P2 (Plattenbautyp)

Sanierter Plattenbau P2/10 ohne Balkone in der Mollstraße, Berlin

P2 ist die Abkürzung für den Wohnungsbautypus eines Plattenbaus in der DDR. Das P steht dabei für parallel, die Spannrichtung der Deckenplatten verläuft parallel zu den Fassadenflächen, die tragenden Wände sind senkrecht zur Fassade angeordnet. Dadurch werden die Fassadentafeln von Deckenlasten befreit und können größere Öffnungen für Fenster und Balkontüren aufweisen. Die 2 verweist auf die Anordnung zweier Aufgänge in einem Gebäude. Eine folgende Zahl, ggf. hinter einem Schrägstrich, gibt die Anzahl der Stockwerke an. Diese industrielle Bauweise ermöglichte den schnellen Aufbau ganzer Wohnblöcke. Die Typen der Wohnungsbaureihe[1] bzw. Wohnungsbauserie[2] P2 kamen von 1961 bis zum Ende der DDR in vielen Großstädten zum Einsatz.[3]

Geschichte

Experimentalbau vom Typ P2 im Ortsteil Fennpfuhl

Das erste Haus dieses Typs des industriellen Bauens wurde 1961 als Experimentalbau in Berlin-Lichtenberg von einem Architektenkollektiv der Bauakademie der DDR errichtet, dem unter anderem Achim Felz, Herbert Kuschy und Wilfried Stallknecht angehörten. Der Gebäudezug befindet sich in der Erich-Kuttner-Straße 9–15 im Ortsteil Fennpfuhl und steht inzwischen unter Denkmalschutz.[4]

Während der Experimentalbau noch vier verschiedene Grundrisse aufwies, entstand später zur Vereinfachung das Grundprinzip einer Deckenspannweite von 6 Metern. Damit wurden die tragenden Hauswände gleichzeitig zu Wohnungstrennwänden und die inneren Trennwände waren variabel.[5] In der Weiterentwicklung dieses Gebäudetyps variierten die Architekten die Anzahl der Stockwerke. Außerdem entstanden keilförmige Grundrisse, die eingefügt werden konnten, um eine Biegung der Trakte zu ermöglichen.

Aufbau

Angepasste P2-Bauten am Platz der Vereinten Nationen in Berlin

Treppen und Anordnung der Wohnungen

Charakteristisch für diesen Typ ist die Anordnung der Wohnungen um ein innenliegendes, nahezu quadratisches, oftmals mit einem gläsernen Dach versehenes Treppenhaus. Die Gebäude besitzen fünf bis elf Geschosse. Pro Geschoss gibt es meist zwei Wohnungen, es sind jedoch auch Abwandlungen dieses Haustyps mit drei Wohnungen pro Etage über und unter dem Treppenhaus-Zugang realisiert worden.

Stockwerke

P2/11 in Hoyerswerda.Die Verteilergänge in der 3., 6. und 9. Etage sind durch die kleineren Fenster zu erkennen. Im 6. Geschoss ist der Evakuierungsgang zwischen den Nachbarhäusern zu sehen.

Als Standardbauweise steht der P2 fünf-/sechsgeschossig, wobei das Erdgeschoss um ein halbes Geschoss aus dem Gelände herausragt. Das minimierte den Aushub im Gelände bei der Fundamentierung der Bauten und ermöglicht eine natürliche Belüftung und Belichtung der Keller. Die Erschließung der Gebäude erfolgt daher entweder über Außentreppen und/oder eine Halbtreppe im Eingangsbereich. Das Treppenhaus und dessen notwendige Erschließung bedingte die Flächenreduktion einer Wohnung im Erdgeschoss. Aus den symmetrischen 3-Zimmer-Wohnungen in den Obergeschossen wurde daher meist eine 4-Zimmer- und eine 1-Zimmer-Wohnung erstellt. Das fehlende Zimmer ist als Hausflur ausgebildet.

P2-Gebäude mit mehr als sechs Geschossen verfügen alle drei Stockwerke über einen Verteilergang. Dieser liegt meist an der Eingangsseite der Gebäude und bildet die Zugänge zu Treppenhäusern, Aufzügen, Müllabwurfschächten und Abstellkammern. Die Wohnungen über oder unter den Verteilergängen sind nicht direkt vom Aufzug aus, sondern jeweils über eine Treppe auf- oder abwärts zu erreichen. Typischerweise befinden sich die Verteilergänge in folgender Anordnung:

  • P2/7, auch P 27, (mit 7 Geschossen): 1., 3. sowie 6. (Evakuierungsgang im 6. Geschoss)
  • P2/10 (mit 10 Geschossen): 1., 3., 6. sowie 9. Geschoss
  • P2/11 (mit 11 Geschossen): 1., 4., 7. sowie 10. Geschoss. Im 7. Geschoss gibt es einen niveaugleichen Evakuierungsgang, der eine Verbindung mit einem benachbarten Gebäude darstellt und als Fluchtweg dient.

Neben den Aufzugtüren installierten die Architekten Müllabwurfschächte, womit die Abfallbeseitigung auf kurzem und wetterunabhängigem Weg möglich ist. Nach der politischen Wende wurden in einigen Gebäudezügen diese Schächte verschlossen, da sie den neuen hygienischen Vorschriften nicht mehr entsprachen. Dagegen wurden in P2-Wohnhäusern der Wohnungsgenossenschaft Lichtenberg diese Zugänge nach Mieterprotesten und einer Sondergenehmigung des Senats beibehalten und mit einer zusätzlichen (abgetrennten) Kammer versehen. Die Schachtauskleidungen und Einwurfbehälter wurden erneuert.

Wohnungstypen

Beispiel-Grundriss einer 4-Raum-Wohnung

Standard war die Ausstattung mit 1- bis 4-Raum-Wohnungen. Bei Häusern mit Sonderelementen, beispielsweise in Trapezform, existieren auch 5-Raum-Wohnungen, bei denen zwei Räume keine rechten Winkel im Grundriss aufweisen.

Im Hochparterre gab es keine Loggien; erst bei späteren Rekonstruktionsarbeiten nach der Wende wurden welche hinzugefügt.

Küche und Bad

(c) Bundesarchiv, Bild 183-N0806-015 / CC-BY-SA 3.0
Wohnzimmer mit markanter Küchen-Durchreiche
(c) Bundesarchiv, Bild 183-D0518-0001-003 / CC-BY-SA 3.0
Blick aus der Küche in die Essecke des Wohnzimmers

Eine Neuheit waren die Bäder und Küchen der Häuser, die innen und grundsätzlich nebeneinander lagen, sodass sie einen gemeinsamen Versorgungsschacht für Wasser, Abwasser und Entlüftung nutzen konnten und damit Fläche eingespart wurde.

Die Konstrukteure verzichteten auf eine Wohnküche, die lange Wege erfordert und die Familie räumlich trennt. Zudem sollten Wohnfläche und damit auch Kosten eingespart werden. Die Grundidee war, die Frau besser in die Familie zu integrieren, da die Küche offen zum Wohnraum konzipiert wurde. Der Mann sollte angeregt werden, sich im Haushalt zu beteiligen. Das Leben sollte sich nicht länger am Herd abspielen, sondern im Wohnzimmer. Die Küchen waren anfangs noch durch große Durchreichen in Form von Einbaumöbeln mit dem Wohnzimmer verbunden. Nach massiver Kritik, die Küche sei nicht genug vom Wohnraum getrennt, kamen später Betonwände mit einem kleinen Durchreiche-Fenster zur Anwendung, bei den letzten gebauten Wohnungen des Typs war die Küche komplett durch eine Wand vom Wohnzimmer getrennt. Tageslicht erhielt sie nur indirekt durch die Tür oder die Durchreiche.

Erstmals kamen für die Bäder komplett eingerichtete Sanitärraumzellen (Toilette, Waschbecken, Badewanne, Armaturen für Bad und Küche, Waschmaschinen-Anschluss, vertikale Ver- und Entsorgungsleitungen) zum Einsatz, die am Stück in den Rohbau eingehoben wurden. Zur Installation war nur die Verbindung der Rohre auf Bodenhöhe notwendig. Die Wände zum Versorgungsschacht wurden aus unterschiedlichen Materialien gefertigt. Sie reichen von Pressspanplatten über Vollgipswände bis hin zu massiven Beton-Elementen.

Technische Daten

  • Fertigteile in der Laststufe bis 5,0 t
  • Grundraster 6 m × 6 m
  • Gebäudetiefe (Standard) 12 m
  • Geschosshöhe 2,60–2,80 m
  • Geschosszahl: 5 bis 11, mit Laden- und Bürogeschossen auch 14

Literatur

  • Susanne Hopf, Natalja Meier: Plattenbau Privat. 60 Interieurs. Nicolai, Berlin 2004. ISBN 3-89479-130-6
  • Roland Enke: neues leben – neues wohnen – Der Muster- und Experimentalbau P 2 in Berlin-Lichtenberg. In: Der Bär von Berlin, Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins, 54.2005, S. 153–166. ISSN 0522-0033

Weblinks

Commons: P 2 (Plattenbautyp) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. AIBau: Katalog der Fertigteilbautypen P 2. Großtafelbauweise Laststufe 50 kN. auf bbr-server.de des BBSR.
  2. bbr-server.de des BBSR.
  3. vergleikiche: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR): Wohnungsbauserie P1, Anwendungszeitraum: 1958–1970
  4. Baudenkmal Experimentalbau P2 in der Erich-Kuttner-Straße 9–15, Mietshaus. 1961/1962 von Achim Felz, Herbert Kuschy und Wilfried Stallknecht
  5. Danuta Schmidt: Entwurf fürs Leben. In: Neues Deutschland, 12. August 2013.

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Berlin, Leninallee, Einzug in Neubauwohnung

ADN-ZB/Junge/6.7.74/Berlin: Glückliche Mieter einer Neubauwohnung in der Leninallee sind Dorothea und Egon Meinel und ihre drei Kinder Kerstin (13), Cornelia (11) und Michael (8). Dorothea Meinel ist in der Konsumbauarbeiterversorgung auf der Baustelle Fennpfuhl tätig. Ihr Ehemann Egon ist Bohrwerksdreher und Mitglied einer sozialistischen Brigade im Werkzeugmaschinenkombinat "7. Oktober". Er wurde bereits viermal als Aktivist ausgezeichnet und einmal mit dem Titel "verdienter Aktivist" geehrt. In der neuen Wohnung haben auch die Sammelstücke seines Hobbys - alte Bierkrüge - ihren Platz gefunden. Im Neubaugebiet Leninallee/Weißenseer Weg werden nach Bauabschluß (1978) etwa 50 000 Bürger wohnen.

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Berlin, Musterwohnung, Essecke Zentralbild Spre-Pr 18.5.1965 Wohnungsaustellung im Experimentalbau Storkower Straße. 17 Wohnungen des fünfgeschossigen Experimentalbaues p 2-12 der Deutschen Bauakademie in der Storkower Straße wurden am 15.5.1965 komplett möbliert der Bevölkerung als Teil der Bauausstellung "investbau 65" vorgestellt. UBz: Zu den Neuhteiten des Experimentalbaus gehören die dem Wohnraum angeschlossenen Innenküchen und die eingebauten Badzellen. Unser Bild zeigt einen Blich durch die Glastrennwand auf den Eßplatz im Wohnraum.
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