Oberuferer Weihnachtsspiel

Das Oberuferer Weihnachtsspiel ist Teil eines Zyklus von Spielen um biblische Ereignisse, sogenannten Mysterienspiele, wie sie im Mittelalter häufig waren. Das Paradeis-Spiel, das Christgeburt-Spiel und das Dreikönig-Spiel wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts von Karl Julius Schröer wiederentdeckt und veröffentlicht[1]. Benannt sind sie nach dem Entdeckungsort „Oberufer“ (slowak. „Prievoz = über das Ufer“, ungar. „Fõrév“), einem bis 1918/20 zu 77 % von Deutschen und zu 18 % von Ungarn besiedelten Dorf an der gleichnamigen Donaufurt/Fährstelle. Die Ortschaft wurde 1946 in die slowakische Stadt Bratislava (Pressburg) eingemeindet.

Der Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, gab eine leicht modifizierte Fassung dieser Spiele heraus und regte Aufführungen an. Die Lehrer der ersten Waldorfschule führten die Präsentation für ihre Schüler ein. Sie werden alljährlich in Waldorfeinrichtungen um die Weihnachtszeit von Schülern, Lehrern, Mitarbeitern und manchmal auch Eltern oder mit der jeweiligen Einrichtung verbundenen Menschen aufgeführt. Außerhalb von anthroposophischen oder waldorfpädagogischen Kreisen besitzen die Spiele in der dort aufgeführten Form allerdings kaum Bedeutung.

Heutige Aufführungen halten sich gewöhnlich an den Originaltext, der sehr volksnah geschrieben und in einem der so genannten „donauschwäbischen“ Dialekte[2] in Reimen abgefasst ist. Es wird dabei viel gesungen (solo, aber auch im Chor). Typisch für Schauspiele dieser Art ist, dass auch die ernsthaftere Handlung teilweise mit recht derbem Humor durchsetzt ist. Dazu kommt die volksnahe Verlagerung des biblischen Weihnachtsgeschehens in eine bekannte Umwelt. So beklagen im Christgeburtsspiel die Hirten auf dem Feld sich über die klirrende Kälte, rutschen wiederholt auf dem gefrorenen Boden aus und versuchen, sich gegenseitig ihre Handschuhe zu stibitzen, wobei vernachlässigt wird, dass es an dem originalen Schauplatz der Geschichte, in Palästina, im Winter nur selten friert.

Dem Spiel vorangestellt ist eine Huldigung an die Obrigkeiten und Autoritäten,[3] an das Publikum und, in scherzhafter Form, auch an die notwendigen Requisiten, wie zum Beispiel den Hut. Dergleichen Huldigungen waren im Mittelalter bei fahrenden Schaustellern ebenso wie bei den Zünften, die solche Spiele aufführten, üblich.

Anmerkungen und Quellen

  1. Karl Julius Schröer – Deutsche Weihnachtsspiele aus Ungern (Google Books)
  2. Die Begriffsbezeichnung „donauschwäbisch“, welcher die deutschen Sprachinseln an der Donau flussabwärts von Preßburg (Bratislava) umfassen soll, ist auch hier ungenau. Nicht alle entlang der Donau auf so genannten Ulmer Schachteln ausgewanderten Deutschen stammen aus Schwaben. Die Oberuferer Spiele sind in einem der bairischen Dialekte überliefert, der am ehesten dem Niederösterreichischen zugeordnet werden kann (Leseprobe).
  3. Gedankt wird z. B. den evangelischen und katholischen Kirchenverwaltungen, welche den (ausschließlich) deutschen Mitspielern gestattete, das Spiel in beide Konfessionen einzubringen. Diese im 17. Jh. nicht alltägliche Genehmigung dürfte bis ins 19. Jahrhundert hinein allerdings weniger auf die interkonfessionelle Verständigung, als vielmehr auf die Stärkung der deutschen Sprachinsel im slowakisch/ungarischen Umfeld gerichtet gewesen sein.

Literatur

  • Martin, Michael, Hirten und Könige in den Oberuferer Weihnachtsspielen, ISBN 3-7235-0776-X
  • Karutz, Matthias, Ir liabn meini singa..., Anregungen zum heutigen Verständnis der Oberuferer Weihnachtsspiele ISBN 3-8251-7152-3
  • Karl Friedrich Flögel, Friedrich W. Ebeling, Geschichte des Grotesk-Komischen, 1861, S. 246–251 (online)
  • Weihnachtsspiele aus altem Brauchtum, Die Oberuferer Spiele, ISBN 3-7274-5075-4
  • Laura Schmidt: Weihnachtliches Theater: Zur Entstehung und Geschichte einer bürgerlichen Fest- und Theaterkultur, ISBN 978-3837638714

Weblinks