Objektpermanenz

Die Objektpermanenz oder auch Personenpermanenz ist die kognitive Fähigkeit, zu wissen, dass ein Objekt oder eine Person auch dann weiterhin existiert, wenn es oder sie sich außerhalb des Wahrnehmungsfeldes befindet. Der Begriff geht auf den Schweizer Entwicklungspsychologen und Epistemologen Jean Piaget zurück.

Entwicklung der Objektpermanenz beim Menschen

Stadien nach Piaget

Nach Piaget ist das Wissen um den Weiterbestand von Objekten, die aus dem Sichtfeld verschwinden, nicht angeboren, sondern muss im Laufe der kognitiven Entwicklung des heranwachsenden Kindes erst erworben werden.

Im Modell der kognitiven Entwicklung nach Piaget wird die Objektpermanenz im ersten Stadium, dem Sensomotorischen Stadium (0–2 Jahre) erworben. Ein Objekt, das in den frühen Stadien der Entwicklung durch einen Sichtschutz vor den Augen des Kindes verdeckt wird, scheint für das Kind förmlich zu verschwinden. Die Objektpermanenz entwickelt sich nach Piaget beim Menschen erst ab dem Alter von acht Monaten. Im Zeitraum von acht bis zwölf Monaten wird das Konzept dann ausgebildet, führt aber in der Übergangsphase noch zum A-nicht-B-Suchfehler, der ebenfalls von Piaget beschrieben wurde.

Aktuelle Ergebnisse

Nach Piaget entsteht die Fähigkeit der Objektpermanenz erst über einen längeren Entwicklungsprozess. In neueren Untersuchungen wiesen Kinder früher kognitive Kompetenzen auf als nach den Befunden von Piaget. Dies ist besonders auf methodische Mängel in Piagets Versuchen zurückzuführen. Seine Aufgabenstellungen forderten häufig zusätzliche motorische, sprachliche und kognitive Fähigkeiten, die wenig mit der zu untersuchenden Kompetenz zu tun hatten. Die Objektpermanenz konnte in vereinfachten Aufgaben schon deutlich früher (mit 3,5 Monaten)[1] festgestellt werden.[2]

Objektpermanenz bei Tieren

Objektpermanenz kommt auch bei manchen Tieren wie (nichtmenschlichen) Primaten,[3] Katzen,[4] Hunden,[5] Elstern[6] und Aaskrähen[7] vor.

Hunde machen bei Tests zur Objektpermanenz einen typischen Fehler, den auch 10 Monate alte Kinder machen, den A-nicht-B-Suchfehler (A-not-B error): Wird hintereinander Futter an zwei verschiedenen Orten A und B versteckt, suchen sie es an dem Platz A, wo es zuerst versteckt wurde. Das tun sie selbst dann, wenn sie beobachtet haben, dass das Futter am anderen Ort B versteckt wurde.[8] Handaufgezogene Wölfe und Affen machen diesen Fehler nicht. Er wird auf die besonderen Fähigkeiten zur Kommunikation mit Menschen zurückgeführt, die Hunde mit Menschen teilen, und die möglicherweise ein Ergebnis der Domestizierung sind.[9]

Literatur

  • Robert Siegler/Judy DeLoache/Nancy Eisenberg: Entwicklungspsychologie im Kindes- und Jugendalter, München 2005, S. 187 f.
  • Beate Sodian: Entwicklung des Denkens, in: Rolf Oerter/Leo Montada (Hrsg.): Entwicklungspsychologie. Ein Lehrbuch, Weinheim 2008, S. 436–479, hier: S. 438 f.

Einzelnachweise

  1. R. Oerter & L. Montada: Entwicklungspsychologie. Beltz, Weinheim 2002, S. 174.
  2. Marcus Hasselhorn, Wolfgang Schneider (Hrsg.): Handbuch der Entwicklungspsychologie. (Reihe: Handbuch der Psychologie, Bd. 7). Hogrefe, Göttingen 2007, S. 20.
  3. J. GOMEZ: Species comparative studies and cognitive development. In: Trends in Cognitive Sciences. 9, 2005, S. 118–125, doi:10.1016/j.tics.2005.01.004.
  4. Estrella Triana, Robert Pasnak: Object permanence in cats and dogs. In: Animal Learning & Behavior. 9, 1981, S. 135–139, doi:10.3758/BF03212035.
  5. H. C. Miller, C. D. Gipson, A. Vaughan, R. Rayburn-Reeves, T. R. Zentall: Object permanence in dogs: Invisible displacement in a rotation task. In: Psychonomic Bulletin & Review. 16, 2009, S. 150–155, doi:10.3758/PBR.16.1.150.
  6. Bettina Pollok, Helmut Prior, Onur Guentuerkuen: Development of object permanence in food-storing magpies (Pica pica). In: Journal of Comparative Psychology. 114, 2000, S. 148–157, doi:10.1037/0735-7036.114.2.148.
  7. Almut Hoffmann, Vanessa Ruettler, Andreas Nieder: Ontogeny of object permanence and object tracking in the carrion crow, Corvus corone. In: Animal Behaviour. 82, 2011, S. 359–367, doi:10.1016/j.anbehav.2011.05.012.
  8. J. Topal, G. Gergely, A. Erdohegyi, G. Csibra, A. Miklosi: Differential Sensitivity to Human Communication in Dogs, Wolves, and Human Infants. In: Science. 325, 2009, S. 1269–1272, doi:10.1126/science.1176960.
  9. M. Tomasello, J. Kaminski: Like Infant, Like Dog. In: Science. 325, 2009, S. 1213–1214, doi:10.1126/science.1179670.