Ort (Bergbau)

Die Bezeichnung Ort[1] (Plural Örter) wird im Bergbau mehrdeutig verwendet.[2] Der Bergmann bezeichnet damit verschiedene Stellen im Bergwerk, die einen bergmännischen Zweck haben,[1] aber auch unterschiedliche Grubenbaue, außerdem die Spitze des Bergeisens.[2] Der Begriff stammt aus dem Mittelalter und bedeutet so viel wie das Ende oder das Ziel, zu dem jemand hin will.[3] Die Grundbedeutung von Ort in der bergmännischen Sprache ist dessen mittelhochdeutsche Bedeutung „Spitze, Endpunkt“; gemeint war im Bergwerk konkret das Ende des Grubengangs und damit die Abbaustelle am Ende des Grubengangs.[4][5][6]

Grundlagen und Allgemeines

Überall, wo der Bergmann sich unter Tage hin begibt, wird er mit dem bergmännischen Begriff Ort konfrontiert.[7] Wenn er nach der Seilfahrt vom Förderkorb steigt, befindet er sich im Füllort.[1] Ist der Bergmann an seinem untertägigen Arbeitsplatz angekommen, heißt es, er befindet sich vor Ort.[3] Die Arbeit vor Ort wird als vor Ort liegen oder vor Ort sitzen bezeichnet.[8] Wenn der Bergmann in einer Strecke oder einem Stollen an der Erstellung des entsprechenden Grubenbaus arbeitet, so nennt man dieses ein Ort treiben.[9] Bergleute, die ein Ort treiben, heißen Ortshauer.[10] Das Ende des Grubenbaues, an dem der Hauer arbeitet, nennt man im Bergbau Ortsbrust.[11] Wenn der Hauer sich an diesem Ende befindet, nennt er dies vor Ort kommen.[8] Für seine Arbeit an der Ortsbrust gebraucht der Hauer neben Schlägel und Eisen auch den Ortspäuschel.[12] Dies ist ein schwerer eiserner Fäustel, der so ähnlich aussieht wie der ständig verwendete Ortsfäustel, allerdings ist er doppelt so schwer wie der Ortsfäustel.[13] Wenn der Grubenbau, an dem Hauer diese Arbeit verrichtet, so niedrig ist, dass der Hauer sie nur im Sitzen verrichten kann, heißt er Sitzort.[8]

Beispiele

Unter Tage gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Grubenbauen, die als Ort bezeichnet werden.[2] Die seitliche Abzweigung von einem Hauptstollen heißt Flügelort.[7] Werden von einem Blindschacht aus verschiedene Teilsohlen angesetzt, nennt man diese Ansatzpunkte auch Ort und gibt dem jeweiligen Ort eine zusätzliche Nummer (z. B. Ort 1, Ort 2, Ort 3).[2] Ein Grubenbau, der zum Zweck des Abbaus getrieben wird, heißt Abbauort.[8] Wird in einem Grubenbau mittels Feuersetzen gearbeitet, so nennt man diesen Brennort.[7] Grubenbaue, die zur Untersuchung der Lagerstätte dienen, heißen Feldort oder Suchort.[8] Wird beim Bruchbau ein Grubenbau in die zusammengebrochenen Massen getrieben, nennt man ihn Bruchort.[7] Zwei Grubenbaue, die aufeinander aufgefahren werden, heißen Gegenort.[8] Diese Art der Auffahrung nennt der Bergmann Gegenortbetrieb.[7] Ist ein Ort genau an der vorher vom Markscheider berechneten Stelle durchschlägig geworden, dann sagt der Bergmann, die Örter sind eingekommen.[13] Einen Grubenbau, der zur Ausrichtung des Grubengebäudes dient, nennt man Ausrichtungsort.[8] Ein Grubenbau, in dem Schießarbeiten stattfinden, heißt Schießort.[7] Um durch die Sprengung keinen Schaden zu nehmen, begibt sich der Bergmann zu einer entfernt gelegenen Stelle die als Fliehort bezeichnet wird.[14] Soll in einem Teil des Grubenfeldes Raubbau betrieben werden,[ANM 1] nennt man den zu diesem Zweck aufgefahrenen Grubenbau Raubort.[8] Ein Ort, an dem das Grubenwasser gesammelt und geklärt wird, nennt der Bergmann Sumpfstrecke oder Sumpfort.[7]

Vermessung im Zusammenhang mit Ort

Wollte man im Bergbau die Lage eines untertägigen Punktes über Tage anzeigen, so nannte man diesen Vorgang Ortung.[15] Hierzu nutzte man als Markscheidezeichen einen sogenannten Ortpfahl.[16] Dieser Ortpfahl oder Ortpflock war ein kleiner Pfahl, der über Tage eingeschlagen wurde[12] und so über Tage anzeigte, wo unter Tage das Grubenfeld endete.[9] Der gesamte Vorgang wurde als Ortung zu Tag ausbringen,[12] Ortung an den Tag bringen[9] oder Ortung an Tag bringen bezeichnet.[13] Umgekehrt war es aber auch möglich, die Lage eines übertägigen Punktes durch die Ortung oder Oertung nach unter Tage zu fällen.[9] Da die Kennzeichnung der Ortung mit einem Pflock erfolgte, nannte man dieses dann, wenn die Ortung zur Kennzeichnung der Örter diente, die Örter pflöcken.[13] Wenn man einen Grubenbau dahin lenkte, wo er nach der Vorausberechnung ankommen sollte, nannte man dieses Ortung einbringen.[9]

Einzelnachweise

  1. a b c Walter Bischoff, Heinz Bramann, Westfälische Berggewerkschaftskasse Bochum: Das kleine Bergbaulexikon. 7. Auflage, Verlag Glückauf GmbH, Essen 1988, ISBN 3-7739-0501-7.
  2. a b c d Tilo Cramm, Joachim Huske: Bergmannssprache im Ruhrrevier. 5. überarbeitete und neu gestaltete Auflage, Regio-Verlag, Werne 2002, ISBN 3-929158-14-0.
  3. a b Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus (Hrsg.): Steinkohlenbergbau in Deutschland. Glückauf Verlag, Druck IDAG Industriedruck AG, Essen 2006, S. 7, 15.
  4. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 18. Auflage, bearbeitet von Walther Mitzka. Walter de Gruyter, Berlin 1960, S. 524.
  5. Wolfgang Pfeifer und andere: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1993, S. 957.
  6. Deutsches Rechtswörterbuch, Band X, Spalte 409, Lemma 1Ort, Bedeutung XII (online).
  7. a b c d e f g Heinrich Veith: Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen. Verlag von Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau 1871.
  8. a b c d e f g h Julius Dannenberg, Werner Adolf Franck (Hrsg.): Bergmännisches Wörterbuch. Verzeichnis und Erklärung der bei Bergbau - Salinenbetrieb und Aufbereitung vorkommenden technischen Ausdrücke, nach dem neuesten Stand der Wissenschaft - Technik und Gesetzgebung bearbeitet. F. U. Brockhaus, Leipzig 1882.
  9. a b c d e Johann Christoph Stößel (Hrsg.): Bergmännisches Wörterbuch, darinnen die deutschen Benennungen und Redensarten erkläret und zugleich die in Schriftstellern befindlichen lateinischen und französischen angezeiget werden. Chemnitz 1778.
  10. Erklärendes Wörterbuch der im Bergbau in der Hüttenkunde und in Salinenwerken vorkommenden technischen und in Salinenwerken vorkommenden technischen Kunstausdrücke und Fremdwörter. Verlag der Falkenberg’schen Buchhandlung, Burgsteinfurt 1869.
  11. Herbert Stahl (Redaktion), Gerhard Geurts, Hans-Dieter Hilden, Herbert Ommer, Siegfried Raimann: Das Erbe des Erzes. Band 4, Der Lüderich, Bergisch Gladbach 2008, ISBN 3-932326-52-0, S. 239–249.
  12. a b c Erklärung aller Kunstwörter und Redensarten bey Bergwerken und Hütten – arbeiten nach alphabetischer Ordnung. In zwei Theilen, mit einer kurzen Vorrede, neue Auflage, in Commission bey C. G. Fleckeisen, Helmstedt 1802.
  13. a b c d Minerophilo Freibergensi: Neues und wohleingerichtetes Mineral – und Bergwerks-Lexikon. Andere und vielvermehrte Ausgabe, bei Johann Christoph und Johann David Stößeln. Chemnitz 1743.
  14. Joseph Niederist: Grundzüge der Bergbaukunde. Für den praktischen Unterricht und Gebrauch bearbeitet. k.k. Hof-, Buch- und Kunsthändler F. A. Credner, Prag 1863, S. 40.
  15. Moritz Ferdinand Gätzschmann: Sammlung bergmännischer Ausdrücke. Zweite wesentlich vermehrte Auflage, Verlag von Craz & Gerlach, Freiberg 1881.
  16. Carl Hartmann: Handwörterbuch der Mineralogie, Berg-, Hütten- und Salzwerkskunde der Mineralogie nebst der französischen Synonymie und einem französischen Register. Zweite Abtheilung L bis Z, 2. Auflage, Gedruckt und verlegt Bernhard Friedrich Voigt, Ilmenau 1825.

Anmerkungen

  1. Der Raubbau fand dann aber oftmals in einem fremden Grubenfeld statt. (Quelle: Julius Dannenberg, Werner Adolf Franck (Hrsg.) Bergmännisches Wörterbuch.)