Oberrat (Herzogtum Preußen)

Wappen des Herzogtums Preußen

Der Oberrat im Herzogtum Preußen war zwischen 1525 und 1701 im übertragenen Sinn das Kabinett. Der Oberrat setzte sich aus dem Oberburggrafen, dem Obermarschall, dem Landhofmeister und dem Kanzler des Herzogtum Preußens zusammen. Die Amtsinhaber wurden auch mit der Bezeichnung „Oberrat“ tituliert.

Geschichte

Ausgehend von dem Ordensrat, der dem Hochmeister des Deutschen Ordens zuarbeitete und sich aus den fünf obersten Ordensgebietigern, nämlich dem Großkomtur, dem Ordensmarschall, dem Oberstspittler (Hospitalmeister), dem Obersttrappier (Quartier- und Versorgungsmeister) und dem Treßler (Schatzmeister) zusammensetzte wurde im Herzogtum Preußen die sogenannte Oberratsstube geschaffen.[1] Die vom regierenden Herzog ernannten Oberräte, die auch mit dem Titel „Oberrat“ gewürdigt wurden, waren in der Regel aus dem Adel Preußens berufene Amtsträger und bildeten die herzogliche-preußische „gantze Regierung“.[2]

Rang und Aufgaben der vier Oberräte

Nach der Verfassung des Herzogstaates bildeten die vier Oberräte die Oberratsstube, die bis 1804 als Etatsministerium bestand. Der Oberburggraf hatte seinen Amts- und Wohnsitz im Königsberger Schloss. Der Landhofmeister befand sich mit der Landhofmeisterei in der Landhofmeisterstraße in Königsberg.[3] Dem Rang nach waren sie wie folgt eingestuft:

1. Landhofmeister, 2. Oberburggraf, 3. Obermarschall und 4. Kanzler.

Gemäß der Verordnung von 1556 (Kleine Gnadenprivileg) und dem Testament Herzog Albrechts (1490–1568) wurde festgelegt, dass die acht ranghöchsten Positionen[4] begüterte Adlige aus Preußen und „deutscher Geburt“ sein müssen. Das Kanzleramt konnte mit einem bürgerlichen Juristen besetzt werden. Nach der Verfassung oblag dem Landhofmeister die Aufsicht über die Kammerämter,[5] der Oberburggraf hatte hauptsächlich die „Innere Sicherheit“ sowie die Handels- und Finanzangelegenheiten zu überwachen, der Obermarschall führte das Heerwesen und die Hofökonomie und der Kanzler leitete den amtlichen Schriftverkehr in den Angelegenheiten der Justiz und der Kanzlei.[6]

Bei der Krönung Friedrichs I. kam den Preußischen Oberräten, als obersten Repräsentanten des Hofes, die ehrenvolle Aufgabe zu, die Krönungsinsignien vor dem König herzutragen. Der Kanzler Georg Friedrich von Creytzen trug das Siegel, Landhofmeister Otto Wilhelm von Perbandt den Reichsapfel, Oberburggraf Christoph Alexander von Rauschke trug das Reichsschwert und der Obermarschall Christoph von Wallenrodt hielt den silbernen Marschalsstab.[7]

Regentschaftsrat

Während der Abwesenheit des Landesherren vertraten die vier Räte als eine Art Kabinett, gemeinsam mit den vier obersten Hauptleuten, den Hof- und Gerichtsräten und den Vertretern der „drei Städte Königsbergs“ (Altstadt, Kneiphof und Löbenicht) den Herzog. Sie agierten auch als dessen Stellvertreter und wurden in diesem Zeitraum Regenten genannt. In Zeiten eines Interregnums hatten sie die Regierungsgewalt inne und waren den polnischen Oberlehnsherrn gegenüber untergeordnet. Der „Regentschaftsrat“ wurde erst unter Kurfürst Joachim Friedrich (1546–1608) permanent etabliert.

Absolute Gewalt

Eine Gewaltenteilung nach heutigem Muster gab es in Preußen, d. h. im Herzogtum, nicht; so hatten die vier Oberräte neben Belangen der Exekutive auch Aufgaben in der Judikative und darüber auch in der Legislative zu bewerkstelligen. So bildeten sie zum Beispiel mit sechs bis acht weiteren Beauftragten das Hofgericht. Gleichzeitig waren sie im Landtag vertreten und wirkten in der Gesetzgebung mit. Da sie ihre Entscheidungen grundsätzlich im Namen des Herzogs fällten, konnten sie in dessen Namen in kirchlichen Angelegenheiten eingreifen und sie waren gegenüber der nachgeordneten Verwaltungsbeamten weisungsbefugt. Zu einem weiteren Privileg gehörte die Abnahme der jährlichen Erbhuldigung, die Ein- oder Absetzung leitender Amtsinhaber und letztlich die Dispenserteilung von Eiden. Ab 1616 erwarben sie ein Vorschlagsrecht bei Ämterbesetzungen und in der Außenpolitik erhielten sie ein Mitspracherecht. Das Oberratskollegium musste einstimmig entscheiden, dieses trug nach außen zu einem einheitlichen Erscheinungsbild der Oberratsstube bei, führte jedoch intern zu manchen Machtkämpfen und politischen Ränkerein.

Hauptleute

Die nächstniedrigere Instanz zu den Oberräten waren die etwa fünfzig Ämter der Hauptleute. Hauptmann oder Hauptleute bezog sich nicht auf den militärischen Grad Hauptmann, man verstand darunter die Leitung bzw. Führung einer Hauptmannschaft. Die Oberräte wurden gewöhnlich aus den vier sogenannten höchsten Hauptämtern berufen; Tapiau, Schaaken, Fischhausen und Brandenburg. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörte die Leitung der Verwaltung in ihren Hauptmannschaften, sie trafen exekutive Entscheidungen, beaufsichtigten die Kirchen, präsidierten dem Landgericht und konnten auf den Landtagen an der Gesetzgebung mitwirken. Die Hauptleute gehörten kraft Amtes dem Stand der Landräte an, der im Landtag der „vornehmste“ war. Ihr ranghöchster Repräsentant war der Hauptmann in Brandenburg.

Liste bekannter Oberräte

Otto Wilhelm von Perbandt (1635–1706), Landhofmeister

Christoph Alexander von Rauschke († 1725), Oberburggraf

Georg Friedrich von Creytzen (1639–1710), Kanzler

Adam Christoph von Wallenrodt (1644–1711), Obermarschall

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Neugebauer (Hrsg.), Frank Kleinhagenbrock: Das 17. und 18. Jahrhundert und Große Themen der Geschichte Preußens (= Handbuch der Preußischen Geschichte, Band 1). Verlag Walter de Gruyter, 2009, ISBN 3-11-021662-0. Auch Fußnote 11: Felix Arndt: Die Oberräte in Preußen 1525–1640. phil. Diss. Königsberg, Elbing 1911, S. 2 f. (Ordnungsorganisation, Entstehung bis 1542: S. 7–11, 1542: S. 13 ff. nützlich: Kurtz-gefaßte Historie der Preußischen Regierung. In: Erleutertes Preußen Oder Auserlesene Anmerkungen üeber verschiedene Zur Preußischen…Historie…gehörende Dinge, 1. Königsberg 1724, S. 81–113, bes. S. 81 ff. Privilegia der Stände des Herzogthums Preussen, darauff das Landt fundiert und itzo beruhen. Braunsberg 1616, Bl. 53 v. (1542, „gantze Regierung“). W. Hubatsch, Albrecht---(s. Anm. 5), S. 192.: auch Heinrich Otto Meisner: Staats- und Regierungsformen und Deutschland seit dem 16. Jahrhundert (= Libelli, 199). Darmstadt 1958, S. 229, Google books
  2. Wolfgang Neugebauer (Hrsg.), Frank Kleinhagenbrock: Das 17. und 18. Jahrhundert und Große Themen der Geschichte Preußens (= Handbuch der Preußischen Geschichte, Band 1). Verlag Walter de Gruyter, 2009, ISBN 3-11-021662-0
  3. Herbert Meinhard Mühlpfordt: Königsberg von A bis Z – ein Stadtlexikon. Leer 1972
  4. Die acht höchsten Positionen waren der Landhofmeister, der Oberburggraf, der Obermarschall, der Kanzler und die vier ranghöchsten Hauptämter: Tapiau, Schaaken, Fischhausen und als ranghöchste Brandenburg.
  5. In Brandenburg-Preußen zum Oberamt oder Kammer ressortierend (gehörend). Kammeramt. In: Vormalige Akademie der Wissenschaften der DDR, Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Deutsches Rechtswörterbuch. Band 6, Heft 5 (bearbeitet von Hans Blesken, Siegfried Reicke). Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1965, OCLC 832566941 (adw.uni-heidelberg.de – Fortsetzung im Folgeheft).
  6. Anmerkung: Hubatsch, Albrecht von Brandenburg-Ansbach, 193 f. „Nach ihm war der Obermarschall zuständig für das Hofgesinde, die herzogliche Tafel und Heizung, der Oberburggraf für Mühlen, Bauwesen un ‚Sittenpolizei‘ (…). Der Landhofmeister habe als Zeremonienmeister und ‚eine Art Flügeladjutant‘ fungiert und das Fraunzimmer beaufsichtigt, der Kanzler den amtlichen Schriftwechsel geführt.“ Siehe: Wolfgang Neugebauer (Hrsg.), Frank Kleinhagenbrock: Das 17. und 18. Jahrhundert und Große Themen der Geschichte Preußens (= Handbuch der Preußischen Geschichte, Band 1). Verlag Walter de Gruyter, 2009, ISBN 3-11-021662-0
  7. Krönungszug. Abgerufen am 26. Februar 2023 (Die Kupferstichfolge zur Krönung, die 1712 begleitend zu dem Bericht Preußische Krönungsgeschichte des Oberzeremonienmeisters Johann von Besser herausgegeben wurde, stellt u. a. die preußischen Oberräte und ihre Funktion in der Prozession dar.).

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