Oberlandesgericht Königsberg

Nordflügel vom Königsberger Schloss: Oberlandesgericht und Blutgericht (ganz links unten)

Das Oberlandesgericht Königsberg war ein Oberes Gericht in Ostpreußen. Der Sitz war Königsberg (Preußen). Das Oberlandesgericht stand seit Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze in der Tradition des 1657 gegründeten früheren Oberappellationsgerichts Königsberg.[1]

Unterstellte Gerichte

Siegelmarke bis 1918
Siegelmarke 1921–1933

Zum Oberlandesgerichtsbezirk Königsberg gehörten am 1. Oktober 1879 zunächst sechs Landgerichte mit 70 Amtsgerichten; schon 1882 kam ein weiteres Amtsgericht in Wischwill hinzu und durch Teilung des Landgerichtsbezirks Tilsit entstand 1885 der neue Landgerichtsbezirk Memel; seither blieb die Anzahl der Gerichte – bis zum Verlust von Preußisch Litauen und Soldau – unverändert:

  1. Landgericht Allenstein (10) – Allenstein, Gilgenburg, Hohenstein, Neidenburg, Ortelsburg, Osterode, Passenheim, Soldau (1920 an Polen abgetreten), Wartenburg und Willenberg
  2. Landgericht Bartenstein (17) – Barten (Kreis Rastenburg), Bartenstein, Bischofsburg, Bischofstein, Domnau, Friedland, Gerdauen, Guttstadt, Heilsberg, Kreuzburg, Landsberg, Nordenburg, Preußisch Eylau, Rastenburg, Rößel, Schippenbeil und Seeburg
  3. Landgericht Braunsberg (10) – Braunsberg, Heiligenbeil, Liebstadt, Mehlsack, Mohrungen, Mühlhausen, Preußisch Holland, Saalfeld (Ostpreußen), Wormditt und Zinten
  4. Landgericht Insterburg (6) – Darkehmen, Goldap, Gumbinnen, Insterburg, Pillkallen und Stallupönen
  5. Landgericht Königsberg (8) – Allenburg, Fischhausen, Königsberg, Labiau, Mehlauken, Pillau, Tapiau und Wehlau
  6. Landgericht Lyck (10) – Angerburg, Arys, Bialla, Johannisburg, Lötzen, Lyck, Marggrabowa, Nikolaiken, Rhein und Sensburg
  7. Landgericht Tilsit (6) – Heinrichswalde, Kaukehmen, Ragnit, Skaisgirren, Tilsit und Wischwill
  8. Landgericht Memel (4) – Heydekrug, Memel, Prökuls, Ruß.

Der Gerichtsbezirk hatte eine Fläche von insgesamt rund 36.990 km2 mit einer Einwohnerzahl im Jahr 1890 von 1.958.663.[2]

Das Landgericht Zichenau wurde während der deutschen Besetzung Polens 1939 mit Erlass vom 26. November 1940 als neuntes Landgericht im Bezirk des Oberlandesgerichtes Königsberg gebildet.[3] Im Zuge des am 22. Juni 1941 begonnenen deutschen Angriffs auf die Sowjetunion wurde Białystok von der Wehrmacht besetzt und dort später das Landgericht Bialystock als 10. Landgericht im Oberlandesgerichtsbezirk geschaffen.

In der Endphase des Zweiten Weltkriegs wurden evakuierte Teile des Gerichtspersonals in Rostock und ab 24. Februar 1945 in Schwerin zu einer „Auffangstelle für die Justiz aus dem Freimachungsgebiet Königsberg“ verlegt.[4][5]

Behördenleiter

Wilhelm Schimmelpfennig, Richter (Ernst Bischoff-Culm, 1910)
Präsidenten
1819–9999: Carl von Wegnern
1832–1868: Friedrich von Zander
1879–1885: Karl Gustav von Goßler
1886–9999: unbesetzt
1887–1899: Ernst von Holleben
1900–1911: Karl Ludwig von Plehwe
1913–1921: von der Trenck
1922–1925: Karl Eichner[6]
1926–1927: Max Witte
1928–9999: Bruno Krüger
1929–1931: Hugo Holthöfer
1932–1933: Walter Moehrs, Präsident des OLG Frankfurt am Main (1946–1948)[7]
1933–1934: Otto Minde[8]
1934–1937: Otto Hardt
1937–1944: Max Draeger
1945–9999: Max Engel
Oberstaatsanwälte/Generalstaatsanwälte
Siegelmarke des Oberstaatsanwalts bis 1918
1880–1888: Otto Saro
1889–9999: unbesetzt
1890–0000: Dahlke
1892–1899: Karl Ludwig von Plehwe
1901–1911: E. P. F. Voswinckel
1913–1920: Preuß
1922–1929: Krause
1930–9999: Krause-Harder
1930–1933: Hans Danckwortt
1934–0000: Franz Hagemann
1937–0000: Günther Vollmer[9]
1939–0000: Curt Capeller
1943–0000: Fritz Szelinski[10]
1945–9999: Heinz Büttner

Bedeutende Verfahren

1842 wurde Johann Jacoby wegen Majestätsbeleidigung und „frechen, unehrerbietigen Tadels der Landesgesetze“ zu zweieinhalb Jahren Festungshaft verurteilt.[11]

1904 fand am Landgericht Königsberg der Königsberger Geheimbundprozess gegen Otto Braun und andere statt.[12]

Siehe auch

Literatur

  • Wilhelm Keil: Neumanns Orts-Lexikon des Deutschen Reichs. Ein geographisch-statistisches Nachschlagebuch für deutsche Landeskunde, 3. Auflage. Leipzig 1894.
  • Christian Tilitzki: Alltag in Ostpreußen 1940–1945. Die geheimen Lageberichte der Königsberger Justiz. Sonderausgabe. Flechsig, Würzburg 2003, ISBN 3-88189-481-0.
  • Georg Conrad: Geschichte der Königsberger Obergerichte. Duncker & Humblot, Leipzig 1907.
  • Gothaisches Jahrbuch für Diplomatie, Verwaltung und Wirtschaft. 163. Jg., Gotha 1926.

Einzelnachweise

  1. auch Königsberger Tribunal, ab 1808 bereits auch als Oberlandesgericht bezeichnet.
  2. Carl Pfafferoth: Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung. Hrsg.: Reichsjustizamt. Carl Heymanns, Berlin 1897, S. 157 (Scan des Originals an der Harvard University auf HathiTrust [abgerufen am 2. Juni 2023]).
  3. Erlaß über die Gerichtsgliederung in den eingegliederte Ostgebieten vom 26. November 1940, RGBl. I 1940, S. 1538, Digitalisat
  4. Peter Lindemann: territorial.de
  5. Pommersche Gerichtsbarkeit.
  6. Acta Borussica (PDF; 1,92 MB)
  7. Blog
  8. Lothar Gruchmann: Justiz im Dritten Reich
  9. Günther Vollmer in der englischsprachigen Wikipedia
  10. Szelinski erhängte sich in der Gestapohaft; siehe Max Draeger
  11. Blog
  12. Kurt Eisner: Der Geheimbund des Zaren. Berlin 1904 (Neuausgabe Berlin 1988). Nach Ernst-A. Seils: Hugo Haase (2016), S. 212–225

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Porträtgemälde von Wilhelm Schimmelpfennig (1827–1919), Richter am Oberlandesgericht Königsberg
Siegelmarke Oberlandesgericht Königsberg 1921-1933.jpg
Siegelmarke des Oberlandesgerichts Königsberg. Der Wappenadler wurde zwischen 1921 und 1933 verwendet.
Siegelmarke Oberlandesgericht Königsberg.jpg
Siegelmarke des Oberlandesgerichts Königsberg vor 1918
OLG Königsberg.JPG
Fotogtafie des Oberlandesgerichts im Königsberger Schloss, ganz links das "Blutgericht"
Siegelmarke Oberstaatsanwalt Königsberg.jpg
Siegelmarke des Oberstaatsanwalts in Königsberg, Provinz Ostpreußen.