Parlamentswahl in der Türkei 1995

1991Parlamentswahl 19951999
Ergebnis (in %)
 %
30
20
10
0
21,4
19,7
19,2
14,6
10,7
8,2
4,2
2,0
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 1991
 %p
 10
   8
   6
   4
   2
   0
  -2
  -4
  -6
  -8
+4,5
−4,3
−7,8
+3,8
−7,0
+8,2
+1,1
+1,4
Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Anmerkungen
Anmerkungen:
g 1991: Ergebnis der SHP in kurdisch geprägten Gebieten[1]
Sitzverteilung
Insgesamt 550 Sitze

Die Wahl zur 20. Großen Nationalversammlung der Türkei fand am Sonntag, dem 24. Dezember 1995 statt. Nach einer Gesetzesänderung gab es im nationalen Parlament insgesamt 550 Abgeordnetensitze zu vergeben.

Die Regierungspartei und die Republikanische Volkspartei (CHP), mit deren Vorgängerpartei (Sozialdemokratische Populistenpartei, SHP) eine Koalition gebildet wurde, erlitten eine große Wahlniederlage, sie verloren zusammen ganze 82 Sitze auf Kosten der religiös orientierten Wohlfahrtspartei, die schon bei den letzten Wahlen die Oberbürgermeister von wichtigen Städten wie Istanbul gestellt hatten. Damit wurde erstmals eine radikal-religiöse Partei parlamentarischer Wahlsieger.

Teilnehmende Parteien

Zur Wahl traten 12 verschiedene Parteien an:

LogoParteiAusrichtungSpitzenkandidat
Wohlfahrtspartei (RP)islamistischNecmettin Erbakan
Mutterlandspartei (ANAP)liberal-konservativMesut Yılmaz
Partei des Rechten Weges (DYP)konservativTansu Çiller
Demokratische Linkspartei (DSP)kemalistisch, sozialdemokratischBülent Ecevit
Republikanische Volkspartei (CHP)kemalistisch, sozialdemokratischDeniz Baykal
Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP)rechtsextremAlparslan Türkeş
Partei der Volksdemokratie (HADEP)MinderheitenpolitikMurat Bozlak
Neue Demokratische Bewegung (YDH)Cem Boyner
Volkspartei (MP)nationalistischAykut Edibali
Partei der Wiedergeburt (YDP)Hasan Celal Güzel
Arbeiterpartei (İP)sozialistischDoğu Perinçek
Neue Partei (YP)konservativYusuf Bozkurt Özal

Wahlergebnis

Gewinner nach Provinzen und Landkreisen
Ergebnis der Parlamentswahl in der Türkei 1995
ParteiStimmenSitze
Anzahl%+/−Anzahl+/−
Wohlfahrtspartei (RP)6.012.45021,38+4,50158+96
Mutterlandspartei (ANAP)5.527.28819,65−4,36132+17
Partei des Rechten Weges (DYP)5.396.00019,18−7,85135−43
Demokratische Linkspartei (DSP)4.118.02514,64+3,8976+69
Republikanische Volkspartei (CHP)3.011.07610,71−10,0449−39
Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP)2.301.3438,18Neu0Neu
Partei der Volksdemokratie (HADEP)1.171.6234,17Neu0Neu
Unabhängige133.8950,48+0,350±0
Neue Demokratische Bewegung (YDH)133.8890,48Neu0Neu
Volkspartei (MP)127.6300,45Neu0Neu
Partei der Wiedergeburt (YDP)95.4840,34Neu0Neu
Arbeiterpartei (İP)61.4280,22Neu0Neu
Neue Partei (YP)36.8530,13Neu0Neu
Gesamt28.126.993100,00550+100
Gültige Stimmen28.126.99396,65−0,41
Ungültige Stimmen974.4763,35+0,41
Wahlbeteiligung29.101.46985,20+1,28
Nichtwähler5.054.51214,80−1,28
Registrierte Wähler34.155.981
Quelle: Türkisches Statistisches Institut (TÜİK)[2]

Regierungsbildung

Staatspräsident Süleyman Demirel beauftragte zunächst den Wahlsieger, Necmettin Erbakan von der islamistischen RP, mit der Regierungsbildung. Da jedoch zu diesem Zeitpunkt keine andere Partei bereit war, mit ihr zu koalieren, musste der Auftrag zurückgegeben werden. Auch der zweitplatzierten Partei des Rechten Weges (DYP) der bisherigen Ministerpräsidentin Tansu Çiller und der drittplatzierten Mutterlandpartei (ANAP) gelang es nicht, eine Regierung zu bilden. Erst nach einem Besuch des obersten Truppenkommandanten und des Generalstabschefs im Parlament einigten sich DYP und ANAP drei Monate nach der Wahl auf die Bildung einer Minderheitskoalition, die von der Demokratischen Linkspartei (DSP) und der Großen Einheitspartei (BBP), zu der nach der Wahl sieben für die ANAP gewählte Abgeordnete übergelaufen waren, toleriert wurde. Der Koalitionsabsprache gemäß wurde am 7. März 1996 zunächst der ANAP-Vorsitzende Mesut Yılmaz zum Ministerpräsidenten gewählt, nach zwei Jahren sollte dann wieder Çiller die Regierungsführung übernehmen.

Doch bereits Ende Mai 1996 kündigte Çiller – nach einem Streit um ihre angebliche Beteiligung an Unregelmäßigkeiten während Privatisierungsverkäufen ihrer Vorgängerregierung – die Koalition auf. Um einem von der RP beantragten Misstrauensvotum zuvorzukommen, trat Yılmaz am 6. Juni zurück. Anschließend beauftragte der Staatspräsident erneut den Vorsitzenden der stärksten Fraktion – Erbakan – mit der Regierungsbildung, dem es diesmal gelang, eine Koalition mit der DYP einzugehen. Am 28. Juni wurde eine Regierung aus RP und DYP mit Erbakan als Ministerpräsident und Çiller als Stellvertreterin sowie Außenministerin ernannt, die im Parlament über eine eigene Mehrheit verfügte.[3] Die islamistisch geführte Regierung wurde jedoch von der Militärführung nicht akzeptiert, was zum Prozess vom 28. Februar 1997 oder „postmodernen Putsch“ führte.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Die Vorgängerpartei der HADEP, die Halkın Emek Partisi, bildete für die Parlamentswahl 1991 ein Wahlbündnis mit der SHP.
  2. Ergebnisse Parlamentswahlen 1923–2011 (Memento desOriginals vom 14. Juni 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.tuik.gov.tr Türkisches Statistisches Institut (TÜİK), PDF-Datei (türkisch)
  3. Erhard Franz: Türkei 1996. In: Nahost Jahrbuch 1996. Leske + Budrich, Opladen 1997, S. 158–159.

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