Aktiengesellschaft

Eine Aktiengesellschaft (Abkürzung der deutschen, österreichischen, liechtensteinischen, schweizerischen und belgischen Rechtsform: AG, in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz SA, für Société Anonyme; Abkürzungen weiterer Länder siehe unten) ist eine privatrechtliche Vereinigung und wird durch das Aktienrecht geregelt. Dabei handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, deren Grundkapital in Aktien zerlegt ist.

Definition

Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaftsform, die in der Regel den Betrieb eines Unternehmens zum Gegenstand hat. Sie gilt als typische Unternehmensform von Wirtschaftsunternehmen mit großem Kapitalbedarf. Bei der Aktiengesellschaft stellt sich die kapitalgesellschaftliche Konzeption, die auf Vermögensvereinigung und Vermögensmehrung gerichtete Zielsetzung, am deutlichsten dar. Die Aktiengesellschaft zeichnet sich insbesondere durch folgende Eigenschaften aus:

  • Sie ist eine juristische Person bzw. eine Körperschaft, also eine auf Mitgliedschaft beruhende, aber als Vereinigung selbständig rechtsfähige rechtliche Einheit, die selbst als Träger von Rechten und Pflichten auftritt und vor Gericht klagen und verklagt werden kann.
  • Sie ist eine Kapitalgesellschaft, also auf ein bestimmtes Grundkapital in der Weise gestützt, dass die Haftung der Mitglieder, also der Aktionäre, auf dieses Kapital beschränkt ist.
  • Das Grundkapital ist in Aktien zerlegt. Diese sind heute selten in Aktienurkunden verbrieft. Börsennotierte AGs in Deutschland beispielsweise verbriefen ihre Aktien oft nur in einer Globalurkunde, die bei Clearstream hinterlegt wird.
  • Im Regelfall sind die Aktien übertragbar (fungibel). Es gehört allerdings nicht zu den notwendigen Wesensmerkmalen einer Aktiengesellschaft, dass die Aktien an einer Börse gehandelt werden.

Die Aktiengesellschaft vereint in der Regel eine große Anzahl von (vielfach passiven) Aktionären, die ihr Kapital in die Unternehmung investiert haben, um aus den von der Gesellschaft erwirtschafteten Erträgen Dividenden zu erhalten. Die Aktionäre nehmen ihre mitgliedschaftlichen Rechte in der Regel in Aktionärsversammlungen durch Ausübung ihres Stimmrechts wahr. Die Geschäfte der Gesellschaft werden aber von besonderen Organen geführt.

  • Aktiengesellschaften können sich durch Ausgabe neuer Aktien oder durch die Begebung von Anleihen leichter neues Kapital beschaffen, als dies bei vielen anderen Unternehmensformen der Fall ist, vor allem dann, wenn die Gesellschaft an der Börse gehandelt wird. Deshalb ist die Aktiengesellschaft die Unternehmensform der Wahl für Großunternehmen, aber auch für Unternehmen, die schnell wachsen, etwa in neuen Wirtschaftszweigen.
  • Der Bestand des Unternehmens wird von seinen Eigentümern unabhängig, anders als etwa bei einer von ihrem Inhaber abhängigen Einzelunternehmen oder OHG. Damit wird die Existenz dauerhafter.
  • Vor allem bei börsennotierten Unternehmen oder bei Mitarbeiterbeteiligungen besteht die Möglichkeit, dass sich auch Kleinanleger beteiligen und somit am Unternehmenserfolg teilhaben. Bei Misserfolg des Unternehmens besteht das Risiko des Totalverlustes des eingesetzten Kapitals, jedoch in der Regel keine darüber hinausgehende Nachschusspflicht.

Die Schweizer Aktiengesellschaft

Die gesetzlichen Grundlagen über die Aktiengesellschaft werden im Schweizer Obligationenrecht in den Artikeln 620 bis 771 behandelt.

Zur Gründung einer AG benötigt man ein Aktienkapital von mindestens CHF 100'000 (Obligationenrecht Art 621), wobei mindestens 20 % bzw. in jedem Fall mindestens CHF 50'000 in Form von Bargeld oder Sacheinlagen (qualifizierte Gründung) unmittelbar vorhanden sein müssen (Obligationenrecht Art 632). Der fehlende Teil des Aktienkapitals muss als nicht einbezahltes Aktienkapital bilanziert werden, wobei dies nur bei Namenaktien möglich ist.

Der Name der Gesellschaft (wird als Firma bezeichnet) muss schweizweit einmalig sein (Obligationenrecht Art 951). In der Firma muss die Rechtsform (AG) angegeben sein (Obligationenrecht Art 950).

Geschichte

Erste Vorläufer des Prinzips der Anteilsteilung sind bereits zu Zeiten des Römischen Reiches zu finden, wo sich verschiedene Händler zusammenschlossen, um teure Handelsreisen vorzufinanzieren (Kapitalvereinigungen). Diese Finanzbündnisse bestanden damals jedoch nur bis zum Abschluss der Handelsreise und gingen nicht über diese hinaus.

Im 14. und 15. Jahrhundert schlossen sich in Preußen ebenso wie in der heutigen Steiermark Erzabbau- und Erzverarbeitungsunternehmer zusammen, um die kostspieligen Untertageunternehmen gemeinsam langfristig zu finanzieren. So wurden 1415 in Leoben und bald im ganzen deutschen Sprachraum Genossenschaften (Gewerkschaften) gegründet, die sich durch Anteile, sogenannte Kuxe, finanzierten. Diese Kuxe wurden zunächst nur von Industriepartnern, später jedoch auch an industriefremde Kaufleute, Adel und Klöster ausgegeben und gehandelt und stiegen und fielen in ihrem Wert.

Im Jahr 1407 wurde in Genua die St. Georgsbank (Banco di San Giorgio) gegründet, die oft auch als erste „wirkliche“ Aktiengesellschaft bezeichnet wird.[1]

Die erste als moderne Aktiengesellschaft organisierte Unternehmung war die 1602 gegründete Niederländische Ostindien-Kompanie (Vereenigde Oostindische Compagnie; abgekürzt: V.O.C. bzw. VOC) oder Kompanie (Compagnie).[2]

Deutschland

Unternehmensformen der vorindustriellen Zeit sind oft nach Art der Herstellung oder Arbeitsweise zu charakterisieren – allgemein werden Handwerk, Verlag und Manufaktur unterschieden.[3] Mit Einsetzen der Industrialisierung wurde der Kapitalbedarf auch im deutschen Sprachraum größer.[4] Als Geldquelle für große Investitionen kamen daher die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaft auf.[5]

Die Gründung von Aktiengesellschaften wurde seit 1807 nach dem im Rheinland geltenden code de commerce geregelt. 1815 übernahm man die Bestimmungen für die société anonyme aus dem französischen Recht in das Rheinische Handelsgesetzbuch. Um die Erlaubnis zur Gründung einer Aktiengesellschaft zu erlangen, bedurfte es des Nachweises der Gemeinnützigkeit, wie im Königreich Preußen.[6][7]

Dadurch waren in den 20er und 30er Jahren des 19. Jahrhunderts Aktiengesellschaften vornehmlich nur beim Straßenbau, in der Schifffahrts- und in der Versicherungsbranche zu finden.[6] In Preußen entstanden zwischen 1801 und 1831 nur fünfzehn Aktiengesellschaften (ohne Eisenbahnen und Chausseen).[8] Vor 1843 waren in der Rheinprovinz lediglich 41 Aktiengesellschaften (ohne Eisenbahnen und Chausseen) beantragt worden.[6]

Am 1. Januar 2016 waren 15.453 Aktiengesellschaften in deutschen Handelsregistern registriert.[9]

Die Aktiengesellschaft in verschiedenen Ländern

In allen deutschsprachigen Ländern gibt es die Rechtsform der Aktiengesellschaft (siehe Aktiengesellschaft (Deutschland), Aktiengesellschaft (Österreich), Aktiengesellschaft (Schweiz), Aktiengesellschaft (Belgien)). Es gibt zudem Mischformen, beispielsweise die Kommanditaktiengesellschaft (Schweiz) bzw. die Kommanditgesellschaft auf Aktien (Deutschland). Im Zuge weitergehender Harmonisierungsbestrebungen wurde auf europarechtlicher Grundlage mit der Europäischen Aktiengesellschaft (lat. societas europaea, SE) eine vergleichbare Gesellschaftsform geschaffen.

Zu den Details der Aktiengesellschaften in den verschiedenen Ländern siehe die folgenden länderspezifischen Artikel:

BezeichnungAbkürzung[10]LandBemerkungen
Akcinė bendrovėABLitauen
Uždaroji akcinė bendrovėUABLitauen„geschlossene Aktiengesellschaft“, entspricht der GmbH
Anonimi etairia (Ανώνυμη Εταιρεία)Α.Ε./ΑΕ (ΑΕ)Griechenland
AktiebolagABSchweden
Akcionerno družestwo (Акционерно дружество)AD/EAD (АД)Bulgarien
Akcionersko društvo (Акционерско друштво)AD (АД)Nordmazedonien
Akcionarsko društvo (Акционарско друштво)A.D. (А.Д.)Serbien
Akcionarsko društvo (Акционарско друштво)A.D. (А.Д.)Montenegro
AktiengesellschaftAGÖsterreich
AktiengesellschaftAGDeutschland
AktiengesellschaftAGLiechtenstein
Aktiengesellschaft, Société Anonyme, Società AnonimaAG, SASchweiz
Aktiengesellschaft, Naamloze vennootschap, Société anonymeAG, N.V., SABelgien
AktsiaseltsASEstland
Akciju SabiedribaASLettland
Bahrain Shareholding CompanyB.S.C.BahrainUnterscheidung in: öffentliche (Public) bzw. geschlossene (Closed) Aktiengesellschaft
Delniška DružbaD.D.Slowenien
Aktiengesellschaft mit beschränkter Haftung股份公司Volksrepublik China
Gǔfèn Yǒuxiàn Gōngsī (股份有限公司)Taiwan
Dioničko društvod.d.Kroatien
Dioničko društvod.d.Bosnien-Herzegowina
AksjeselskapA/S oder ASNorwegen
AllmennaksjeselskapASANorwegen
AktieselskabA/S (⅍)Dänemark
Anonim ŞirketA.Ş.Türkei
Akciová společnosta. s.Tschechien
Akciová spoločnosťa. s.Slowakei
Widkryte Akzionerne Towarystwo (Відкрите акціонерне товариство)BAT (ВАТ)Ukraine
Akzionerne Towarystwo (Акціонерне Товариство)AT (АТ)Ukraine
BerhadBhd.Malaysiaauch: Sendirian Berhad, die der britischen Private Limited entspricht
Kabushiki kaisha (株式会社)K.K. (㏍)JapanDie häufigste Unternehmensform in Japan; oft ins Englische als Corporation (Corp.), Company, Limited (Co., Ltd.) oder Company, Incorporated (Co., Inc.) übersetzt
Limited Company/LimitéeLtd./LtéeKanada
CorporationCorp.Kanada
Incorporated Company/IncorporéeInc.Kanada
Société par actions de régime fédéralS.A.R.FKanada
Limited CompanyLTDAustralien
Public Limited CompanyplcVereinigtes KönigreichPLC = public limited company Öffentliche Aktiengesellschaft, deren Anteile z. B. an der Börse gehandelt werden dürfen
CorporationCorp., Inc.Vereinigte Staaten
Limited CompanyLTDNeuseeland
Limited Company/TeorantaLtd./Teo.Irland
Limited CompanyLTDIndien
Limited CompanyLTDPakistan
Naamloze VennootschapN.V.Niederlande
Osakeyhtiö, Aktiebolag
Julkinen osakeyhtiö, Publikt aktiebolag
Oy, Ab
Oyj, Abp
Finnland
Private Joint Stock CompanyPJSVereinigte Arabische Emirate
Public Joint Stock CompanyPJSCVereinigte Arabische Emirate
Publitschnoje Akzionernoje Obschtschestwo
(Публичное акционерное общество)
PAO (ПАО)RusslandÖffentliche Aktiengesellschaft, früher Otkrytoje Akzionernoje Obschtschestwo, OAO
(Открытое акционерное общество, ОАО)
Nepublitschnoje Akzionernoje Obschtschestwo
(Непубличное акционерное общество)
AO (АО)RusslandNichtöffentliche Aktiengesellschaft, früher Sakrytoje Akzionernoje Obschtschestwo, SAO oder engl. ZAO
(Закрытое акционерное общество, ЗАО)
Perseroan TerbatasPT.Indonesien
Nyilvánosan működő részvénytársaságNyrt.UngarnÖffentliche Aktiengesellschaft, deren Anteile z. B. an der Börse gehandelt werden dürfen
Zártkörűen működő részvénytársaságZrt.UngarnPrivate („geschlossene“) Aktiengesellschaft, entspricht der Kleinen Aktiengesellschaft
Shoqëria aksionareSh.A.Albanien
Sociedad AnónimaS.A.Argentinien
Sociedad AnónimaS.A.Spanien
Sociedade AnônimaS.A.Brasilien
Sociedad AnónimaS.A.Chile
Sociedad AnónimaS.A.Peru
Sociedad AnónimaS.A.Kolumbien
Sociedad Anónima de Capital VariableS.A. de C.V.Mexiko
Sociedade AnónimaS.A.Portugal
Société AnonymeS.A./SAFrankreich
Société AnonymeS.A./SALuxemburg
Société par actions simplifiéeS.A.S./SASFrankreichvereinfachte Aktiengesellschaft
Società per azioniS.p.A.Italien
Societate pe AcțiuniS.A.Rumänien
Spółka AkcyjnaS.A.Polen
Societas EuropaeaSEEU/EWR
Sherkat-e Sahamiye KhassS.S.K.I.R. Iran
Shareholding Company (Tổng Công ty Cổ phần)SCVietnam
Jusik Hoesa (주식회사 bzw. 株式會社)Co. Ltd./Corp./Ltd.Südkoreavergleichbar mit dem Gesellschaftsrecht der Vereinigten Staaten
Hlutafélaghf., h/f, h.f.Island
Private CompanyIsrael1–50 Aktionäre, Firmenzusatz Limited bzw. Ltd. bei Haftungsbeschränkung
Public CompanyIsraelmindestens 7 Aktionäre, Firmenzusatz Limited bzw. Ltd. bei Haftungsbeschränkung

Literatur

  • M. R. Theisen, M. Wenz: Aktiengesellschaft. 2. Auflage. Stuttgart 2005, ISBN 3-7910-2266-0.
  • Andreas Fleckner: Antike Kapitalvereinigungen. Ein Beitrag zu den konzeptionellen und historischen Grundlagen der Aktiengesellschaft. Böhlau Verlag, Köln 2010, ISBN 978-3-412-20474-7.[11]
  • R. Ek, Ph. v. Hoyenberg: Aktiengesellschaften : Gründung - Leitung. 2. Auflage. München 2006, ISBN 3-406-55188-2.

Weblinks

Wiktionary: Aktiengesellschaft – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Aktiengesellschaften – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Walther Hadding, Erik Kießling: Anfänge deutschen Aktienrechts: Das Preußische Aktiengesetz von 1843, in: Jörn Eckert (Hg.): Der praktische Nutzen der Rechtsgeschichte. C.F. Müller, Heidelberg 2001, S. 159–190, hier S. 161.
  2. Wolfgang Reinhard: Geschichte der europäischen Expansion, Band 1, Die alte Welt bis 1818. Kohlhammer, Stuttgart [u. a.] 1983, S. 114 f.
  3. Hans Pohl: Zur Entwicklung der Formen der Betriebs- und Unternehmensorganisation, insbesondere der Großorganisation im Verhältnis zum persönlich geführten Geschäft. In: Wirtschaft, Unternehmen, Kreditwesen, soziale Probleme – Ausgewählte Aufsätze Teil 1 – VSWG-Beihefte 178,1. Franz Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08583-1, S. 537.
  4. Hans Pohl: Zur Entwicklung der Formen der Betriebs- und Unternehmensorganisation, insbesondere der Großorganisation im Verhältnis zum persönlich geführten Geschäft. In: Wirtschaft, Unternehmen, Kreditwesen, soziale Probleme – Ausgewählte Aufsätze Teil 1 – VSWG-Beihefte 178,1. Franz Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08583-1, S. 547.
  5. Hans Pohl: Zur Entwicklung der Formen der Betriebs- und Unternehmensorganisation, insbesondere der Großorganisation im Verhältnis zum persönlich geführten Geschäft. In: Wirtschaft, Unternehmen, Kreditwesen, soziale Probleme – Ausgewählte Aufsätze Teil 1 – VSWG-Beihefte 178,1. Franz Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08583-1, S. 559.
  6. a b c Hans Pohl: Zur Entwicklung der Formen der Betriebs- und Unternehmensorganisation, insbesondere der Großorganisation im Verhältnis zum persönlich geführten Geschäft. In: Wirtschaft, Unternehmen, Kreditwesen, soziale Probleme – Ausgewählte Aufsätze Teil 1 – VSWG-Beihefte 178,1. Franz Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08583-1, S. 561.
  7. Rüdiger von Rosen: Die Entwicklung der Aktie – Spiegel des Jahrhunderts. (Nicht mehr online verfügbar.) Ehemals im Original; abgerufen am 11. März 2013.@1@2Vorlage:Toter Link/www.dai.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven.)
  8. Horst Thieme: Statistische Materialien zur Konzessionierung von Aktiengesellschaften in Preussen bis 1867. (PDF; 1,5 MB) Abgerufen am 11. März 2013 (Universität Köln, S. 286 f. siehe Tabellen).
  9. Udo Kornblum: Bundesweite Rechtstatsachen zum Unternehmens- und Gesellschaftsrecht. GmbHR 2016, 691, 692 (Stand 1. Januar 2016).
  10. in Klammern gegebene, gleich aussehende Abkürzungen sind die kyrillischen oder griechischen Schriftzeichen.
  11. Quellenkritik statt Quellenklau. In: FAZ. 21. Februar 2011, S. 24.