Objekt planetarer Masse

Infrarotaufnahme des freifliegenden Planeten CFBDSIR 2149-0403 (schwacher blauer Punkt in der Bildmitte)

Objekt planetarer Masse (englisch planetary-mass object, kurz PMO) ist ein Sammelbegriff für astronomische Objekte mit einer Masse

Dies bedeutet, dass auch „umkreisende“ Planeten anderer Sterne oder Brauner Zwerge (siehe Exoplanet) sowie generell Zwergplaneten und größere Monde in diese Klasse gehören; hauptsächlich wird dieser Begriff jedoch für Objekte wie etwa Sub-Brown Dwarfs gebraucht, die nicht gravitativ an einen massereicheren Körper gebunden sind.[1]

Die Massen dieser Objekte sind häufig wesentlich größer als die Massen der traditionellen Planeten des Sonnensystems, was zum einen daran liegt, dass Sub-Brown Dwarfs unterhalb einer Jupitermasse nicht mehr entstehen können[2], zum anderen an der größeren Schwierigkeit, kleinere und leichtere Objekte nachzuweisen.

Definitionsproblem und weitere Bezeichnungen

Die Entdeckung von Objekten, die sich keinem Sternsystem zuordnen lassen, stellt die eindeutige Definition des Begriffs „Planet“ vor zusätzliche Probleme.[3] Es hat sich in der Forschung bisher keine allgemein anerkannte Definition und keine einheitliche Bezeichnung für diese Objekte durchgesetzt. In deutschsprachiger Berichterstattung finden sich unter anderem die Bezeichnungen freifliegender bzw. vagabundierender Planet (englisch rogue planet, free floating planet, FFP), Einzelgänger-Planet, Waisenplanet oder (der oder das) Planemo (von engl. planetary mass object).[4] Einzelgänger-Planeten wurden entweder aus dem Planetensystem, in dem sie entstanden, herausgeschleudert oder waren nie gravitativ an einen Stern oder Braunen Zwerg gebunden.[5][6][7] In letzterem Fall spricht man auch von einem Sub-Brown Dwarf.

Sichtbarkeit und vermutete Häufigkeit

Freifliegende Planeten sind vergleichsweise schwer zu finden, da sie im sichtbaren Licht nicht leuchten, nicht nennenswert das Licht eines Sterns reflektieren und auch nicht durch ihren Einfluss auf einen Stern zu entdecken sind. Mit Infrarotteleskopen konnten jedoch aufgrund ihrer eigenen Wärmeemissionen einige Kandidaten für solche Objekte in der Galaxis entdeckt werden, sodass man heute davon ausgeht, dass in der Milchstraße beinahe doppelt so viele freifliegende Planeten wie Sterne existieren,[8] also bei geschätzt 100–300 Milliarden Sternen um die 400 Milliarden freifliegende Planeten.

Eine ähnliche Schätzung gelang für eine 3,8 Mrd. Lichtjahre entfernte Galaxie, die als Gravitationslinse zwischen der Erde und dem Quasar RX J1131-1231 sehr genau untersucht wurde.[9]

Beispiele

Größenvergleich: Sonne, Cha 110913-773444 und Jupiter.

Das Objekt Cha 110913-773444 ist von einer Staubscheibe umgeben und wurde 2005 mit dem Spitzer-Weltraumteleskop entdeckt. Es besitzt rund acht Jupitermassen und löste durch seine Entdeckung und unklare Einordnung als Stern oder Planet die Debatte aus, aus welcher die Bezeichnung „Planemo“ hervorging.

Das Objekt PSO J318.5-22, dessen Entdeckung am 1. Oktober 2013 veröffentlicht wurde, besitzt nach Kenntnisstand vom Mai 2014 ungefähr sechs Jupitermassen und ist damit zu massearm, um ein Stern oder ein Brauner Zwerg zu sein.[10]

Das Objekt OTS 44 wurde 2004 mit 15 Jupitermassen als der kleinste zu diesem Zeitpunkt bekannte Braune Zwerg mit einer protoplanetaren Staubscheibe beschrieben.[11] Nach Kenntnisstand vom November 2014 besitzt er um 11,5 Jupitermassen;[12] allerdings ist die Ableitung aus den Messdaten erheblich unsicher (5–17 Jupitermassen),[12] sodass er wahrscheinlich, aber nicht nachgewiesenermaßen ein Objekt planetarer Masse ist.

Das Objekt SIMP J013656.5+093347 wurde 2006 entdeckt und der Spektralklasse T2.5 zugeordnet. Erst 2017 wurde erkannt, dass es sich bei dem Objekt nicht um einen braunen Zwerg, sondern um ein PMO handelt. Es ist der erdnächste bisher entdeckte Himmelskörper dieser Art.

Weitere Beispiele für Objekte planetarer Masse sind S Ori 68 und S Ori 70 im Sternbild Orion.

Das im Juni 2016 beobachtete Mikrogravitationslinsen-Ereignis OGLE-2016-BLG-1928 wird in einer im Oktober 2020 erschienenen Veröffentlichung als die Beobachtung eines Objektes planetarer Masse mit einer Größe zwischen Erd- und Marsgröße gedeutet, das wahrscheinlich freifliegend ist, aber auch ein Planet sein könnte, der einen unbeobachteten Zentralstern in einer Entfernung von mindestens 8 AE umrundet.[13][14]

Bekannte Kandidaten

„Bisher waren nicht viele dieser Objekte bekannt, aber ein Team von Astronomen hat mit Hilfe von Daten mehrerer Teleskope der Europäischen Südsternwarte (ESO) und anderer Einrichtungen mindestens 70 neue Einzelgänger-Planeten in unserer Galaxie [in den Sternbildern Skorpion und Ophiuchus, einer sonnennahen Sternentstehungsregion] entdeckt. Dies ist die größte jemals entdeckte Gruppe vagabundierender Planeten und ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Ursprünge und Eigenschaften dieser […] galaktischen Nomaden.“[15][16]

Eine Liste von bekannten Einzelgänger-Planeten ist im Artikel Liste von Exoplaneten verzeichnet.

Siehe auch

Literatur

  • Franziska Konitzer: Milliarden frei fliegender Planeten. Sterne und Weltraum, Juli 2020, S. 22–25

Einzelnachweise

  1. S. Soter: What is a Planet? In: The Astronomical Journal. Band 132, S. 2513, IOP Publishing, 2006, arxiv:astro-ph/0608359 (englisch)
  2. Alan P. Boss, Gibor Basri, Shiv S. Kumar, James Liebert, Eduardo L. Martín, Bo Reipurth, Hans Zinnecker: Nomenclature: Brown Dwarfs, Gas Giant Planets, and ? Band 221, 1. Juni 2003, S. 529.
  3. siehe z. B. S. 21 von: Martin Ratcliffe: State of the Universe 2008: New Images, Discoveries, and Events. Praxis Publishing Ltd., New York 2008, ISBN 978-0-387-73998-4.
  4. Stefan Schmitt: Wortschöpfung – Planemo. Die Zeit, 12. Dezember 2014, abgerufen am 18. Dezember 2014 (gibt als Genus „der Planemo“ an, wohl analog zu „der Planet“ – ohne dies explizit zu begründen. Andere Fundstellen verwenden „das Planemo“ – wohl analog zu „das Objekt“ (planemo = planetary mass object ‚Objekt planetarer Masse‘)).
  5. Orphan Planets: It’s a Hard Knock Life, Space.com, 24. Februar 2005, abgerufen am 5. Februar 2009.
  6. Free-Floating Planets – British Team Restakes Dubious Claim, Space.com, 18. April 2001, abgerufen am 5. Februar 2009.
  7. Orphan 'planet' findings challenged by new model, NASA Astrobiology, 18. April 2001, abgerufen am 5. Februar 2009.
  8. T. Sumi, K. Kamiya u. a.: Unbound or distant planetary mass population detected by gravitational microlensing. In: Nature. 473, 2011, S. 349, doi:10.1038/nature10092.
  9. E. Zachos: More Than a Trillion Planets Could Exist Beyond Our Galaxy. National Geographic, 5. Februar 2018, abgerufen am 13. April 2018.
  10. Michael C. Liu, Eugene A. Magnier, Niall R. Deacon, Katelyn N. Allers, Trent J. Dupuy, Michael C. Kotson, Kimberly M. Aller, W. S. Burgett, K. C. Chambers, P. W. Draper, K. W. Hodapp, R. Jedicke, R.-P. Kudritzki, N. Metcalfe, J. S. Morgan, N. Kaiser, P. A. Price, J. L. Tonry, R. J. Wainscoat: The Extremely Red, Young L Dwarf PSO J318-22: A Free-Floating Planetary-Mass Analog to Directly Imaged Young Gas-Giant Planets. In: Astrophysical Journal Letters. In Press. Jahrgang, 1. Oktober 2013, arxiv:1310.0457 (englisch).
  11. K. L. Luhmann, D. E. Peterson, S. T. Megeath: Spectroscopic Confirmation of the Least Massive Known Brown Dwarf in Chamaeleon. In: The Astrophysical Journal. 617. Jahrgang, Nr. 1, 2004, doi:10.1086/425228 (englisch).
  12. a b M. Bonnefoy, G. Chauvin, A.-M. Lagrange, P. Rojo, F. Allard, C. Pinte, C. Dumas, D. Homeier: A library of near-infrared integral field spectra of young M-L dwarfs. In: Astronomy & Astrophysics. 562. Jahrgang, Nr. 127, 2014, doi:10.1051/0004-6361/201118270 (englisch).
  13. Przemek Mróz et al.: A terrestrial-mass rogue planet candidate detected in the shortest-timescale microlensing event. 20. Oktober 2020, abgerufen am 21. Oktober 2020. arxiv:2009.12377v2 [astro-ph.EP]
  14. Jan Dönges: Frei fliegender Felsplanet: Erdgroßer einsamer Wanderer entdeckt. spektrum.de, 19. Oktober 2020, abgerufen am 21. Oktober 2020.
  15. https://www.eso.org/public/germany/news/eso2120/?lang
  16. Núria Miret-Roig et al.:A rich population of free-floating planets in the Upper Scorpius young stellar association. Digitalisat

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Free-floating planet CFBDSIR J214947.2-040308.9.jpg
Autor/Urheber: ESO/P. Delorme, Lizenz: CC BY 4.0
This closeup of an image captured by the SOFI instrument on ESO’s New Technology Telescope at the La Silla Observatory shows the free-floating planet CFBDSIR J214947.2-040308.9 in infrared light. This object, which appears as a faint blue dot at the centre of the picture, is the closest such object to the Solar System. It does not orbit a star and hence does not shine by reflected light; the faint glow it emits can only be detected in infrared light. The object appears blueish in this near-infrared view because much of the light at longer infrared wavelengths is absorbed by methane and other molecules in the planet's atmosphere. In visible light the object is so cool that it would only shine dimly with a deep red colour when seen close-up.
Sol Cha-110913-773444 Jupiter.jpg
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Comparison of the Sol (Sun), Brown Dwarf Cha 110913-773444 and Jupiter