi: Paul Bowles: Romantic Savage. Southern Illinois University, Carbondale 1994.
- Millicent Dillon: You Are Not I: A Portrait of Paul Bowles. University of California Press, Berkeley 1998.
- Michelle Green: The Dream at the End of the World: Paul Bowles and the Literary Renegades in Tangier. HarperCollins, New York 1991.
- Allen Hibbard: Paul Bowles: A Study of the Short Fiction. Twayne, New York 1993. ISBN 0-8057-8318-0
- Richard F. Patteson: A World Outside: The Fiction of Paul Bowles. University of Texas Press, Austin 1987.
- Jens Rosteck: Jane und Paul Bowles: Leben ohne anzuhalten. Goldmann, München 2005.
- Christopher Sawyer-Lauçanno: An Invisible Spectator: A Biography of Paul Bowles. Grove Press, New York 1989.
- Virginia Spencer Carr: Paul Bowles: A Life. Scribner, New York 2004. ISBN 0-684-19657-3
- Lawrence D. Stewart: Paul Bowles: The Illumination of North Africa. Southern Illinois University Press, Carbondale 1974.
- Elke Stracke-Elbina: Die Short Stories von Paul Bowles, 1939–1990. Georg Olms Verlag, Hildesheim, Zürich und New York 1995. ISBN 3-487-09991-8 (= Anglistische und amerikanistische Texte und Studien 8)
Weblinks
- University of Delaware, Special Collections Department: Paul Bowles (englisch)
- Literatur von und über Paul Bowles im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Paul Bowles bei IMDb
- The Authorized Paul Bowles Web Site (englisch)
- Paul Bowles bei Discogs
Einzelnachweise
- ↑ Members: Paul Bowles. American Academy of Arts and Letters, abgerufen am 17. Februar 2019.
- ↑ Existentialismus pur: Paul Bowles’ einziges Theaterstück Franziska Hirsbrunner, SRF Sendung vom 24. März 2022; abgerufen am 15. November 2023
Personendaten | |
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NAME | Bowles, Paul |
ALTERNATIVNAMEN | Bowles, Paul Frederick |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Schriftsteller und Komponist |
GEBURTSDATUM | 30. Dezember 1910 |
GEBURTSORT | New York City, New York, Vereinigte Staaten |
STERBEDATUM | 18. November 1999 |
STERBEORT | Tanger, Marokko |