Palästinenser

Traditionelle Frauenkleidung in Ramallah mit lokalem Stickmuster, Aufnahme des American Colony Photo Department in Jerusalem, entstanden zwischen 1898 und 1914

Als Palästinenser (arabisch فلسطينيون, DMG Filasṭīnīyūn, von altgriechisch Φιλισταίοι PhilistaioiPhilister, arabisch فلسطين, DMG Falasṭīn[falasˈtˁiːn] oder Filasṭīn[filasˈtˁiːn]) werden heute zumeist Arabisch sprechende Bewohner Palästinas bezeichnet, insbesondere die Bevölkerung des Westjordanlands und des Gazastreifens sowie die Nachkommen der 1948 im Palästinakrieg Geflohenen oder Vertriebenen, die heute in der Diaspora leben. Araber mit israelischen Bürgerrechten werden oft als israelische Palästinenser oder als arabische Israelis bezeichnet. Von offizieller Seite wird in Israel der zweite Begriff bevorzugt und Palästinenser vorwiegend für die Bürger der Autonomiegebiete verwendet. Von 1920 bis 1948 galten alle Bewohner des britischen Mandatsgebiets Palästina unabhängig von ihrer Sprache und Religion als Palästinenser.

Wann sich ein Sonderbewusstsein der Arabisch sprechenden Palästinenser als eines eigenen Volkes oder einer Nation herausbildete, ist in der Forschung umstritten. Von israelischer Seite wurde früher bestritten, dass es Palästinenser überhaupt gebe; sie seien wie die Bewohner der Nachbarländer schlicht Araber.

Begriffsgeschichte

Der Begriff Palästina geht auf die Philister zurück, die laut dem Tanach vom 12. bis 10. Jahrhundert v. Chr. den Küstenstreifen zwischen Gaza und Jaffa besiedelten. Der in ägyptischen Quellen und in der hebräischen Bibel belegte Name hebräisch פְלֶשֶׁתPleschet wurde im Altgriechischen als Φιλισταίοι Philistaioi und später auf Latein als Philistaei überliefert. Nach Niederschlagung des Bar-Kochba-Aufstands 135 und der Vertreibung der dort ansässigen Juden benannten die Römer ihre bisherige Provinz Iudaea in Syria Palaestina um.[1]

Nach der arabischen Eroberung des Gebietes im 7. Jahrhundert war der Dschund Filasṭīn (Arabisch: جُنْد فِلَسْطِيْن‎, „der Militärbezirk Palästina“) ein Militärbezirk der Umayyaden und später der Abbasiden in der Provinz Bilad al-Sham (Groß-Syrien). Der Dschund Filasṭīn bestand aus elf Kura (Verwaltungsbezirken), die jeweils von einer zentralen Stadt aus regiert wurden. Der Begriff des Militärbezirks Palästina wurde 630 n. Chr. eingeführt und bestand bis zum 11. Jahrhundert.[2]

Im Zionismus wurde das Land, das man seit dem Basler Zionistenkongress 1897 als jüdische Heimstatt anstrebte, zunächst noch ganz selbstverständlich Palästina genannt, bis man Mitte des 20. Jahrhunderts merkte, dass die Bezeichnung ursprünglich einen antijüdischen Hintergrund gehabt hatte. Seitdem sprachen die Zionisten von Eretz Israel.[1]

Die erste Bezeichnung der in der Region Palästina lebenden Menschen als Palästinenser stammt von dem in Nazareth geborenen Übersetzer Khalil Beidas (1874–1949), der das Wort 1898 bei einer Übersetzung einer Geschichte des Heiligen Landes aus dem Russischen ins Arabische benutzte. 1902 findet sich die Bezeichnung in den Artikeln zweier ägyptischer Journalisten. Nach der Revolution der Jungtürken 1908 verbreitete es sich zunehmend im arabischen Sprachraum.[3]

Vom Völkerbund wurde der in der europäischen und arabischen Geschichtsschreibung eingebürgerte Begriff Palästina, dessen Grenzen nicht klar umrissen waren, als Bezeichnung für das Mandatsgebiet gewählt, das nach Ende des Ersten Weltkriegs und der Auflösung des Osmanischen Reiches britischer Verwaltung unterstellt wurde. Alle Einwohner dieses Gebiets waren dem offiziellen Sprachgebrauch nach nun Palästinenser und als solche Untertanen der britischen Krone. Deren Beamte nahmen die arabischsprachigen und die jüdischen Untertanen aber sehr unterschiedlich wahr: Die palästinensischen Stadtbewohner, deren Elite zumeist kein Englisch, sondern eher Französisch sprach, betrachteten sie als „Levantiner“ und belegten sie mit den dazugehörigen rassistischen Stereotypen wie Gerissenheit, Aufdringlichkeit oder Oberflächlichkeit. Sie waren in jedem Fall Kolonisierte und damit nicht Teil der herrschenden Gesellschaft. Die jüdischen Einwanderer dagegen waren Europäer und konnten oft Englisch. Da sie, obwohl sie genauso Kolonisierte waren, gleichzeitig als Kolonisatoren auftraten und eine ähnliche zivilisatorische Mission wie die Briten zu vertreten beanspruchten, begegneten sie den Briten auf Augenhöhe, woraus andere, aber nicht minder scharfe Konflikte erwuchsen.[4]

Erste nationale Unabhängigkeitsbestrebungen in Palästina gab es von jüdischer Seite seit Ende des 19., von arabischer Seite seit Anfang des 20. Jahrhunderts, wobei Palästina wie der Libanon zunächst oft noch als Teil Syriens betrachtet wurde. (Das Mandatsgebiet Palästina schloss anfangs Transjordanien ein; 1923 wurde es geteilt.) Im Faisal-Weizmann-Abkommen von 1919 wurden diese nationalen Bestrebungen einvernehmlich formuliert. Die Einwohner Palästinas wurden in der Regel in Juden und Araber oder nach ihrer religiösen Zuordnung in Muslime, Christen und Juden eingeteilt. Aber auch der Begriff „Palästinenser“ wurde für die Bewohner des Landes verwendet, oft mit dem Zusatz der Religion (jüdische Palästinenser usw.). „Palästinenser“ in seiner heutigen Bedeutung, also als Bezeichnung für die autochtone arabische Bevölkerung Palästinas und ihre Nachfahren, wurde erst in der Charta[5] der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) von 1964 festgeschrieben.[6] In UNO-Resolutionen war nur von „Palästinaflüchtlingen“ die Rede. Doch die diesbezüglichen Bestimmungen des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) beeinflussten die nachfolgende Neudefinition des Begriffs „Palästinenser“.

Laut dem australischen Historiker Martin Bunton gab es vor dem Ersten Weltkrieg kein Palästina als solches. Das Gebiet bestand aus den Bezirken Jerusalem, Nablus und Akkon, die nach einem sich entwickelnden Rahmen der osmanischen Verwaltung definiert wurden. Im Laufe des 20. Jahrhunderts habe dies dazu beigetragen, dass einige politische Führer die Existenz von Palästinensern bestritten. 1969 bemerkte die israelische Premierministerin Golda Meir: „Wann gab es ein unabhängiges palästinensisches Volk mit einem palästinensischen Staat?“[7] 1970 erkannte sie die Existenz von Palästinensern an, verneinte aber ein Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser. Sie bezeichnete sich selbst als Palästinenserin und begründete dies mit ihrer Einwanderung nach Palästina. Der israelische Kommunikationswissenschaftler Zohar Kampf sieht in diesen Aussagen eine doppelte Leugnung: Durch die Verwendung des Rechtsbegriffs „Palästinenser“ für unterschiedslos alle Bewohner des britischen Mandatsgebietes Palästina bestreite sie zum einen die Existenz einer spezifischen nationalen Identität der arabischen Bewohner des Gebietes, zum anderen bestreite sie das Unrecht, das dieser Gruppe bei ihrer Vertreibung 1948 angetan wurde.[8] Später schloss sich der republikanische Präsidentschaftskandidat der USA, Newt Gingrich, Meirs Ansicht an: „Die Palästinenser sind ein erfundenes Volk“, erklärte er.[7] Auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu äußerte sich in einem Interview 2022 in diesem Sinn.[9] In Israel war lange die Ansicht vorherrschend, die Palästinenser hätten keine eigene Nationalität, sondern seien lediglich Araber. Damit wurde postuliert, sie seien ethnisch identisch mit den Bewohnern der Nachbarländer. Vereinzelt wird dies auch noch in der Gegenwart behauptet.[10] Der palästinensisch-amerikanische Literaturtheoretiker Edward Said beschrieb diesen israelischen Diskurs als erfolgreiche Strategie, die eigene konstruierte Realität an die Stelle der palästinensischen zu setzen: Israelische Ideen und Institutionen erschienen so als soziale Norm, als authentisch und indigen, wohingegen die Palästinenser als „quasi-mythische Realität“, als bloße „Propaganda-Realität“ hingestellt würden.[11]

Der deutsche Theologe Dieter Vieweger gibt an, dass die Bezeichnungen Palästina und palästinensisch erst in den 1970er Jahren vom PLO-Vorsitzenden Jassir Arafat genutzt wurden, um das neu entstandene Nationalbewusstsein der arabischen Bevölkerung dieser Region auszudrücken.[1]

Laut dem israelisch-britischen Historiker Ilan Pappe dagegen gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts Ansätze zu einem Nationalgefühl im Raum Palästina, bevor 1882 die zionistische Immigration begann. Die wichtigsten Elemente dieser proto-nationalistischen Bewegung seien neben einem wachsenden Bildungs- und Alphabetisierungsgrad patriotische Gefühle, lokale Loyalitäten, Arabismus und religiöse Gefühle gewesen. Später sei der Widerstand gegen den Zionismus entscheidend bei der Ausbildung des palästinensischen Nationalismus gewesen.[12]

Laut der deutschen Politikwissenschaftlerin Muriel Asseburg formte sich eine spezifische palästinensische Identität erst in Reaktion auf den Zionismus und die jüdische Einwanderung aus. Vor allem die jüdischen Landkäufe und das Prinzip der „jüdischen Arbeit“, das die Anstellung arabischer Arbeitskräfte verbot, hätten die Lebenswirklichkeit der Palästinenser zunehmend geprägt und sie deutlich von der in anderen Gebieten des Nahen Ostens unterschieden. Vorher habe es aber bereits einige Phänomene gegeben, die die palästinensische Identität später mit ausmachen sollten: ein (meist städtischer) Lokalpatriotismus, ein Zugehörigkeitsgefühl zur arabischen Nation und das Bewusstsein sowohl bei Christen wie bei Muslimen, mit dem Heiligen Land religiös verbunden zu sein. Durch den erstarkenden türkischen Nationalismus sei dann noch eine Ablehnung der osmanischen Fremdherrschaft hinzugekommen.[13] Nach dem amerikanischen Politikwissenschaftler James L. Gelvin dürfe die Tatsache, dass der palästinensische Nationalismus sich später als der Zionismus und erst in Reaktion auf diesen entwickelte, nicht als Argument missbraucht werden, ihm die Legitimität abzusprechen. Tatsächlich seien alle Nationalismen in Opposition mit einem „Anderen“ entstanden (Othering). Dies gelte auch für den Zionismus.[14]

In offiziellen Dokumenten der Bundesrepublik Deutschland und der UN kamen „Palästinenser“ erstmals 1974 anlässlich der Rede Arafats vor der UN-Generalversammlung vor.[15]

Erste Ansätze zu Staatenbildung im Mandatsgebiet

Das Mandatsgebiet Palästina in den Grenzen von 1920 bis 1923 (einschließlich Cis- und Transjordanien)
Pass für Bewohner des Mandatsgebiets

Am 25. März 1923 wurde Transjordanien (78 % des gesamten Mandatsgebiets) halbautonom und dadurch für jüdische Ansiedlungen unzugänglich. Am 22. März 1946 wurde Transjordanien von Großbritannien unabhängig und erhielt 1950 den Namen Haschemitisches Königreich Jordanien. Im Zeichen des eskalierenden Nahostkonflikts kam es zu mehreren unterschiedlichen Teilungsvorschlägen für einen arabischen und einen jüdischen Staat, die 1947 in den UN-Teilungsplan mündeten. Mit dem Ende des britischen Mandats im Mai 1948 erfolgte die Gründung Israels durch ansässige sowie eingewanderte Juden, während die arabische Seite den Teilungsplan der Vereinten Nationen ablehnte, das gesamte Gebiet beanspruchte und den Palästinakrieg begann. Jordanien annektierte in Folge das Westjordanland und den östlichen Teil Jerusalems mit der Altstadt, der Gazastreifen fiel unter ägyptische Besatzung. Seit dem Sechstagekrieg von 1967 steht das Westjordanland unter israelischer Kontrolle mit begrenzter arabisch-palästinensischer Autonomie.[16] Gemäß dem Scharon-Plan wurde hingegen der Gazastreifen 2005 von Israel geräumt und wird derzeit von der islamistischen Hamas kontrolliert. Heute gibt es keine jüdische Bevölkerung mehr im Gazastreifen.

Verhältnis zum Panarabismus

Der Panarabismus entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Reaktion auf den osmanischen Imperialismus und fand zunächst unter den palästinensischen Arabern im Sinne einer Anbindung Palästinas an die Nachbarstaaten einigen Zuspruch, der im Verlauf des Jahrhunderts jedoch immer mehr abnahm.[16] Nach der Gründung Israels versuchte die syrisch kontrollierte as-Sa'iqa unter Zuheir Mohsen die Palästinensergebiete an den syrischen Staat anzuschließen, was ebenfalls misslang. Heute verstehen sich viele Palästinenser als einer palästinensischen Nation zugehörig. Zeichen dieser Identität ist häufig die Flagge der palästinensischen Autonomiebehörden, die arabische Revolutionsfahne von 1916.

Im Exil, in Jordanien wie in den Golfstaaten spielten Christopher Hitchens zufolge die Palästinenser anfangs eine positive Rolle.[17] Zwar hatten sie mit Ausnahme Jordaniens nie die kompletten Bürgerrechte, sie waren aber gut gebildet, säkular orientiert und interessierten sich wenig für Vorgaben bezüglich Alkoholkonsum, Musik, Kultur und Beschränkungen der Meinungsfreiheit.[17] Hitchen zufolge war es zwischenzeitlich Mode bei einigen arabischen Reportern, die Palästinenser in der Diaspora als Juden des Mittleren Ostens positiv zu beschreiben. Dies endete abrupt mit der Vertreibung der Palästinenser aus Kuwait 1991.[17]

Rolle Jassir Arafats

Eine maßgebliche Rolle bei der Schaffung eines breiten palästinensischen Nationalbewusstseins spielte Jassir Arafat (1929–2004).[18][19][20] Unter seiner Führung wurden die Palästinenser von den Vereinten Nationen zu einem Völkerrechtssubjekt erklärt. Zudem erreichte Arafats PLO die Gründung der Palästinensischen Autonomiebehörde. Seit 2012 hat der Staat Palästina einen Beobachterstatus innerhalb der UN inne (ab 1974 wurde dieser von der PLO eingenommen).

Arafats Unterstützung für Saddam Husseins Invasion Kuwaits löste die Vertreibung der Palästinenser aus Kuwait 1991 aus.[21] Unmittelbar nach dem Zweiten Golfkrieg wurden die etwa 450.000 in Kuwait lebenden Palästinenser nahezu vollständig vertrieben, weitere Palästinenser in den Golfstaaten wurden ebenso ausgeschlossen und diskriminiert.[21] Vermögensverluste in Milliardenhöhe und der Einbruch der Unterstützung für die PLO in den Golfstaaten waren die Folge.[22] Der damit einhergehende Machtverlust der PLO und ihrer stärksten politischen Fraktion, der Fatah, stärkte die aus der ägyptischen Muslimbruderschaft hervorgegangene islamistische Hamas. Diese Bewegung steht im Konflikt mit Zielen der Fatah, die nach wie vor in der Gründung eines säkularen und von den arabischen Nachbarstaaten unabhängigen Staates Palästina bestehen.[23] Die Hamas-Charta von 1988[24] verneint das Existenzrecht Israels und fordert, „die Fahne Allahs über jedem Zoll von Palästina aufzuziehen“;[24][25] Israel wird als „islamisches Heimatland“ (Waqf) beansprucht.

Der Oslo-Friedensprozess, der ab 1993 vom Fatah-Führer Arafat und dem damaligen israelischen Premierminister Jitzchak Rabin begonnen wurde, endete darin, dass Israel die PLO als offizielle Vertretung der Palästinenser akzeptierte und die PLO sich verpflichtete, aus ihrer Palästinensischen Nationalcharta alle Passagen, welche die Vernichtung Israels als Ziel nennen, zu streichen. Arafat durfte mit der Fatah in die Palästinensischen Autonomiegebiete zurückkehren.[26][27] In Folge erhielten Rabin und Arafat den Friedensnobelpreis.

Demographie

Die Ermittlung zuverlässiger Bevölkerungszahlen der Palästinenser gestaltet sich schwierig, da sich deren höchste Bevölkerungsdichte zwar mittlerweile in den palästinensischen Autonomiegebieten findet, die Mehrheit der Palästinenser aber als Emigranten anderswo lebt. Folgende Schätzungen stammen von der Palestinian Academic Society for the Study of International Affairs (PASSIA) aus dem Jahre 2001 und beschreiben die Situation nach der Vertreibung der Palästinenser aus Kuwait 1991.

Land/RegionBevölkerung
Westjordanland und Gaza-Streifen3.700.000
Israel[Anm. 1]1.213.000
Jordanien2.598.000
Libanon388.000
Syrien395.000
Saudi-Arabien287.000
Golfstaaten152.000
Ägypten58.000
Andere arabische Staaten113.000
Vereinigte Staaten von Amerika216.000
Andere Länder275.000
Gesamt9.395.000
  1. Die 200.000 Palästinenser, die in Ost-Jerusalem leben, sind in der o. a. Bevölkerungszählung möglicherweise doppelt erfasst, da sie auch zur Region Westjordanland und Gaza-Streifen gezählt wurden.

UNRWA hat 5,9 Millionen Palästinenser registriert, obwohl die Gesamtzahl vermutlich höher ist.[20] Es gibt schätzungsweise 14,3 Millionen Palästinenser weltweit.[28] In Jordanien leben rund drei Millionen Palästinenser. Palästinenser in Jordanien leben überwiegend im Nordwesten des Landes, hauptsächlich in der Umgebung von Amman, Zarqa und Irbid.[29] Ungefähr 1,8 Millionen Palästinenser machen rund 20,8 Prozent der israelischen Bevölkerung aus. Ihre Bevölkerung wächst jedoch schneller als die Gesamtbevölkerung. Obwohl die Mehrheit Muslime sind, gibt es neben Drusen auch eine beträchtliche Minderheit palästinensischer Christen.[30] Im Libanon gibt es fast 488.000 palästinensische Flüchtlinge, die keine Staatsbürger werden können und die nur sehr begrenzten Zugang zur öffentlicher Gesundheitsversorgung, Bildung oder der formellen Wirtschaft haben. Laut UNRWA sind 3,7 Millionen Palästinenser als Flüchtlinge anerkannt. Das sind Personen, die aus ihren angestammten Gebieten vertrieben wurden oder geflohen sind, sowie deren Nachkommen.[31] Von den jordanischen Behörden werden allerdings keine offiziellen Statistiken darüber herausgegeben, wie viele Bewohner palästinensischer Abstammung sind. Schätzungen gehen von 50 % bis 80 % aus. Das palästinensische Statistikamt gab am 20. Oktober 2004 die offizielle weltweite Anzahl an Palästinensern mit 9,6 Millionen bekannt, 2001 waren es laut Statistik 8,8 Millionen.

Laut dem palästinensischen Statistikbüro lebten 2018 weltweit mehr als 13 Millionen Palästinenser. Die Mehrheit von 5,85 Millionen lebt demnach in arabischen Staaten. Im Gazastreifen und im Westjordanland gibt die Behörde eine Zahl von 4,91 Millionen Menschen an, in Israel über 1,5 Millionen Palästinenser.[32]

Religion

Die meisten arabischen Palästinenser in den Palästinensischen Gebieten sind Muslime schafiitischer Richtung. Nach überdurchschnittlicher Auswanderung und Vertreibungen seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Minderheit der Christen von etwa 15 % auf 1,5 % geschrumpft.[29][30] Innerhalb der Grenzen Israels (einschließlich der seit 1967 von Israel besetzten Teile Jerusalems) betrug der Anteil der Christen an der arabischen Bevölkerung (einschließlich Drusen) 2008 8 %, gegenüber 21 % im Jahr 1950.[33] Die palästinensischen Christen gehören vorwiegend der Orthodoxen Kirche (Patriarchat von Jerusalem) an.

Palästinensische Nationalsymbole

Handala auf einer Mauer in Bil'in
  • Die schwarz-weiße Kufiya, das von Jassir Arafat berühmt gemachte Palästinensertuch.
  • Der Olivenbaum und die Olivenpflanze tragen die symbolische Konnotation von Widerstandskraft, Gesundheit, Verwurzelung und Gemeinschaft. Olivenbäume sind eine der wichtigsten Einnahmequellen in der Landwirtschaft.[34][35]
  • Die Flagge, die lange Zeit durch Israel verboten war.
  • Die Wassermelone als palästinensisches Symbol gegen die Besatzung und Zensur.
  • Der Palästinensische Schlüssel ist das Zeichen für die arabischen Flüchtlinge, die noch den Schlüssel der Häuser besitzen, aus denen sie einst im Krieg flohen.
  • Handala, eine Figur des Cartoonisten Nadschi al-Ali (1938–1987), die einen kleinen Palästinenserjungen darstellt.
  • Die traditionell palästinensische Form der Stickerei wird „Tatreez genannt und hat differenzierte lokale Ausdrucksformen.[36]

Palästinensische Persönlichkeiten

Schriftsteller

  • George Antonius (1891–1942), Autor
  • Mahmud Darwisch (1941–2008), Dichter
  • Mohammad Hamza Ghanayem (1957–2004), Schriftsteller
  • Emil Habibi (1922–1996), Schriftsteller
  • Ghassan Kanafani (1936–1972), Schriftsteller
  • Ghada Karmi (* 1939), Schriftstellerin und Ärztin
  • Samer Odeh (* 1970), Schriftsteller
  • Edward Said (1935–2003), Literaturkritiker
  • Elias Sanbar (* 1947), Schriftsteller
  • Khalil al-Sakakini (1878–1953), Schriftsteller
  • Abu Salma, Dichter
  • Jitzchak Schami (1888–1949), Schriftsteller
  • Raja Shehadeh (* 1951), Schriftsteller und Anwalt
  • Fadwa Touqan, (1917–2003), Dichterin
  • Sahar Khalifeh (* 1942), Schriftstellerin

Bühne und Film

Musik

Bildende Kunst

  • Karimeh Abbud (1893–1940), Fotografin
  • Tamam al-Akhal, eine der ersten zeitgenössischen Frauen-Künstlerinnen Palästinas
  • Naji al-Ali (1938–1987), Cartoonist, Schöpfer des „Handala“
  • Mustafa al-Hallaj (1938–2002), Maler und Grafiker
  • Kamal Boullata (1942–2019), Maler, Grafiker, Kunsthistoriker
  • Mona Hatoum (* 1952), Bildhauerin
  • Emily Jacir (* 1970), Konzeptkünstlerin
  • Omayya Joha, Cartoonistin
  • Laila Shawa (1940–2022), Malerin und Collagistin

Sport

  • Mohammad Abu Hamous, Langstreckenläufer
  • Fadi Lafi, Fußballspieler
  • Mahmoud Sarsak (* 1987), Fußballspieler
  • Nahed Mohammad, Fußballspieler

Politiker

Politiker vor 1948

PLO

Fatah

  • Chalil al-Wazir (1935–1988), Abu Dschihad
  • Faruq Kadumi (1931–2024)
  • Marwan Barghuti (* 1959)

Hamas

Weitere

Diverse Aktivisten

Religion

Islam

  • Ikrimeh Sabri, gegenwärtiger Mufti von Jerusalem

Christentum

Wissenschaftler

  • Tawfiq Canaan (1882–1964), Arzt und Ethnograf
  • Shams al-Din al-Muqaddasi (al-Maqdisi), (ca. 945–1000), Geograph in Jerusalem
  • Sana Salous (* 1955), Professorin für Ingenieurwissenschaften
  • Salim Tamari (* 1945), Historiker
  • Ahmed Teebi, Leiter Middle East Genetic Association

Sonstige Persönlichkeiten

  • Salah Chalaf (1933–1991), Geheimagent
  • Abd El-Bar Atwan, Journalist
  • Mohammad Ibrahim, Friedensaktivist
  • Fadia Foda, Freie Journalistin
  • Sirhan Sirhan (* 1944), Attentäter

Siehe auch

Literatur

Palästina

  • Édouard Atiyah, Henry Cattan: Palästina. Versprechungen und Enttäuschungen. Rastatt 1970.
  • Johannes Gerloff: Die Palästinenser. Volk im Brennpunkt der Geschichte. Scm Hänssler 2012, ISBN 978-3-7751-5337-9.
  • Gerrit Hoekmann: Zwischen Ölzweig und Kalaschnikow. Geschichte und Politik der palästinensischen Linken. ISBN 3-928300-88-1.
  • Dar al Janub (Hrsg.): … und wo ist Palästina? Eine Reise in die palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon. Wien 2006, ISBN 3-9502184-0-8.
  • Walid Khalidi: Das Palästinaproblem. Ursachen und Entwicklung 1897–1948. Rastatt 1970.
  • Katharina Kretzschmar: Identitäten im Konflikt. Palästinensische Erinnerung an die Nakba 1948 und deren Wirkung auf die dritte Generation. Transcript Verlag, Histoire Band 154, Bielefeld 2019, ISBN 978-3-8376-4787-7.
  • Irit Neidhardt (Hrsg.): Mit dem Konflikt leben!? Berichte und Analysen von Linken aus Israel und Palästina. UNRAST-Verlag, Münster 2003, ISBN 3-89771-010-2.
  • Fabio Maniscalco: Protection, conservation and valorization of Palestinian Cultural Patrimony. Monographic collection Mediterraneum, n. 5. Massa Publisher 2005.
  • Sylvia Ortlieb: Palästinensische Identität und Ethnizität. Genese und Entwicklung des Selbstverständnisses der Palästinenser. Neuer ISP-Verlag, Köln 1995.
  • Marlène Schnieper: Nakba – die offene Wunde. Die Vertreibung der Palästinenser 1948 und die Folgen. Rotpunktverlag, Zürich 2012, ISBN 978-3-85869-444-7.

Diaspora

  • Shahd Wari: Palestinian Berlin. Perception and Use of Public Space (= Habitat–International. Schriften zur Internationalen Stadtentwicklung. Band 22). Lit-Verlag, Münster 2017.
Wiktionary: Palästinenser – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Palästinenser – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Dieter Vieweger: Streit um das Heilige Land. Was jeder vom israelisch-palästinensischen Konflikt wissen sollte. Gütersloher Verlagshaus, 5. Auflage, Gütersloh 2015, ISBN 978-3-579-06757-5, S. 28.
  2. Geschichte des Heiligen Landes/Dschund Filasṭīn – Wikiversity. Abgerufen am 26. August 2024.
  3. Zachary J. Foster, Emanuel Beška: The Origins of the term “Palestinian” (“Filasṭīnī”) in late Ottoman Palestine, 1898–1914. In: Academia Letters, Article 1884, (2021), https://doi.org/10.20935/AL1884, S. 1–22, hier S. ff.
  4. Gudrun Krämer: Geschichte Palästinas. Von der osmanischen Eroberung bis zur Gründung des Staates Israel. C.H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-47601-5, S. 201 ff.
  5. Statement of Proclamation of the Organization (Memento vom 20. Mai 2007 im Internet Archive)
  6. Ulrich W. Sahm nach E. Hausen:Journalist Sahm: „Israelis haben kein Problem mit uns“ (Memento vom 12. Januar 2012 im Internet Archive), Israelnetz.com, Nachrichten vom 16. Januar 2009.
  7. a b Martin Bunton: The Palestinian-Israeli Conflict (= A Very Short Introduction. Nr. 359). Oxford University Press, Oxford 2013, ISBN 978-0-19-960393-0, S. 12.
  8. Zohar Kampf: From “There are no Palestinian people” to “Sorry for their suffering”: Israeli discourse of recognition of the Palestinians. In: Journal of Language and Politics 1, Heft 3 (2012), S. 427–447, hier S. 433.
  9. Peter Lintl, Peter Ullrich: Der Nahostkonflikt: Realkonflikt und Antisemitismus. In: derselbe, Sina Arnold, Anna Danilina, Klaus Holz, Uffa Jensen, Ingolf Seidel, Jan Weyand (Hrsg.): Was ist Antisemitismus? Begriffe und Definitionen von Judenfeindschaft. Wallstein, Göttingen 2024, ISBN 978-3-8353-5070-0, S. 86–92, hier S. 89.
  10. Martin Pabst: Der Nahostkonflikt. Eine Einführung. Kohlhammer, Stuttgart 2018, S. 9.
  11. Edward Said: The Question of Palestine. Reprint der Erstausgabe von 1979, Vintage Books, New York 1992, S. 86 und 95, zitiert nach ean Axelrad Cahan: Literary Theory and the Delegitimization of Israel. In: Alvin H. Rosenfeld (Hrsg.): Deciphering the New Antisemitism. Indiana University Press, Bloomington 2015, ISBN 978-0-253-01865-6, S. 151–178, hier S. 163.
  12. Ilan Pappe: Modern Palestine. In: Oxford Research Encyclopedia of Asian History. Oxford University Press, Oxford 2018, (kostenpflichtiges Digitalisat).
  13. Muriel Asseburg: Palästina und die Palästinenser. Eine Geschichte von der Nakba bis zur Gegenwart. 5. Auflage. C.H. Beck, München 2024, ISBN 978-3-406-77477-5, S. 42.
  14. James L. Gelvin: The Israel Palestine Conflict. One Hundred Years of War. 4. Auflage, Cambridge University Press, New York 2021, ISBN 978-1-108-48868-6, S. 100.
  15. Palästinenser – die folgenreiche Erfindung eines Volkes. Israelnetz, 6. Oktober 2020, abgerufen am 9. November 2020.
  16. a b Palestine. Encyclopædia Britannica, abgerufen am 29. Januar 2011 (englisch).
  17. a b c Christopher Hitchens: Arafat’s Squalid End. In: Slate. 17. November 2004, ISSN 1091-2339 (slate.com [abgerufen am 14. Mai 2023]).
  18. Arafat Biographie. Abgerufen am 9. November 2019.
  19. Yasser Arafat Biographie. Abgerufen am 9. November 2019.
  20. a b Yasser Arafat Biographie. Abgerufen am 9. November 2019.
  21. a b Angry welcome for Palestinian in Kuwait. 30. Mai 2001 (bbc.co.uk [abgerufen am 14. Mai 2023]).
  22. Palästinenser – In den Sand getreten. In: Der Spiegel. 8. Juni 1992, abgerufen am 22. Juni 2019.
  23. usahm.info
  24. a b The Covenant Of The Islamic Resistance Movement – Hamas. Abgerufen am 14. Mai 2023 (englisch).
  25. Hamas Charter (1988) (Memento vom 11. November 2010 im Internet Archive), kommentarlos, dokumentiert von palestinecenter.org.
  26. 'Fatah has never recognized Israel and will never do so'. Abgerufen am 14. Mai 2023 (amerikanisches Englisch).
  27. Aus dem Online-Archiv des israelischen Außenministeriums.
  28. PCBS Statistics 2022. (PDF) Palestine Central Bureau of Statistics, 7. Juli 2022, abgerufen am 14. Mai 2024 (englisch).
  29. a b Zur Bedeutung der Christen in Israel. (PDF; 225 kB), Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags von 2009, abgerufen am 11. Oktober 2018.
  30. a b Palästinensische Gebiete (Memento desOriginals vom 20. August 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/liportal.giz.de auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit.
  31. un.org (Memento vom 10. August 2009 im Internet Archive)
  32. Mehr als 13 Millionen Palästinenser weltweit. In: Israelnetz.de. 2. Januar 2019, abgerufen am 18. Januar 2019.
  33. The Arab Population in Israel. (PDF) Webseite der israelischen Statistikbehörde, abgerufen am 11. Oktober 2018 (englisch).
  34. Mohammad Daher Ababneh: Olive Symbolism in Palestinian and Spanish Poetry: A Comparative Study. In: International Journal of Linguistics, Literature and Translation. Band 6, Nr. 4, 8. April 2023, ISSN 2617-0299, S. 55–65, doi:10.32996/ijllt.2023.6.4.8 (al-kindipublisher.com [abgerufen am 30. März 2025]).
  35. Rami Sarafa: Roots of Conflict: Felling Palestine's Olive Tress. Harvard International Review, 26 (1), 2004, S. 13, abgerufen am 30. März 2025 (englisch).
  36. Widad Kamel Kawar, Tania Tamari Nasir unter Mitarbeit von Iman Assali Dajani, Hala Tomeh Ibrahim und Farideh Saleh Mayer: Palestinian embroidery – Traditional "Fallahi" cross-stitch. 2. Auflage. al-Mo'assasa al-Aarabiyya Lildirasat wa al-Nashr, Beirut 2003, ISBN 9953-441-94-4, S. Monografie.

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Costumes and characters, etc. Girls of Ramallah. Medium: 1 negative : glass, dry plate ; 10 × 12 in. Fahra Izhak Eadeh on her wedding day, Ramallah. (Source: Mia Grondahl, The Dream of Jerusalem, p. 134.) Young woman of Ramellah wearing dowry headdress.
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Autor/Urheber: وسام زقوت, Lizenz: CC BY-SA 3.0
A Palestinian passport from the era of British Mandate for Palestine.
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British Mandate of Palestine, 1920s.
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