Pastoralmedizin

Der Ausdruck Pastoralmedizin bezeichnet eine Spezialdisziplin im Fächerkanon der christlichen Theologie, die der praktischen Theologie zugeordnet ist und dort zu deren ältesten Teildisziplinen zählt.[1]

Abgrenzung und Grenzfragen

Die Pastoralmedizin verbindet Thematiken der Anthropologie und speziellen Metaphysik, der Medizin, Psychiatrie und Ethik sowie der Theologie in der Einsicht, dass einige Fragen offensichtlich nicht rein medizinisch, aber auch nicht rein pastoral zu beantworten sind. Diese Fachdisziplin steht genau an der Schnittstelle von Medizin und Pastoral und nähert sich mit ihren Methoden Grenzfragen an. Zwar ging es auch um konkrete Information von arbeitenden Klerikern über medizinische Sachverhalte und um Unterstützung etwa für deren Wirken in der Krankenseelsorge oder in der Informationsweitergabe von der Kanzel, z. B. über Fragen der Hygiene; fachsystematisch betrachtet stehen aber Grenzfragen der Disziplinen im Zentrum sowie Themen, die in der heutigen Organisation theologischer Disziplinen größerenteils der Theologischen Ethik zugehören.

Geschichte des Faches

Die Teildisziplin Pastoralmedizin entsteht im 17. bis 18. Jahrhundert. Der ursprünglichen Bestimmung des Faches liegt ein Verständnis der Pastoraltheologie zugrunde, das diese als Unterweisung der Gläubigen nicht nur in pastoralen, sondern ganz allgemein lebensweltlich wichtigen – und damit auch medizinischen – Fragen versteht. Um 1800 herum z. B. lernte ein Pfarrer in der Pastoraltheologie auch, wie er den Bauern Hygiene von der Kanzel herab beibringen kann. Eine solche Auffassung des Faches lässt sich als dominant bis ca. 1850 und teilweise auch bis ins späte 19. Jhd. ausmachen. Ähnliche Predigten werden allerdings auch im 20. Jh. noch gehalten.

Pastoralmedizin heute

Letzte größere Veröffentlichungen, die sich selbst als „Pastoralmedizin“ titulieren und in der Kontinuität dieses Faches stehen, gab es bis in die 1950er Jahre. Nach dem Konzil sind die Inhalte der Pastoralmedizin einerseits in die Pastoralpsychologie, andererseits und größtenteils in die Moraltheologie gewandert. An einzelnen Orten besteht auch die Lehrstuhldenominationen "Pastoralmedizin" noch länger fort. Gottfried Roth († 2006) beispielsweise hatte 1971–77 eine Dozentur für Pastoralmedizin in Wien inne, dann ab 1979 in St. Pölten und 1990–96 am kirchlichen Institut Rolduc in den Niederlanden.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Adolf Slabý: Art. Pastoralmedizin, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 7, 1441.

Literatur

Primärtexte
  • Zeitschrift Arzt und Christ, Katholische Ärztegesellschaft Österreichs
  • Franz Xaver Mezler: Über den Einfluß der Heilkunst auf die praktische Theologie; ein Beytrag zur Pastoralmedizin, Ulm 1794.
  • Ernst Josef Gustav de Valenti: Medicina clerica, oder: Handbuch der Pastoral-Medizin für Seelsorger, Pädagogen und Ärzte nebst einer Diätetik für Geistliche, 2 Bde., F. Köhler, Leipzig 1831–32, Online bei Google Books.
  • A. M. Vering: Versuch einer Pastoralmedizin, Münster 1809.
  • August Stöhr: Handbuch der Pastoralmedizin mit besonderer Berücksichtigung der Hygiene, Herder, Freiburg 1. A. 1878, 5. A. 1909.
  • F. X. Britzger: Handbuch der Pastoral-Medizin für Seelsorger auf dem Lande. Mit besonderer Rücksicht auf die in den süddeutschen Staaten geltenden Sanitäts-Gesetze und Verordnungen, Regensburg 1848 / 1859.
  • Carl Franz Nicolaus Capellmann / W. Bergmann: Pastoral-Medizin, Paderborn 19. A. 1923.
  • H. C. A. Osthoff: Ueber die Verhältnisse des Geistlichen zum Arzte und zum Kranken, Berlin 1806.
  • Ernst W. M. v. Olfers: Pastoralmedizin. Die Naturwissenschaft auf dem Gebiet der katholischen Moral und Pastoral. Ein Handbuch für den katholischen Klerus, Herder, Freiburg 1881 / 1911.
  • Albert Niedermeyer: Handbuch der speziellen Pastoralmedizin, 6 Bde. [Das menschliche Sexualleben; Ehe und Sexualleben; Schwangerschaft, Abortus, Geburt; Der ärztliche Eingriff; Seelenleiden und Seelenheilung; Sterben und Tod], Herder, Wien 1949–1952.
  • Adolf Allwohn: Evangelische Pastoralmedizin, Grundlegung der heilenden Seelsorge, Evangelisches Verlagswerk, Stuttgart 1970.
  • M. J. Bluff: Pastoral-Medizin, Köln 1827.
  • Karl Josef Hieronymus Windischmann: Ueber Etwas, das der Heilkunst Noth thut. Ein Versuch zur Vereinigung dieser Kunst mit der christlichen Philosophie, Leipzig 1824, Online bei Google Books.
  • Iganz Familler: Pastoralpsychiatrie, Ein Handbuch für die Seelsorge der Geisteskranken, Herder, Freiburg i. Br. 1898.
  • C. H. T. Schreger: Handbuch der Pastoral-Medizin für christliche Seelsorger, Halle 1823.
  • Albert-Mathias Bering: Versuch einer Pastoralmedizin, zuerst Münster 1809, Neuauflage mit Vorwort von Frank Löhrer bei AFV, Ariadne-Fach-Verlag, Aachen 1999.
  • Anselm Ricker OSB: Pastoral-Psychiatrie zum Gebrauche für Seelsorger, Selbstverlag, Wien 1888.
  • M. Macher: Pastoral-Heilkunde für Seelsorger, Augsburg 1847.
  • Carl Franz Nicolaus Capellmann: Pastoral medicine, Pustet, New York 1879, Online bei archive.org.
  • Rudolf Steiner: Das Zusammenwirken von Ärzten und Seelsorgern, Pastoral-medizinischer Kurs, Vorträge 1924, Rudolf Steiner Verlag, Dornach 4. A. 1994.
  • Albert Niedermeyer: Allgemeine Pastoralmedizin, 2 Bde., Herder, Wien 1955.
Sekundärliteratur und jüngere Beiträge zur Pastoralmedizin
  • Th. Nauck: Pastoralmedizin an der Universität Freiburg i. B. 1812/13-1877, in: Freiburger Diözesan-Archiv 71 (1915), 67–86, Online.
  • Dietrich Rössler: Pfarrhaus und Medizin, in: Martin Greiffenhagen (Hg.): Das evangelische Pfarrhaus. Eine Kultur- und Sozialgeschichte. Stuttgart 2. A. 1991, S. 231–246, auch in: Ders.: Überlieferung und Erfahrung, Gesammelte Aufsätze zur Praktischen Theologie, hg. v. Christian Albrecht und Martin Weeber, Mohr Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 978-3-16-149012-5.
  • Heinrich Pompey: Pastoralpsychologie – die Entwicklung der ältesten Teildisziplin der Angewandten Psychologie, in: Psychologie und Praxis 16 (1972), S. 168–175, Online (PDF; 1,0 MB).
  • Heinrich Pompey: Aporie und Selbstverständnis der sogenannten Pastoralmedizin im Laufe ihrer Geschichte, Promotionsvortrag, in: Humanitas Christiana 21 (1968), S. 3–11, Online (PDF; 1,5 MB).
  • Maren Lorenz: Kriminelle Körper - Gestörte Gemüter, Die Normierung des Individuums in Gerichtsmedizin und Psychiatrie der Aufklärung, Hamburg 1999.
  • August Laumer: Heinz Fleckenstein (1907-1995) - Pastoral- und Moraltheologe in Regensburg und Würzburg. Leben und Werk (Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge 59), Würzburg 2005.
  • Heinz Fleckenstein: Aufgaben und Möglichkeiten einer sogenannten Pastoralmedizin, in: Würzburger Universitätsreden 23 (1957), S. 5–22.
  • Gottfried Roth: Über den inneren Zusammenhang von ärztlicher Ethik und Pastoralmedizin, in: E. Kull (Hg.): Ethik und Technik, Zürich 1989, 279–291.
  • Heinrich Pompey: Pastoralmedizin - der Beitrag der Seelsorge zur psycho-physischen Gesundheit, Eine bibliographisch-historische Analyse, in: Arthur E. Imhof (Hg.): Mensch und Gesundheit in der Geschichte: Vorträge eines internationalen Colloquiums in Berlin vom 20. bis zum 23. Sept. 1978, Abhandlungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 39, Matthiesen, Husum 1980, S. 115–134, Online (PDF; 6,3 MB).
  • Heinrich Pompey: Medizin, in: Ferdinand Klostermann (Hrsg.): Praktische Theologie heute, Kaiser, München 1974, S. 394–404, Online (PDF; 1,5 MB).
  • Elisabeth Kovács, Gottfried Roth: Anselm Ricker und seine Pastoralpsychiatrie 1824-1902/03; von den Anfängen pastoralmedizin. Lehrtätigkeit an der kath.-theol. Fakultät der Universität Wien, Wiener Dom-Verlag, Wien 1973, ISBN 3853510604
  • Heinrich Pompey: Fortschritt der Medizin und christliche Humanität : der Dienst der praktischen Theologie an einer Medizin im Umbruch. Würzburg: Echter, 1974. Zugl.: Würzburg, Univ., Habil.-Schr. u. d. T.: Pompey, Heinrich: Aporien und Grenzen der heutigen Pastoralanthropologie im Dienst an einer Medizin im Umbruch.
  • L. Gastgeber / H. Gastager: Pastoralmedizin, in: F. Klostermann / K. Rahner / H. Schild (Hgg.): Handbuch der Pastoraltheologie, Bd. 5 [Lexikon der Pastoraltheologie], Freiburg i. Br. 1972, S. 388–391.
  • Heinz Fleckenstein: Pastoralmedizin, in: Lexikon für Theologie und Kirche 2. A., Bd. 8 (1963), 160–162.
  • Heinrich Pompeÿ: Die Bedeutung der Medizin für die kirchliche Seelsorge im Selbstverständnis der sogenannten Pastoralmedizin : eine bibliographisch-historische Untersuchung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Fribourg [u. a.]: Herder, 1968 (= Untersuchungen zur Theologie der Seelsorge ; 23) Zugl.: Würzburg, Univ., Diss.