Athene

Athena Parthenos, verkleinerte römische Nachbildung (3. Jahrhundert) der Statue des Phidias (Archäologisches Nationalmuseum, Athen)

Athene (altgriechisch ἈθήνηAthḗnē) oder Athena (ἈθηνᾶAthēná) ist eine Göttin der griechischen Mythologie. Sie ist die Göttin der Weisheit, der Strategie und des Kampfes, der Künste, des Handwerks und der Handarbeit sowie Schutzgöttin und Namensgeberin der griechischen Stadt Athen. Sie gehört zu den zwölf olympischen Gottheiten, den Olympioi. Ihr entspricht Minerva in der römischen Mythologie.

Ihr bedeutendstes Heiligtum war der Parthenon in Athen. Auf der Akropolis standen mehrere Statuen der Athene aus der Hand des Bildhauers Phidias. Die größte Statue verkörperte die Athena Promachos (die „in vorderster Reihe kämpfende Athene“) in voller Rüstung. Ebenso berühmt war die chryselephantine (Kunstwerk aus Gold und Elfenbein) Kolossalstatue der Athena Parthenos (der „Jungfrau Athene“) im Parthenon.

Name

Namensformen

Um eine Frühform des Namens könnte es sich beim mykenischen Atana Potinija handeln.[1] Im Altgriechischen existierten mehrere dialektale Varianten des Namens, darunter das attische ἈθηνᾶAthēná oder ἈθηναίαAthēnaía, das ionische ἈθήνηAthḗnē, dorisch ἈθάναAthána sowie das ἈθηναίηAthēnaíē der epischen Dichtersprache.

Aus der attischen Namensform gingen das lateinische Athena und neugriechisch ΑθηνάAthiná hervor. Im Deutschen ist neben der attischen Lautung (Athena) auch die vom Ionischen abgeleitete Form Athene gebräuchlich.

Herkunft und Bedeutung

Der Name Athena konnte bisher nicht auf eine indogermanische Wurzel zurückgeführt werden und gilt daher als vorgriechisch.[2] Die Bedeutung des Namens ist unklar. Ein aus Knossos stammendes Tontäfelchen mit Linearschrift B aus mykenischer Zeit nach 1500 v. Chr. nennt "a-ta-na-po-ti-ni-ja" (a-ta-na-po-ti-ni-ja), wobei es sich bei a-ta-na um ein Theonym oder ein Toponym handeln könnte.[3] Der Wortbestandteil po-ti-ni-ja wird mit dem altgriechischen πότνιαpótnia identifiziert[4] und bedeutet „Herrin, Gebieterin“ oder auch „Beherrscherin“.[5] Der Ausdruck a-ta-na-po-ti-ni-ja wurde lange Zeit als „Herrin Atana“ übersetzt, und es wurde angenommen, dass „Atana“ eine an mehreren Orten verehrte Burggöttin war. Eine alternative Übersetzung ist „Herrin von Athen“, was bedeuten würde, dass Athen der Herkunftsort der Göttin ist und sie schon in dieser Zeit eng mit der Stadt verbunden war.

Beinamen

Römische Marmorfigur der Pallas Athena (1./2. Jahrhundert, Louvre, Paris)

Bekannte Beinamen der Athena im Griechischen sind:

  • Παλλὰς ἈθηνᾶPallàs Athēná; zugleich war dies der Name der mythischen Kriegerin Pallas, Tochter des Triton
  • ΠαρθένοςParthénos, deutsch ‚die Jungfrau‘
  • ΠρόμαχοςPrómachos, deutsch ‚die Vorauskämpfende, in vorderster Linie Kämpfende, Verteidigerin‘
  • Γλαυκῶπις ἈθηνᾶGlaukṓpis Athēná, deutsch ‚die eulenäugige Athena‘, eigentlich ‚helläugige Athena‘
  • ΑρείαAreía, als Verteidigerin des Orestes
  • Ἀθηνᾶ ΕργάνηAthēná Ergánē, als Schutzpatronin der Handwerker und Künstler
  • ἈτρυτώνηAtrytṓnē, deutsch ‚die Unermüdliche, Unüberwindliche‘
  • ΠολιάςPoliás, deutsch ‚die Stadtgöttin‘
  • ΠατροίηPatroíē, deutsch ‚die Beschützerin‘

Mythos

Schutzgöttin und Weggefährtin

Athena ist Schutzgöttin und Namensgeberin Athens. Sie gilt als Göttin der Städte, der Weisheit und des Kampfes, so auch der Kriegstaktik und der Strategie; sie fungierte als Palast- und Schutzgöttin der mykenischen Herrscher. Athena war Schirmherrin der Künste und der Wissenschaften; als Hüterin des Wissens beschützte sie auch Spinner, Weber und andere Handwerker. Sie wurde aber auch in anderen Städten verehrt, so zum Beispiel in römischer Zeit im pamphylischen Side, wo sie auch die Schutzgöttin des städtischen Rates war. Dies dokumentiert eine Bronzemünze, auf der Athene einen Stimmstein in eine Wahlurne wirft.[6]

In den zwei größten Epen Griechenlands, der Ilias und der Odyssee von Homer, ist Athena die Schutzgöttin des Odysseus. Im Trojanischen Krieg „kämpft“ Athena auf Seiten der Griechen. Anschließend begleitet sie Odysseus bei seinen gefahrvollen Abenteuern.

Athena führt Perseus bei der Enthauptung der Medusa.

Familie

Nike und ein Krieger um das Palladion

Laut der Theogonie Hesiods, der ältesten und verbreitetsten Mythosversion von Abstammung und Geburt der Athena, war sie eine Tochter des Zeus und der Metis. Zeus hatte die von ihm mit zwei Kindern schwangere Metis verschlungen, da ihm von Uranos und Gaia prophezeit worden war, eine Tochter sei Zeus ebenbürtig, ein Sohn werde ihn jedoch stürzen. Als er danach unter großen Kopfschmerzen litt, zerschlug Hephaistos auf Zeus’ Befehl hin dessen Haupt (was er als Göttervater überstand). Daraus entsprang in voller Rüstung Athena. Sie wurde daher als eine Verkörperung des Geistes (da aus dem Kopf des Zeus = Kopfgeburt) und damit der Weisheit und Intelligenz angesehen. Der Bruder der Athena blieb in Metis (beziehungsweise in Zeus) ungeboren und unbenannt. Die Hephaistos-Episode ist nicht in allen Versionen vorhanden.

In einer besonderen Version des Mythos entsprang Athena in Rüstung dem Mund des Zeus und zwang ihn, ihre verschlungenen Geschwister freizugeben. Als Schutzgöttin der Stadt Athen wurde sie daher auch oft in voller Kriegsrüstung dargestellt.

Von ihrem Vater erhielt sie seine Aigis als Leihgabe, die das Haupt der später Medusa genannten Gorgo, das Gorgoneion, zierte. Dieses Antlitz schmückte auch ihren Schild. Ihr Ziehvater war der Meeresgott Triton, mit dessen Tochter Pallas sie aufwuchs. Athena tötete diese versehentlich während eines Kampfspiels mit Wurfspeeren. Zum Andenken schuf Athena eine Statue, das Palladion, und übernahm den Namen der Getöteten: Παλλὰς ἈθηνᾶPallàs Athēná.

Charakter

Wie viele griechische Gottheiten war Athena überaus leicht zu kränken: So verwandelte sie Arachne, die behauptete, die Göttin in der Webkunst zu übertreffen, in eine Spinne. Der Maler Diego Velázquez hat den Wettstreit zwischen Athena und Arachne in seinem monumentalen Gemälde Die Spinnerinnen dargestellt.

Sie ging niemals eine Liebesbeziehung ein, daher auch der Beiname Parthenos „die Jungfräuliche“ (vergleiche auch Artemis). Doch hauchte sie auf Bitten ihres Freundes, des Titanen Prometheus, den Menschen Wissen und Weisheit ein.

Nach dem Mythos stritten Poseidon und Athena um die Schirmherrschaft einer Stadt. So hielten sie einen Wettstreit ab: Wer der Stadt das nützlichere Geschenk mache, habe gewonnen. Poseidon gab einen Brunnen (oder auch eine Quelle), der jedoch nur Salzwasser spendete oder in anderen Versionen das Pferd; Athenas Gabe war der Olivenbaum und damit dessen Holz und Früchte. So wurde Athena die Schutzgöttin der Stadt, die seitdem ihren Namen trägt: Ἀθῆναι – Athen. Der heilige Ölbaum stand lange Zeit exponiert auf dem Areal der Akropolis und soll laut Legende nach der Zerstörung des Tempels während der Invasion des Xerxes neu ausgeschlagen haben.

Athene und die Eule

(c) Classical Numismatic Group, Inc. http://www.cngcoins.com, CC BY-SA 3.0
Tetradrachme (nach 445 v. Chr.)
Vorderseite: Kopf der Athene
Rückseite: Eule mit Olivenzweig

Laut Homer ist Athena γλαυκῶπιςglaukōpis, was meistens mit „eulenäugig“ übersetzt wird (γλαῦξglaúx, deutsch ‚Eule‘, ὤψṓps, deutsch ‚Auge‘). Für das Attribut glaukōpis gibt es mehrere Deutungen.

  • „Eulenäugig“ bedeutet möglicherweise, dass sie scharf und im Dunkeln sehen konnte.
  • Nach einer anderen Interpretation sind mit den „Eulenaugen“ große Augen gemeint (vgl. die großen Augen der Eule auf der abgebildeten Münze). Große Augen galten in der Antike als Schönheitsideal. In ähnlicher Weise gibt es für Hera den Beinamen „die Kuhäugige“, der nicht herabwürdigend, sondern ebenfalls als Verweis auf große Augen zu verstehen ist.
  • Eine andere Deutung leitet glaukōpis von γλαυκόςglaukós, deutsch ‚hell, leuchtend, glänzend‘, ab. Demnach könnte Homer die Eigenschaft „helläugig“ gemeint haben. Im alten Griechenland gab es, wie auch heute noch, sowohl helläugige als auch dunkeläugige Menschen.

Es wurde argumentiert, dass Homer, wenn er auf große Augen hinweisen wollte, er Athene – wie Hera – wenigstens ab und zu auch „kuhäugig“ hätte nennen können. So nennt er aber immer nur Hera und nie Athene. Danach ist zu fragen, warum Homer für die beiden Göttinnen verschiedene Attribute verwendet hat, wenn die Bedeutung jeweils nur „großäugig“ gewesen sein soll. Diese Überlegung stützt die alternativen Deutungen „scharfsichtig“ und „helläugig“.

Jedenfalls war die Eule Athena symbolisch zugeordnet und erschien auch auf den athenischen Münzen – daher die seit der Antike bekannte Redensart Eulen nach Athen tragen für „etwas Überflüssiges tun“. Auch heute ist ein Teil dieser athenischen Münze auf der griechischen 1-Euro-Münze zu sehen.

Als Sinnbild der Athena und als Vogel der Weisheit galt insbesondere der Steinkauz. Sein wissenschaftlicher Name ist Athene noctua, „nächtliche Athene“.

Nachwirkung

Kopf einer Statue der Athena (Liebieghaus Skulpturensammlung, Frankfurt am Main)

Im klassischen Jahrhundert der deutschen Literatur (etwa bei Friedrich Schiller) wurde für „Athena“ oft der damals geläufigere lateinische Name „Minerva“ benutzt, so auch in Georg Wilhelm Friedrich Hegels berühmtem Zitat zu der Tatsache, dass die Erkenntnis gesellschaftlicher Verhältnisse den Ereignissen oft erst folge: „[…] die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.“[7] (Vgl. Grundlinien der Philosophie des Rechts.)

Sachsen-Weimar verwendete als Münzbild die Pallas Athene auf dem Pallastaler, der 1622 und 1623 während der Kipper- und Wipperinflation vollwertig geprägt wurde.

Die Nationale und Kapodistrias-Universität Athen, die Max-Planck-Gesellschaft, die Universität der Bundeswehr München und die Technische Universität Darmstadt führen den Kopf der Athena in ihrem Signet.

Die deutsch-griechische Athene-Grundschule in Berlin (Europaschule) trägt diesen Namen seit 2002.

Statuen und Bildnisse (Auswahl)

Eine 5,5 Meter hohe Statue der Pallas Athena steht vor dem österreichischen Parlamentsgebäude in Wien. Auf dem Ehrenhof des Campus Süd des Karlsruher Instituts für Technologie steht ebenfalls eine Statue der Athena mit gesenkter Speerspitze, mit der die Universität an ihre im Krieg Gefallenen erinnert. Seit 1957 steht eine solche Statue auch vor dem altsprachlich orientierten Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium in Wuppertal. Als 3,4 Meter hohe Kuppelfigur von Johannes Benk sieht man Athene auf dem Kunsthistorischen Museum in Wien.

Literatur

Weblinks

Commons: Athene – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Athene – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Fritz Graf, Anne Ley: Athena. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 2, Metzler, Stuttgart 1997, ISBN 3-476-01472-X, Sp. 160–167, hier Sp. 161.
  2. Vgl. den Artikel „Ἀθήνη“, in Robert S. P. Beekes: Etymological Dictionary of Greek. Brill, Leiden und Boston 2010, S. 29.
  3. a-ta-na-po-ti-ni-ja. minoan.deaditerranean.com, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. Juni 2016; abgerufen am 28. April 2017 (englisch).
  4. po-ti-ni-ja. Deaditerranean, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. Oktober 2013; abgerufen am 19. Februar 2014 (englisch).
  5. Wilhelm Pape: Handwörterbuch der griechischen Sprache. Griechisch-deutsches Handwörterbuch. 3. Auflage. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1914, πότνια, S. 690 (zeno.org [abgerufen am 19. Februar 2014]).
  6. Margret Karola, Johannes Nollé: Götter, Städte, Feste. Kleinasiatische Münzen der römischen Kaiserzeit. Staatliche Münzsammlung, München 2014, S. 106.
  7. G. W. F. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. Frankfurt am Main 1972, S. 14.

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Theseus Athena Amphitrite Louvre G104.jpg
Theseus and Amphitrite with Athena looking on. Interior from an Attic red-figure cup, 500–490 BC. From Cerveteri (ancient Caere), Latium.
ACMA Athéna contemplative.jpg
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The goddess wears an Attic peplos and a Corinthian herlmet; she rests her head on her spear. The head slightly bowed, she contemplates a rectangular stele in front of her, perhaps a terminal boundary of a sanctuary, or a tombstone.
NAMA Athéna Varvakeion.jpg
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Unknown (After Phidias' Athena Parthenos)
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Athena Varvakeion, small Roman replica of the Athena Parthenos by Phidias. Found in Athens near the Varvakeion school, hence the name. First half of the 3rd c. AD.
Liebieghaus-athena-ffm-010.jpg
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Unbekannter Bildhauer: „Athena des Myron“ im Liebieghaus in Ffm.
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Athene, Kuppelfigur von Johannes Benk am Kunsthistorischen Museum, Wien
Altar twelve gods Louvre Ma666.jpg
Altar of the twelve gods, use unknown: maybe the brink of a well or an Zodiac altar. The object represents the twelve gods of the Roman pantheon, each identified by an attribute: Venus and Mars linked by Cupid, Jupiter and a lightning bolt, Minerva wearing a helmet, Apollo, Juno and her sceptre, Neptune and his trident, Vulcan and his sceptre, Mercury and his caduceus, Vesta, Diana and her quiver and Ceres. Marble, found in Gabii (Italy), 1st century CE.
A-ta-na-po-ti-ni-ja.svg
Darstellung der Buchstabenfolge „a-ta-na-po-ti-ni-ja“ in Linearschrift B. Die Inschrift wurde auf einem Tontäfelchen in Knossos gefunden und gilt als Hinweis auf den Namen der griechische Göttin Athene.
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Attica, Athens. 454-404 BC. AR Tetradrachm (16.85 g). Helmeted head of Athena right / ΑΘΕ, owl standing right; olive-sprig and crescent above.
SNG Copenhagen 39.