Die Hauptorgel des Petersdomes in Rom wurde 1953 bis 1962 von der italienischen Firma Tamburini auf Basis einer Walcker-Orgel von 1894 erbaut. Sie befindet sich zweigeteilt hinter den Pfeilern des Chores und verfügt über 80 Register. Die Orgel ist vom musikalischen Standpunkt den Dimensionen des Gebäudes nicht angemessen und wurde als die „größte Chororgel der Welt“[1] bezeichnet. Zahlreiche Projekte namhafter Orgelbauer im 19. und 20. Jahrhundert, eine Großorgel in der Basilika zu errichten, wurden jedoch nicht verwirklicht.
In der Chorkapelle sind zwei zweimanualige Orgeln hinter den gleichen Gehäusen gegenüber aufgestellt. Die Morettini-Orgel von 1887 besitzt 18 Register, die Orgel von Tamburini aus dem Jahr 1974 hat 21 Register. Eine fahrbare Walcker-Orgel, die Helmut Schmidt 1981 dem Papst schenkte, verfügt über 11 Register.
Bei der Planung der Basilika waren für die Kirchenmusik vier Emporen an den Pfeilern zur Kuppel hin geplant. Das mehrchörige Musizieren von den Emporen entsprach der üblichen Aufführungspraxis der Zeit; ein vergleichbares Ensemble von Emporen kann heute (wieder) im Salzburger Dom betrachtet werden.
Zur Zeit Frescobaldis, der 1608 Organist von St. Peter wurde, standen im Petersdom drei Orgeln zur Verfügung. Den gesamten Raum zu füllen war sicher nicht beabsichtigt und angesichts der höchstwahrscheinlich recht klein disponierten Instrumente auch nicht möglich. Eines dieser Instrumente befindet sich heute in der Sakramentskapelle; von diesem Instrument ist allerdings nur der Prospekt erhalten. Es wurde 1582 erbaut und befand sich in einem vergoldeten Gehäuse auf der rechten Seite des Altares. Die anderen Instrumente sind nicht erhalten.[1]
1626 erhielt die Cappella Tornabuoni eine Orgel, die Morettini jedoch 1885 durch ein Instrument mit doppelseitigem Prospekt ersetzte. Tamburini baute diese Orgel 1975 neu.[1][2]
19. Jahrhundert
Auch im 19. Jahrhundert stand in St. Peter noch immer keine größere Orgel, die den riesigen Raum hätte füllen können. Stendhal bemerkte nach seinem Besuch 1828:
« Il manque dans Saint-Pierre un orgue digne d’un tel vase. »
„Es fehlt in Sankt Peter eine Orgel, die eines solchen Raumes würdig ist.“
1875 erstellte Aristide Cavaillé-Coll, der nach dem Bau der Orgel von St-Sulpice und Notre-Dame in Paris auf dem Höhepunkt seines Ruhmes stand, einen Entwurf für eine gigantische Orgel mit fünf Manualen und 124 Registern. Sie sollte an der Ostwand in einem Gehäuse von Alphonse Paul Joseph Marie Simil (* 1841) mit 32′-Prospekt aufgehängt werden.[4]
Pius IX. zeigt sich zunächst aufgeschlossen, erklärte später aber nur lakonisch „suspendimus organa nostra“. 1887 wurde Leo XIII. ein Modell im Maßstab 1:10 vorgestellt, allerdings ohne Erfolg.[1] Das Modell befindet sich noch heute in einem Lagerraum am Fuße der Kuppel der Basilika.[5] Cavaillé-Coll starb, ohne das Projekt verwirklichen zu können.[1]
Zur musikalischen Begleitung der Messen in St. Peter war man schon 1894 an die Firma E.F. Walcker & Cie. Ludwigsburg herangetreten und hatte ein kleines – fahrbares – pneumatisches Instrument mit 20 Registern auf zwei Manualen und Pedal bestellt (Opus 732), das trotz zweier Hochdruckregister den Raum kaum zu füllen vermochte. Den Ausschlag für den Auftrag an Walcker gab wahrscheinlich Remigio Renzi, Organist von St. Peter und zugleich Professor am Konservatorium Santa Cecilia, der für das Konservatorium kurz zuvor ein ähnliches Instrument bestellt hatte.
Disposition der Orgel auf der Epistelseite (Walcker, 1895)
I Grand’Organo C-g3
Bourdon
16′
Principal
8′
Flûte
8′
Viola di Gamba
8′
Dolce
8′
Octave
4′
Rohrflöte
4′
Fourniture IV–V
Trompete
8′
II Espressivo C-g3
Schwellbar:
Violon Principal
8′
Lieblich Gedackt
8′
Aeoline
8′
Voix Céleste
8′
Flauto Dolce
4′
Clarinette
8′
Nicht schwellbar:
Stentor Flûte
8′
Stentor Gamba
8′
Pedale C–f1
Sous Basse
16′
Violon Basse
16′
Violon
8′
20. Jahrhundert
Im Jahre 1902 erhielt Carlo Vegezzi-Bossi den Auftrag, eine weitere fahrbare Orgel anzufertigen, die äußerlich eine Kopie der Walker-Orgel sein sollte. Das Bossi-Instrument hatte 25 Register auf zwei Manualen und Pedal und wurde gegenüber der Walker-Orgel auf der rechten Seite des Chores aufgestellt.[1]
Disposition der Orgel auf der Evangelienseite (Bossi, 1902)
I Grand'Organo C-a3
Principale
16′
Principale
8′
Salizionale
8′
Flauto Traversiere
8′
Unda Maris
8′
Ottava
4′
Decimaseconda
22⁄3′
Decimaquinta
2′
Ripieno VI
Tromba
8′
II Espressivo C-a3
Bordone
8′
Concerto Viole
8′
Viola Gamba
8′
Viola Celeste
8′
Flauto armonico
4′
Oboe
8′
Tremolo
Pedale C-d1
Subbasso
16′
Contrabbasso
16′
Bordone
8′
Violoncello
8′
Entwurf von Charles Mutin 1910
Einen erneuten Versuch für den Bau einer Großorgel unternahm unter dem Pontifikat Pius’ X. 1910 der Nachfolger Cavaillé-Colls, Charles Mutin. Die Disposition Cavaillé-Colls wurde auf 153 Register mit 10.603 Pfeifen bei elektrischer Traktur erweitert. Allerdings entschied Papst Pius XI., dass die Orgel nicht an der Ostwand aufgestellt werden könne, stattdessen solle sie fahrbar sein.
Charles-Marie Widor sammelte für dieses Projekt 60.000 Francs ein. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg – und wohl auch durch den aufkommenden Cäcilianismus – konnte auch dieses Projekt nicht verwirklicht werden. Die gesammelten 60.000 Francs wurden zur Finanzierung des Bodenbelags im Chor von St. Peter verwandt.[1]
Dispositionsvorschlag Charles Mutin 1910
I Grand-Orgue
Montre
16′
Gambe
16′
Bourdon
16′
Quinte
102⁄3′
Montre
8′
Diapason
8′
Flûte Harmonique
8′
Viole de Gambe
8′
Bourdon
8′
Dulciana
8′
Grosse Quinte
51⁄3′
Prestant
4′
Octave
4′
Flûte Octavinante
4′
Quinte
22⁄3′
Doublette
2′
Tierce
13⁄5′
Grande Fourniture IV
Grosse Cymbale V
Fourniture III
Cymbale IV
Bombarde
16′
Basson
16′
Trompette harm.
8′
Basson
8′
Clairon
4′
Soprano
4′
II Bombarde
Principale Basse
16′
Quintatön
16′
Jubal
8′
Flûte harm.
8′
Flûte Conique
8′
Kéraulophone
8′
Bourdon
8′
Grosse Quinte
51⁄3′
Grosse Flûte
4′
Principal
4′
Violon
4′
Tierce
31⁄5′
Nazard
22⁄3′
Septième
22⁄7′
Octavin
2′
Piccolo harm.
1′
Grosse Cornet V
16′
Plein Jeu V
Tuba Magna
16′
Tuba Mirabilis
8′
Trompette Quinte
51⁄3′
Clairon
4′
Clairon Doublette
2′
III Positif
Violon Basse
16′
Bourdon
16′
Diapason
8′
Flûte Traversière
8′
Cor de Nuit
8′
Salicional
8′
Viola
8′
Voix Angélique
8′
Principal
4′
Flûte Douce
4′
Nazard
22⁄3′
Flageolet
2′
Carillon III
Cornet V
Cor d'Harmonie
16′
Trompette harm.
8′
Cromorne
8′
Basson-Hautbois
8′
Violon harm.
4′
IV Récit expressif
Gambe
16′
Bourdon
16′
Diapason
8′
Flûte harm.
8′
Flûte à Pavillon
8′
Bourdon
8′
Viole de Gambe I
8′
Viole de Gambe II
8′
Voix Célestes I
8′
Voix Célestes II
8′
Quinte
51⁄3′
Prestant
4′
Flûte Octavinante
4′
Viole d'Amour
4′
Eoline
4′
Grosse Tierce
31⁄5
Nazard
22⁄3′
Septième
22⁄7′
Octavin
2′
Tierce
13⁄5′
Larigot
11⁄3′
Septième
11⁄7′
Piccolo
1′
Cornet V
8′
Plein Jeu VII
Clarinette
16′
Clarinette
8′
Voix Humaine
8′
Musette
8′
Bombarde
16′
Trompette harm.
8′
Quinte Trompette
51⁄3′
Clairon harm.
4′
Clairon Doublette
2′
V Solo expressif
Soubasse
16′
Flûte Conique
16′
Diapason
8′
Flûte Traversière
8′
Quintatön
8′
Viola da Gamba
8′
Violon
4′
Flûte Octaviante
4′
Nazard
22⁄3′
Septième
11⁄7′
Piccolo
1′
Cor Anglais
16′
Cor Harmonique
8′
Trompette harm.
8′
Clairon harm.
4′
Tuba Magna en Cham.
16′
Tuba Mirabilis en Cham.
8′
Quinte Trompette en Cham.
51⁄3′
Cor Harmonique en Cham.
4′
Pédale
Basse Acoustique
32′
Principale Basse
32′
Montre
32′
Grosse Flûte
16′
Contre-Basse
16′
Violon-Basse
16′
Soubasse
16′
Grosse Quinte
102⁄3′
Grosse Flûte
8′
Diapason
8′
Violoncelle
8′
Bourdon
8′
Grand Tierce
62⁄5′
Grosse Quinte
51⁄3′
Septième
44⁄7′
Octave
4′
Viole
4′
Flûte
4′
Tierce
31⁄5′
Quinte
22⁄3′
Contre Bombarde
32′
Bombarde
16′
Quinte Bombarde
102⁄3′
Trompette
8′
Quinte Trompette
51⁄3′
Clairon
4′
Neubau durch Tamburini 1953 bis 1962
Bis in die 1950er Jahre stellten Æolian-Skinner, Willis und G. F. Steinmeyer & Co. mehrere Entwürfe für eine große Orgel vor – wie Cavaillé-Coll und Mutin jedoch ohne Erfolg.
Unter Fernando Germani erging schließlich an den Orgelbauer Tamburini der Auftrag, die beiden bestehenden Orgeln neu zu bauen und zu vergrößern. Die Arbeiten daran liefen von 1953 bis 1962.
Die beiden (neuen) Orgeln sollten wieder fahrbar sein, tatsächlich haben sie ihren Platz im Chor allerdings nie verlassen. Beide Orgeln waren nun elektrisch von einem einzigen viermanualigen Spieltisch (im Chorgestühl) aus spielbar. Auf die Manuale II (Hauptwerk), III (Recitativo) und Pedale I wurde im Wesentlichen die alte Walcker-Orgel auf der Evangelienseite (links), auf die Manuale I (Positiv), IV (Solo) und Pedale II die Vegezzi-Bossi-Orgel auf der Epistelseite (rechts) verteilt. Die Orgel erhielt zahlreiche Oktavkoppeln und Hochdruckzungen, um den akustisch äußerst ungünstigen Standort hinter den massiven Pfeilern zumindest notdürftig auszugleichen. Aus Platzgründen konnten jedoch nur akustische 32′-Register gebaut werden.
Insgesamt verfügt die Orgel über 80 Register. 2002 setzte Mascioni die Orgel instand und lieferte einen neuen dreimanualigen Funkspieltisch.[1]
In der Chorkapelle, auf der linken Seite des Hauptschiffs, gibt es zwei kleine Orgeln. Sie stehen einander gegenüber auf zwei großen Sängeremporen und sehen äußerlich identisch aus.
Morettini-Orgel (1887)
Geschichte
Die Orgel auf der linken Empore wurde 1887 von dem Orgelbauer Nicola Morettini nach einem Entwurf von Filippo Capocci erbaut. Das Instrument hat 18 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Trakturen sind mechanisch.[6]
Disposition seit 1887
I Grand’Organo C–g3
01.
Principale mostra
16′
02.
Principale
08′
03.
Viola
08′
04.
Bordone
08′
05.
Salicionale
08′
06.
Ottava
04′
07.
Pieno V
08.
Tromba
08′
II Espressivo C–g3
09.
Principale
08′
10.
Flauto
08′
11.
Voce Umana
08′
12.
Ottavino
04′
13.
Ottava
04′
14.
Pieno III
15.
Clarino
08′
16.
Trombina
04′
Pedale C–d1
17.
Subbasso
16′
18.
Basso
08′
Tamburini-Orgel (1974)
Geschichte
Die Orgel auf der rechten Seitenempore wurde 1974 von der Orgelbaufirma Tamburini erbaut. Das Instrument hat 25 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Trakturen sind elektrisch. Der Spieltisch befindet sich seit 1999 ebenerdig im Kapellenraum.[7]
Disposition seit 1974
I Grand’Organo C–c4
1.
Principale
16′
2.
Principale
8′
3.
Flauto Armonico
8′
4.
Dulciana
8′
5.
Ottava
4′
6.
Flauto a camino
4′
7.
XV
2′
8.
Ripieno I
9.
Ripieno II
10.
Tromba
8′
II Espressivo C–c4
11.
Bordone
16′
12.
Flauto Traverso
8′
13.
Viola d’Amore
8′
14.
Corno di Notte
4′
15.
Flauto Silvestre
2′
16.
Pienino III
17.
Tromba Armonica
8′
18.
Voce Celeste
8′
Tremolo
Pedale C–g1
19.
Acustico
32′
20.
Contrabbasso
16′
21.
Subbasso
16′
22.
Ottava
8′
23.
Bordone
8′
24.
Flauto Corale
4′
25.
Bombarda
16′
Kleinorgel
Daneben besteht eine kleine zweimanualige Orgel mit 11 Registern von Walcker, die Helmut Schmidt 1981 Johannes Paul II. für die Freiluftmessen auf dem Petersplatz schenkte.[1] Das Schleifladen-Instrument hat mechanische Spiel- und Registertrakturen.[8]
I. Manual C–g3
1.
Prinzipal
8′
2.
Rohrflöte
8′
3.
Oktave
4′
4.
Feldflöte
2′
5.
Mixtur IV
11⁄3′
II. Manual C–g3
6.
Holzgedackt
8′
7.
Gemshorn
4′
8.
Prinzipal
2′
9.
Scharf III
1′
Pedal C–f1
10.
Subbass
16′
11.
Posaune
8′
Koppeln: II/I, I/P, II/P
Digitale Sakralorgel
Aufgrund der schwierigen akustischen Gegebenheiten des Petersdomes ist die gleichmäßige Beschallung aller Bereiche der Basilika durch die Pfeifenorgeln bisher unzulänglich. Daher beschloss der Vatikan, eine digitale Sakralorgel zu installieren, deren Töne zusätzlich über die in der Kirche vorhandene elektroakustische Anlage abgestrahlt wurden. Das speziell für den Vatikan modifizierte dreimanualige Instrument, ein Geschenk des Herstellers Allen Organ Company, wurde Weihnachten 2017 in Betrieb genommen. Es stand auf einem fahrbaren Podest und konnte so auf den Petersplatz oder an andere Orte im Vatikan verlegt werden.[9][10] Die Installation einer elektronischen Orgel hatte unter Kirchenmusikern für Bestürzung gesorgt.[11] Das Gerät wurde 2019 ersatzlos entfernt.[12]
Aart de Kort: Orgels in Rome. In: Orgels in Rome. De Orgelvriend. Band43, 7/8 und 9, 2001, S.34–39 sowie S. 24–27.
Robert Moynihan: Zur Ehre Gottes und Freude der Menschen. In: Vatican Magazin. Nr.12, Dezember 2010, S.22–26 (leonardy.org [PDF; 1,1MB]).
Jean-Michel Sanchez: Saint-Pierre de Rome, Aristide Cavaillé-Coll et Alphonse Simil. Un projet d’orgue monumental non réalisé (1875). In: L’Orgue. Nr.286, 2009, S.63–71.
Gilberto Sessantini: Il sogno di Aristide. In: Arte Organaria e Organistica. Band6, Nr.28, 1999, S.26–33.
Neue Orgel für die Peterskirche in Rom. In: Neue Musikalische Presse. Band4, Nr.36, 1895, S.8 (Vgl. ebenso Band 5, 1896, Nr. 5, S. 13.).
↑ abcdefghiFrançois Comment: Les orgues de la Basilique Saint-Pierre de Rome. In: La Tribune de l’Orgue. Band57, Nr.2, 2005, S.24–27.
↑Vgl. auchGiovanni Battistelli u. a. (Hrsg.): Organi e Cantorie nelle Chiese di Roma. Istituto poligrafico e Zecca dello Stato, Rom 1994, S.50–53.
↑Stendhal: Promenades Dans Rome. Bibliobazaar, 2008, ISBN 978-0-559-40874-8, S.146.
↑Vgl. hierzu Cécile und Emmanuel Cavaillé-Coll: Aristide Cavaillé-Coll. Ses origines, sa vie, ses œuvres. Fischbacher, Paris 1982, S.133–136 (Erstausgabe: 1929).
↑Robert Moynihan: Zur Ehre Gottes und Freude der Menschen. In: Vatican Magazin. Nr.12, Dezember 2010, S.26 (leonardy.org [PDF; 1,1MB]).
↑Graziano Fronzuto: Organi di Roma. Guida pratica orientativa agli organi storici e moderni. Leo S. Olschki Editore, Florenz 2007, ISBN 978-88-222-5674-4, S. 75.
↑Allen Organ in The Vatican! In: Internetpräsenz. Allen Organ Company, 12. Dezember 2017, archiviert vom Original am 1. August 2018; abgerufen am 2. Januar 2018 (englisch).