Ojibwe (Sprache)

Ojibwe (Anishinaabemowin, ᐊᓂᔑᓈᐯᒧᐎᓐ )

Gesprochen in

Kanada, USA
Sprecher63.868 in Kanada; 14.710 in den USA
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in-
Sprachcodes
ISO 639-1

oj

ISO 639-2

oji

ISO 639-3

oji (Makrosprache)

Die Sprache der Ojibwe oder Anishinaabe (ᐊᓂᔑᓈᐯᒧᐎᓐAnishinaabemowin) gehört der Algonkin-Sprachfamilie an und wird von knapp 80.000 Menschen in mehreren Regionalvarianten in großen Teilen Kanadas sowie im Norden der USA gesprochen.

Verbreitung

Traditionelles Sprachgebiet der Ojibwe

Ojibwe wird in Kanada im südwestlichen Québec, in Ontario, im südlichen Manitoba und Teilen des südlichen Saskatchewan, in den USA im nördlichen Michigan, im nördlichen Wisconsin und nördlichen Minnesota, in kleineren Gruppen auch im nördlichen North Dakota und im nördlichen Montana gesprochen.

Nach Angaben der kanadische Statistikbehörde nahm die Zahl der Sprecher von Oji-Cree von 1996 bis 2001 von 5.480 auf 5.610 Personen, also um 2,4 % zu, während diejenige der als Ojibway zusammengefassten Varianten um 6 % (und die der Cree um 3,1 %) abnahm.[1]

Nach Census-Daten aus den USA von 2000[2][3] und Kanada von 2006[4] kommt man auf 56.531 Sprecher aller Varianten, davon 8.791 in den USA (davon wiederum 7.355 Native Americans) und 47.740 in Kanada.

RegionalvarianteKanadaUSAInsgesamtEthnische Bevölkerung (laut Ethnologue)
Algonkin2.68002.6808.266
Oji-Cree12.600012.60012.600
Ojibwe24.8968.35533.251219,711
Ottawa7.5644368.00060.000
Alle Gruppen47.7408.79156.531300.577

Regionalvarianten (Dialekte)

Ojibwe ist ein Dialektkontinuum, zu dem die Varianten West-Ojibwe (Saulteaux), Südwest-Ojibwe (Chippewa), Nordwest-Ojibwe, Severn-Ojibwe (Oji-Cree), Ottawa (Odawa), Ost-Ojibwe und Algonkin (im engeren Sinne) gehören.

ISO 639-3DialektSprachgebietEigennameReflex
von *r/*l
Reflex
von *k
Wort für „Mensch“, „Indianer“
← *elenyiwa
Wort für „du“
← *kīla
Sprecherzahl[5]
(crk)Plains-Cree (zum Vergleich)Saskatchewan, Alberta, British Columbia, Nordwest-TerritorienNēhiyawēwin
ᓀᐦᐃᔭᐍᐏᐣ
y​/⁠j⁠/​k​/⁠k⁠/​iyiniw/iyiniwakkīya(29.900)
ojsOji-Cree (Severn-Ojibwe)Ontario, ManitobaAnishininiimowin
ᐊᓂᐦᔑᓂᓃᒧᐏᐣ
n​/⁠n⁠/​k​/⁠k⁠/​inini/ininiwakkīn11.800
ojbNordwest-OjibweOntario, Manitoba6.000
ojwWest-Ojibwe (Saulteaux)Manitoba, Saskatchewan, Alberta, British ColumbiaNakawēmowin
ᓇᐦᑲᐌᒧᐎᓐ
6.558
ojcZentral-OjibweOntario750
otwOdawaOntario, Michigan, OklahomaNishnaabemwin, Daawaamwinn​/⁠n⁠/​g​/⁠g⁠/​nini/ninwag
(nini/ninwak)
gii
(kī)
5.759
ojgOst-OjibweOntarioNishnaabemwin, Jibwemwin1.200
alqAlgonkin (Algonquin)Québec, OntarioAnicinàbemowin, Anishinàbemiwinn​/⁠n⁠/​k​/⁠k⁠/​irini/irinìk
inini/ininìk
(inini/ininīk)
kìn
(kīn)
2.100
ciwSüdwest-Ojibwe (Chippewa)Michigan, Wisconsin, Minnesota, North Dakota, South Dakota, MontanaAnishinaabemowin, Ojibwemowinn​/⁠n⁠/​g​/⁠g⁠/​inini/ininiwag
(inini/ininiwak)
giin
(kīn)
8.000
potPotawatomiOntario, Wisconsin, Michigan, Indiana, Kansas, OklahomaNeshnabémwenn​/⁠n⁠/​k​/⁠k⁠/​neni/nenwek
(nəni/nənwək)
ki50

Phonologie

Konsonanten

Kennzeichnend für viele Ojibwa-Dialekte ist das Auftreten der stimmhaften Konsonanten b, d, g, j (dž), z, zh (ž), wo bei anderen Algonkin-Sprachen die stimmlosen p, t, k, ch (č), s, sh (š) stehen. In den verschiedenen Ojibwe-Dialekten zusammengenommen können folgende Konsonanten vorkommen:

LabialAlveolarPostalveolar
und Palatal
VelarGlottal
Plosiv und Affrikatep[pʰ]b[p~b]t[tʰ]d[t~d]ch[tʃʰ]j[tʃ~dʒ]k[kʰ]g[k~ɡ]​[⁠ʔ⁠]​
Frikativs[sʰ]z[s~z]sh[ʃʰ]zh[ʃ~ʒ](h​[⁠h⁠]​)
Nasalm​[⁠m⁠]​n​[⁠n⁠]​
Approximanty​[⁠j⁠]​w​[⁠w⁠]​

Vokale

Alle Ojibwe-Dialekte weisen sieben Vokale auf, zu denen noch nasalierte Entsprechungen hinzukommen.

Von den sieben einfachen Vokalen sind drei kurz und vier lang:

Einfache Vokale
VorderZentralHinter
Geschlossen~
Fast geschlossenɪo~ʊ
Mitteə
Offen

Es gibt vier lange Nasalvokale:

Nasalvokale
VorderZentralHinter
Geschlossenĩːõː~ũː
Mitteẽː
Offenãː

Die langen Nasalvokale werden iinh[ĩː], enh[ẽː], aanh[ãː] und oonh[õː] geschrieben. Die Buchstabenkombination nh drückt hierbei aus, dass der vorherige Vokal nasaliert ist. Am häufigsten treten diese Nasalvokale am Ende von Nomen mit Diminutivendung auf. Wortbeispiele vom Südwest-Ojibwe sind: -iijikiwenh- „Bruder“, -noshenh- „Schwester des Vaters“, -oozhishenh- „Enkel“, bineshiinh „Vogel“, asabikeshiinh „Spinne“ awesiinh „wildes Tier“.

Schrift

In den USA, aber auch den meisten Gegenden Kanadas wird Ojibwe heutzutage in der Regel mit lateinischen Buchstaben geschrieben, wobei meist das System von Charles Fiero bevorzugt wird, in dem lange Vokale durch Verdoppelung des Buchstabens ausgedrückt werden. Im nördlichen Ontario und in Manitoba ist nach wie vor die Cree-Schrift üblich, eine Silbenschrift, die vom Methodisten-Missionar James Evans zwischen 1840 und 1846 in Zusammenarbeit mit Indigenen der Cree und Ojibwe in Norway House an der Hudson Bay entwickelt wurde.

Ojibwa-Literatur

Wie bei vielen indigenen Sprachen Nordamerikas bilden Übersetzungen von Teilen der Bibel einen Großteil des Textcorpus der Ojibwe-Sprache. Das Neue Testament ist dreimal übersetzt worden, und zwar einmal 1833 durch Edwin James, ein zweites Mal 1844 durch Henry Blatchford (Neuauflagen 1856 und 1875) und schließlich 1854 durch Frederick O’Meara (Neuauflage 1874). O’Meara übersetzte außerdem die Psalmen (1856) und die Tora (1861), während Robert McDonald 1874 die zwölf kleinen Propheten übersetzte. Eine Übersetzung der Hälfte des Alten Testaments samt einer Revision des Neuen Testaments durch Jim Keesic in Zusammenarbeit mit Bob Bryce und Henry Hostetler wurde im August 2008 durch die Kanadische Bibelgesellschaft veröffentlicht.

Im Odawa-Dialekt gibt es eine Übersetzung der Evangelien von Matthäus und Johannes durch Jonathan Meeker von 1841 bis 1844 sowie eine Übersetzung der Genesis durch P. Jones von 1835.

Originäre Ojibwe-Literatur gibt es wenig. Der 1970 geborene, in Minnesota lebende US-amerikanische Schriftsteller David Treuer, von dem vier englischsprachige Romane herausgekommen sind, plant die Zusammenstellung einer ersten „praktischen“ Grammatik in dieser Sprache, seiner Muttersprache. Darüber hinaus macht er Tonaufnahmen von Geschichten auf Ojibwe bei Sprechern in seiner Heimatregion, wo die Sprache meist nur noch von Älteren gesprochen wird.[6]

Beispieltext: Zwei Frauen, die fischen gingen

Ojibwe teilt seinen Sprachbau und die komplexen grammatischen Strukturen mit den anderen Algonkin-Sprachen (siehe dort: Grammatik).

Ein Beispieltext aus dem kulturellen Zusammenhang der Ojibwe kann einen Eindruck davon vermitteln. Dieser Text von der Bemidji State UniversityNiizh Ikwewag (Zwei Frauen) – ist im Südwestlichen Ojibwe-Dialekt aufgezeichnet und stammt aus Minnesota (USA).[7]

Wortlaut auf Ojibwe

  1. Aabiding gii-ayaawag niizh ikwewag: mindimooyenh, odaanisan bezhig.
  2. Iwidi Chi-achaabaaning akeyaa gii-onjibaawag.
  3. Inashke naa mewinzha gii-aawan, mii eta go imaa sa wiigiwaaming gaa-taawaad igo.
  4. Mii dash iwapii, aabiding igo gii-awi-bagida'waawaad, giigoonyan wii-amwaawaad.

Deutsche Übersetzung

  1. Es waren einmal zwei Frauen: eine alte Dame und eine ihrer Töchter.
  2. Sie waren von dort drüben bei Inger.
  3. Siehe nun, es war vor langer Zeit; sie lebten einfach dort in einem Haus.
  4. Und zu jener Zeit gingen sie einmal fischen, denn sie wollten Fisch essen.

Interlinear

Aabidinggii-ayaawagniizhikwewag:mindimooyenh,odaanisanbezhig.
aabidinggii-ayaa-wagniizhikwe-wagmindimooyenh,o-daanis-anbezhig.
einmalPRAET-an einem bestimmten Ort sein-3PLzweiFrau-3PLalte Frau,3SG.POSS-Tochter-OBVein(e).
Einmal(sie) waren an einem bestimmten OrtzweiFrauen:alte Frau,ihre Tochtereine.
IwidiChi-achaabaaningakeyaagii-onjibaawag.
iwidichi-achaabaan-ingakeyaagii-onjibaa-wag.
dort drübengroß-Bogensehne-LOCdort langPRAET-kommen von-3PL.
Dort drübenbei der Großen Bogensehne [Fluss]
(heute: Inger, Minnesota)
dort langkamen (sie) von dort.
Inashkenaamewinzhagii-aawan,mii eta goimaasawiigiwaaminggaa-taawaadigo.
inashkenaamewinzhagii-aawanmiietagoimaasawiigiwaam-inggaa-daa-waadigo.
siehenunvor langer ZeitPRAET-seinsonurEMPHdortEMPHHaus-LOCPRAET.CONJ-leben-3PL.CONJEMPH.
Siehenunvor langer Zeit(es) war,nurdortsoin einem Hausdass (sie) lebtengenau damals.
Mii dashiwapii,aabidingigogii-awi-bagida'waawaad,giigoonyanwii-amwaawaad.
miidashiw--apiiaabidingigogii-awi-bagida'waa-waad,giigoonh-yanwii-amw-aawaad.
SoCONTRdas-- zu der ZeiteinmalEMPHPRAET-gehen, um zu -fischen mit einem Netz-3PL.CONJFisch-OBVDESD-essen-3PL/OBV.CONJ
Und zu jener Zeitdamals,einmalgenau damalsdass sie gingen und mit einem Netz fischtenjene Fischeum jene zu essen.

Abkürzungen:

3Dritte Person (er/sie/es …)
SGSingular (Einzahl)
PLPlural (Mehrzahl)
POSSPossessivpräfix (mein[e], dein[e], sein[e], ihr[e] usw.)
OBVObviativ: Markierung einer Person/Sache nach Bezogenheit zum Thema
LOCLokativ: in, auf, an
EMPHEmphatisch
PRAETPräteritum (Vergangenheit)
CONJKonjunktor (Verbform mit Nebensatzfunktion)
CONTRKontrastiv (vergleichend)
DESDDesiderativ (Absicht)

Vokabular

  • ikwe = Frau
  • inini = Mann
  • ikwezens = Mädchen
  • gwiiwizens = Junge
  • mitig = Baum
  • miskwi = Blut
  • doodooshaaboo = Milch
  • doodoosh = Brust
  • giigoonh = Fisch
  • miskwimin = Himbeere
  • gookookoo'oo = Eule
  • bemaadizid = Person
  • makizin = Schuh
  • wiigiwaam = Haus
  • manoomin = Wildreis
  • onjibaa = er/sie kommt
  • izhaa = er/sie geht
  • wiisini = er/sie isst
  • minikwe = er/sie trinkt

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Statistics Canada: Aboriginal peoples of Canada, 2001 (archive) (Memento desOriginals vom 17. Mai 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www12.statcan.ca.
  2. U.S. Census Bureau: Characteristics of American Indians and Alaska Natives by Tribe and Language: 2000.
  3. Usefoundation: Ojibwa, Number of Speakers: 8,355 (Memento desOriginals vom 29. November 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.usefoundation.org
  4. Statistics Canada: Various languages spoken, 2006 (archive) (Memento desOriginals vom 2. Februar 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www12.statcan.ca
  5. Summe: 42.217 Muttersprachler; Quelle: UNESCO Atlas of the World’s Languages in Danger (3rd ed. 2010) aufgrund der Census-Daten 2006 (Kanada) bzw. 2000 (USA)
  6. David Treuer: A language too beautiful to lose. Los Angeles Times, 3. Februar 2008.
  7. Niizh Ikwewag (Two Women). Told by Earl Nyholm. Bemidji State University, Brian Donovan's webpage., 1. Februar 2012, archiviert vom Original am 12. Dezember 2013; abgerufen am 14. Februar 2017.

Weblinks

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