Parodontalstatus

Parodontalstatus Blatt 1 für gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland
Parodontalstatus Blatt 2 für gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland

Unter dem Parodontalstatus (von altgriechisch παράpara, deutsch ‚neben‘, altgriechisch ὀδούς, Gen. ὀδόντοςodontos, deutsch ‚Zahn‘ und lateinisch status ‚Zustand‘) versteht man in der Zahnmedizin die Befunderhebung der Parodontien (Zahnhalteapparat). Die Befunderhebung umfasst obligate (verpflichtend) und fakultativ (freigestellt) zu erhebende Befunde, demnach solche Befunde, die unbedingt nötig sind und solche, die nicht unbedingt erhoben werden müssen. Die obligaten Eintragungen entsprechen den Mindestanforderungen der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland zur Bewilligung des Antrages auf Übernahme der Kosten, in dem die Befunde einzutragen sind. Daneben werden zahlreiche andere Vordrucke angeboten, um die Befunde festzuhalten. Praxisverwaltungssoftware enthält entsprechende Programme zur Eintragung und Visualisierung der Befunde. Hellwege empfiehlt statt der Fachbezeichnung Parodontalstatus gegenüber Patienten die Bezeichnung Parodontitis-Risiko-Protokoll zu verwenden, was die Aufmerksamkeit auf den pathologischen Befund erhöhen soll.[1]

Anatomische Grundlagen

Der Zahnhalteapparat besteht aus dem Zahnfleisch (Gingiva propria), dem Zahnzement (Cementum), dem Zahnfach (Alveole), der Wurzelhaut (Desmodont oder Periodontium) und den Sharpey-Fasern. Diese Bindegewebsfasern des Zahnhalteapparats verbinden das Zement des Zahnes mit dem Zahnfach.[2]

Befunderhebung

Parodontalsonde (links); Bifurkationssonde (rechts)
WHO-Sonde zur Messung des PSI-Codes

Während man sich mit dem Parodontalen Screening-Index (PSI) einen Überblick über die Behandlungsbedürftigkeit schaffen kann, dokumentiert der Parodontalstatus alle Befunde über jeden Zahn. Die Befunderhebung besteht aus vier Teilen, der Erhebung der allgemeinen und speziellen Krankengeschichte, der klinischen Untersuchung, der röntgenologischen Diagnostik und der Labordiagnostik.[3]

Allgemeine und spezielle Krankengeschichte

Zunächst wird eine Dokumentation von bisherigen Zahnverlusten, Zahnwanderungen, Risikoerkrankungen, wie Rauchen oder Diabetes mellitus, Bluterkrankungen, HIV, genetische Erkrankungen, sowie vorausgegangene Parodontitisbehandlungen festgehalten.

Klinische Untersuchung

Zur parodontalen Befunderhebung gehört zunächst die Feststellung des Gebissbefundes, hierbei die Feststellung der vorhandenen Zähne, deren Sensibilität (Vitalitätsprüfung), bestehende Karies, vorhandene Füllungen und eingegliederter Zahnersatz und der Einfluss von Restaurationsrändern auf die parodontale Gesundheit, beispielsweise überstehende Füllung- oder Kronenränder.[4] Ferner werden Schlifffacetten, als Hinweise auf Bruxismus, festgehalten.

Es folgt die Inspektion der Gingiva. Veränderungen der Farbe (z. B. Rötung), der Textur (z. B. glasig, glänzend oder ulzeriert) und des Gewebstonus (z. B. ödematös) geben Hinweise auf pathologische Veränderungen der marginalen Gingiva. Darüber hinaus können eventuelle Taschensekretionen festgestellt werden, beispielsweise in Form eines Sekretabflusses aus dem Sulkus, oder Abszesse und Fistelungen bestimmt werden. Mit der Erhebung des Plaqueindex nach Silness und Löe[5] und des Gingivitisindex nach Löe[6] erfolgt die Bewertung der gingivalen Entzündung. Zur Beurteilung des parodontalen Attachmentverlustes erfolgen Taschensondierungen mittels einer kalibrierten Parodontalsonde und die Ermittlung von Gingivarezessionen und Gingivahyperplasien. Aus diesen Angaben ergibt sich der parodontale Attachmentverlust. Zuletzt geben auch die Untersuchungen von Furkationsbefall und Zahnbeweglichkeit Rückschlüsse auf den Grad der parodontalen Erkrankung.

Labordiagnostik

Bei progressiven Parodontalerkrankungen und prognostisch schwer einzustufenden Fällen kann eine Labordiagnostik durchgeführt werden, wie Tests zur Identifizierung der verursachenden parodontalpathogenen Mikroorganismen. Daneben gibt es molekularbiologische Nachweise bakterieller DNA/RNA und immunologische Nachweisverfahren.[7]

Röntgendiagnostik

Zur Erhebung eines Röntgenbefundes wird eine Panoramaschichtaufnahme oder ein Röntgenstatus angefertigt. Zur Beurteilung der Röntgenbilder dienen Bezugspunkte wie die Schmelz-Zement-Grenze, der Limbus alveolaris, die physiologische Knochengrenze, der Desmodontalspalt und die Lamina dura. Beim gesunden Parodont verläuft der Limbus alveolaris ca. zwei Millimeter apikal und parallel zur Schmelz-Zement-Grenze. Eine Verschiebung des Limbus alveolaris nach apikal ist ein Zeichen für einen Verlust des alveolären Knochens.

Generalized perio -touched up.jpg
Ausschnitt aus einer Panoramaröntgenaufnahme einer fortgeschrittenen Parodontitis im
linken Unterkiefer mit einem Knochenabbau zwischen 30 % und 80 %. Die rote Linie zeigt den
aktuellen Knochenverlauf, der in den Parodontalstatus übertragen wird. Die gelbe Linie zeigt
den ursprünglichen Verlauf des Zahnfleischsaums, der etwa 1 bis 2 mm über dem Limbus
alveolaris
, verläuft. Der pinkfarbene Pfeil rechts zeigt eine freiliegende Bifurkation. Der blaue
Pfeil in der Mitte zeigt auf einen besonders starken Knochenabbau. Der umkreiste Bereich weist
einen besonders aggressiven Verlauf der Parodontitis im Bereich der unteren Frontzähne auf.

Ausfüllhinweise

  • Klinisch nicht vorhandene Zähne werden mit horizontalen Strichen gekennzeichnet. Zähne die extrahiert (entfernt) werden müssen, werden durchkreuzt.
  • Die Ergebnisse der Messung der Taschentiefen, die an mindestens zwei gegenüberliegenden Zahnflächen bestimmt wird, wird in Millimetern in die Felder der Zahnkrone eingezeichnet.
  • Der Beweglichkeitsgrad wird in römischen Ziffern in der Mitte der Zahnkrone vermerkt.
  • Festgestellte freiliegende Furkationen werden mittels eines schwarzen Punktes in die Furkationsgegend gezeichnet.
  • Eine fakultative Eintragung der vestibulären Rezessionstiefe (in Millimetern) wird auf der Zahnwurzel eingetragen.
  • Devitale Zähne werden mit einem Negativstrich über der Wurzel markiert.
  • Es kann eine fakultative Eintragung des Gingivaverlaufes eingezeichnet werden.
  • Beim einzelnen Parodontium wird eingetragen, ob ein offenes oder geschlossenes Vorgehen geplant ist.

Siehe auch

Parodontitis

Literatur

  • Rudolf W. Ott: Klinik- und Praxisführer Zahnmedizin. Georg Thieme Verlag, 2003, ISBN 978-3-13-131781-0, S. 220 ff. (englisch, google.com).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Klaus-Dieter Hellwege: Die Praxis der professionellen Zahnreinigung & Ultraschall-Scaling: eine Arbeitsanleitung für den Zahnarzt und sein Mitarbeiterteam. Georg Thieme Verlag, 2007, ISBN 978-3-13-131283-9, S. 41 (englisch, google.com).
  2. W. Ott: Anatomie und Histologie des Parodontiums. Klinik- und Praxisführer Zahnmedizin. 1. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-13-131781-7; books.google.de
  3. Der Parodontale Screening Index (PSI), Arbeitsgemeinschaft Zahngesundheit (AGZ-RNK).
  4. Mohammad Amiri-Jetzeh: Der Einfluss von Restaurationsrändern auf die parodontale Gesundheit – eine Übersicht. (PDF; 1,1 MB) In: Schweiz Monatsschr Zahnmed, 116, 2006, S. 606–613; abgerufen am 20. Dezember 2015.
  5. H. Loe, J. Silness: Periodental disease in pregnancy. In: Acta odontologica Scandinavica. Band 21, Dezember 1963, S. 533–551, PMID 14121956.
  6. H. Löe: The Gingival Index, the Plaque Index and the Retention Index Systems. In: Journal of periodontology. Band 38, Nummer 6, 1967 Nov-Dec, S. Suppl:610–Suppl:616, doi:10.1902/jop.1967.38.6.610, PMID 5237684.
  7. Rainer Buchmann: Patientengerechte Parodontologie. Georg Thieme Verlag, 2010, ISBN 978-3-13-162431-4, S. 51 (englisch, google.com).

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zur Messung des PSI-Codes
Generalized perio -touched up.jpg
This section from a panoramic X-ray film depicts the teeth of the lower left quadrant, exhibiting generalized severe bone loss of 30–80%. The red line depicts the existing bone level, whereas the yellow line depicts where the gingiva was originally (1–2 mm above the bone), prior to the patient developing periodontal disease. The pink arrow, on the right, points to a furcation involvement, or the loss of enough bone to reveal the location at which the individual roots of a molar begin to branch from the single root trunk; this is a sign of advanced periodontal disease. The blue arrow, in the middle, shows up to 80% bone loss on tooth #21, and clinically, this tooth exhibited gross mobility. Finally, the peach oval, to the left, highlights the aggressive nature with which periodontal disease generally affects mandibular incisors. Because their roots are generally situated very close to each other, with minimal interproximal bone, and because of their location in the mouth, where plaque and calculus accumulation is greatest because of the pooling of saliva, mandibular anteriors suffer excessively. The split in the red line depicts varying densities of bone that contribute to a vague region of definitive bone height.