Oberflächenchemie

Oberflächenchemie (englisch surface chemistry, surface science) ist ein Teilgebiet der Physikalischen Chemie, bei dem die chemischen und strukturellen Vorgänge untersucht werden, die sich an Grenzflächen, meist fest/gasförmig, abspielen. Dabei werden oberflächensensitive analytische Methoden angewendet, für die in den letzten Jahrzehnten mehrere Nobelpreise vergeben wurden. Da die untersuchten Strukturen im Nanometerbereich liegen, zählt man die Oberflächenchemie zu den Nanowissenschaften.

Grundlagen

Als Oberfläche (engl.: surface) ist dabei der Bereich eines Festkörpers definiert, in dem sich die physikalischen und chemischen Eigenschaften (z. B. Struktur, elektronische Eigenschaften) vom Rest (engl.: bulk) unterscheiden, wobei die Abweichung von den Volumeneigenschaften i. a. exponentiell mit der Entfernung von der Oberfläche abklingt (proportional zu ). Das Idealbild einer Oberfläche ist analog zum idealen Festkörper eine streng periodisch in zwei Raumrichtungen unendliche ausgedehnte Anordnung von Atomen oder Molekülen.

Bravaisgitter

Eine periodische Anordnung von Atomen oder Molekülen auf einer Oberfläche kann analog zum Festkörper in zwei Dimensionen mit einem Bravais-Gitter beschrieben werden. In zwei Dimensionen gibt es fünf Bravais-Gitter, die quadratische, die rechteckige, die rechteckig innenzentrierte, die rautenförmige und die hexagonale Struktur, wobei die hexagonalen oder rechteckig innenzentrierte Strukturen als Sonderfälle der rautenförmigen Struktur mit bestimmten Winkeln angesehen werden können.

Einheitszelle

Rastertunnelmikroskop

Eine Einheitszelle spiegelt die Symmetrie des Bravais-Gitter wider, es besitzt dieselben Symmetrieelemente. Auf Grund der Periodizität des Gitters können die Einheitszellen durch einen Translationsvektor aufeinander abgebildet werden. Die Einheitszellen selbst werden durch linear unabhängige Einheitsvektoren und aufgespannt. Dabei gilt:

Man kann das Gitter auch in einen anderen Raum mit anderen Basisvektoren und transformieren. Arbeitet man z. B. mit Beugungsmethoden, misst man die Einheitszelle im reziproken Raum, auch k-Raum genannt.

Die Vektoren der Einheitszelle im Ortsraum können u. U. mittels Rastertunnelmikroskopie ermittelt werden. Die gemittelte Größe der Einheitszelle im reziproken Raum erhält man beispielsweise mit der Beugung langsamer Elektronen (LEED) an der Oberfläche.

Eine spezielle Art der Einheitszelle ist die Wigner-Seitz-Zelle. Ihr entspricht die Brillouin-Zone 1. Ordnung im k-Raum.

LEED-Beugungsmuster im k-Raum

Punkte und Geraden im Gitter

Ein Punkt im Gitter wird durch einen Vektor vom Ursprung zum Punkt beschrieben. Eine Gerade wird mit einem Vektor beschrieben, der parallel zur Gittergeraden liegt.

Gitterebenen

Wenn ein Einkristall bricht, geschieht das häufig entlang der Gitterebene. Dadurch entstehen Oberflächen, die sich je nach 3-dimensionaler Kristallstruktur und Schnittrichtung in ihrer 2-dimensionalen Oberflächenstruktur unterscheiden. Die Schnittebenen können durch die Schnittpunkten der Ebene mit den Achsen des Koordinatensystems beschrieben werden. Die gebräuchlichere Schreibweise ist allerdings die Angabe der Miller-Indizes , die das ganzzahlige Vielfache der reziproken Achsenabschnitte sind. z. B. (111), (110), (100)

Überstrukturen

Überstrukturen sind zusätzliche, größere Strukturen, die sich durch Umordnung oder Adsorption an der Oberfläche bilden. Sie können mit Vektoren und als Vielfache der Basis-Vektoren und , durch die woodsche Nomenklatur oder durch Matrixdarstellung beschrieben werden.

Oberflächenpräparation

Bevor eine Oberfläche im mikroskopischen Maßstab reproduzierbar analysiert werden kann, muss sie von Verunreinigungen befreit werden. Um sie vor weiterer Kontamination zu schützen, wird sie im Ultrahochvakuum (UHV) () gehandhabt. Dadurch wird die Flächenstoßrate von auftreffenden Molekülen aus der Gasphase verringert. Diese ist für ein Gasteilchen des Typs

In einer Studie mit einer auf Ag(111) adsorbierten organischen Molekülschicht konnte eine Reaktion mit Sauerstoffgas mittels Rastertunnelmikroskopie direkt im Ortsraum sichtbar gemacht werden.[1]

Mögliche Ursachen für Oberflächenkontamination sind z. B.:

  • Adsorption von Luftmolekülen
  • Staub
  • Wanderung von Teilchen aus dem Probeninneren an die Oberfläche

Oberflächendefekte

Typische nanoskalige Defekte an Einkristalloberflächen [z. B. die Ag(111)-Oberfläche] sind Stufen, Kinken sowie aus Terrassen herausgelöste Atome. Diese können mittels Rastertunnelmikroskopie im atomaren Maßstab sichtbar gemacht werden und sind im Allgemeinen reaktiver als atomar glatte Terrassen.

Methoden zur Oberflächenreinigung

Werkstücke tragen nach der Bearbeitung (z. B. Schleifen, Drehen) im Allgemeinen Rückstände, wie Öle, Staub, Abrieb oder Schleifmittel. Diese Rückstände wirken sich meistens negativ auf die Bearbeitungsschritte aus und müssen daher entfernt werden. Typische Verfahren sind:

  • Oxidation oder Reduktion der Oberfläche: Überführen der Verunreinigungen in flüchtige Verbindungen. Oxidation kann zur chemischen Umwandlung von Adsorbaten führen, die anschließend leichter desorbiert werden. Beispielsweise kann stark an eine Oberfläche gebundenes CO zu CO2 oxidiert werden, das auf Grund seiner chemischen Struktur nur noch schwach gebunden ist.
  • Sputtern mit Argonionen: Beim Sputtern wird die Probe mit Ionen beschossen, die in einem elektrischen Feld beschleunigt werden. Allerdings bilden sich auf dem Substrat mehr oder weniger große „Krater“, die z. B. durch Heizen der Probe geglättet werden können.
  • Tempern (Heizen der Probe): Beim Heizen der Probe auf eine bestimmte Temperatur (ca. 1000 K) kann sich das thermodynamische Gleichgewicht einstellen, dabei wird die Oberfläche minimiert, was einer Absenkung der Oberflächenenergie entspricht. Dabei können sich von der Temperatur abhängige Rekonstruktionen oder Strukturen bilden. Diese können in Domänen unterschiedlicher Orientierung vorliegen. Beim Tempern kann es außerdem zu Desorption von Adsorbaten kommen.

Techniken zum Aufbringen von weiteren Schichten

Auf eine Oberfläche können weitere Schichten von Atomen oder Molekülen aufgebracht werden, um die Eigenschaften der Grenzfläche zu modifizieren. Dadurch lassen sich z. B. Halbleiterbauelemente in dreidimensionaler Form in einem integrierten Schaltkreis (IC) unterbringen, weil sie durch die Schichten getrennt werden. Ein in der Grundlagenforschung wichtiges Hilfsmittel ist die Chemisorption von Sondenmolekülen, deren Schwingungseigenschaften z. B. Informationen über die Oberfläche geben. Das Aufbringen der Schichten geschieht i. a. mit einer der folgenden Methoden der Dünnschichttechnologie:

Beispiele für Fragestellungen

Beispiele von Fragestellungen in der Oberflächenchemie sind: die elementaren Zusammensetzungen von Oberflächen, Konzentration von Elementen im Oberflächenbereich, die Verteilung von Elementen im Tiefenprofil der Oberfläche sowie die chemische Bindung von Adsorbaten. Auch die Erforschung der Adsorptionskinetik, der Adsorptionsenergie und der Desorptionskinetik sowie der (elektronischen) Struktur an der Grenzfläche und der Schwingungseigenschaften sind Aufgaben der Oberflächenchemie. Des Weiteren beschäftigt sich die Oberflächenchemie mit Reaktionsmechanismen von heterogen katalysierten Reaktionen, erstellt Modelle für katalytische Reaktionen für die Entwicklung von industriellen Katalysatoren und untersucht die Diffusion von Adsorbaten auf Oberflächen (Oberflächendynamik) sowie den Oxidationszustand von Oberflächenatomen.

Oberflächenkoordinationschemie

outer-sphere-Komplex des Anions
[Cr(CN)5NO]3− an einer Metalloxid-Hydroxid-Oberfläche

Die Koordinationschemie an Metalloxidoberflächen hat viele Parallelen zur Komplexchemie in Lösungen. Hierbei dienen Oxidionen und insbesondere Hydroxidgruppen, die durch dissoziative Adsorption von Wassermolekülen an der Metalloxidoberfläche entstehen, als Liganden für Metallionen oder Metallionen-Komplexen aus einer angrenzenden Phase. Hierbei können Metallkomplexe durch schwache Wechselwirkungen gebunden werden (outer-sphere-Komplexe) oder die Bindung erfolgt über Austauschreaktionen von Liganden (inner-sphere-Komplexe). Beispiel für eine inner-sphere-Komplexbildung:

Die Herstellung von Oberflächenkomplexen ist für heterogene Katalysatoren von großer Bedeutung.

An der Oberfläche laufen insbesondere auch Säure-Base-Reaktionen ab. Die Hydroxidgruppen können entweder als Brönsted-Säure oder Brönsted–Base reagieren. Je nach Metall liegt dabei eine unterschiedliche Acidität der Brönsted-Säure vor. Solche Oberflächen spielen eine wichtige Rolle als Katalysator für säurekatalysierte Reaktionen in nichtwässrigen Lösungsmitteln und in der Gasphase. Ebenso spielen in der Katalyse Zentren an Metalloxidoberflächen eine Rolle, die als Lewis-Säuren reagieren können. Hierbei nimmt vor allem bei höheren Temperaturen die Anzahl von Metallkationen und damit die Lewis-Acidität zu.

Oberflächensensitive Methoden

Rasterkraftmikroskopische Abbildung der Datenschicht einer Compact Disc.

Oberflächenanalytische Methoden werden in der Industrie und in der Grundlagenforschung eingesetzt.

Um die Vorgänge an Grenzflächen untersuchen zu können, müssen Methoden verwendet werden, die nur Prozesse in dem Bereich einer Probe „sehen“, der sich in seinen Eigenschaften vom restlichen Festkörper unterscheidet. Dazu werden die Wechselwirkungen von folgenden Wellen/Teilchen mit Materie genutzt:

Strahlung/Teilchenmittlere freie Weglänge im Festkörper/GasBeispiele
Elektronenklein (Coulomb-Wechselwirkung), abhängig von kinetischer Energie, siehe Universelle Kurve
Photonengroß (keine Coulomb-Wechselwirkung)[2]UV-Strahlung, Infrarotstrahlung, Röntgenstrahlung
neutrale thermische Atome und Molekülekeine, Umkehrpunkt vor OberflächeHelium-Atome, Wasserstoff-Moleküle
Ionenklein (Coulomb-Wechselwirkung)
magnetische Feldergroß
Wärmegroß

Die mittleren freien Weglängen von geladenen Teilchen sind auf Grund von Coulomb-Wechselwirkungen i. a. viel kleiner als die von neutralen. Ein weiterer starker Einfluss ist die kinetische Energie der Teilchen; in bestimmten Energiebereichen können Prozesse angeregt werden, was die mittlere freie Weglänge verringert. Entscheidend für die Oberflächensensitivität einer Methode ist, dass entweder das mit der Probe wechselwirkende oder das detektierte Teilchen oder Welle eine geringe mittlere freie Weglänge in der Materie besitzt. Deshalb ist auch für viele Methoden ein Ultrahochvakuum nötig. Die gewählte Methode hängt dabei von der Fragestellung ab. Die folgende Übersicht soll nur einen Überblick geben. Für mehrere Methoden existieren auch verschiedene ortsauflösende Techniken. Für weitere Beschreibung siehe deren Artikel. Jede der Methoden hat Vor- und Nachteile, die beim Experiment berücksichtigt werden müssen.

Mikroskopie

Das erste Rastertunnelmikroskop von Rohrer und Binnig
Die Oberfläche von Natriumchlorid mit dem Kraftmikroskop im Nicht-Kontakt-Modus abgebildet, wobei die einzelnen Atome als Erhebungen bzw. Vertiefungen zu erkennen sind.
STM-Aufnahme einer Graphitoberfläche in atomarer Auflösung.
STM-Messung der Rekonstruktion der (100)-Fläche eines Au-Einkristalls
Rastersondenmikroskopie
MethodeErhaltene Informationeneingesetztes Teilchen/Welledetektierte Größe/Teilchen/Welleausgenutzter Effekt
Rastertunnelmikroskop (STM)Elektronische Zustandsdichte (LDOS) und Topographie an der Oberfläche im Ortsraum, ÜberstrukturenElektronenTunnelstrom/z-Position der SpitzeTunneleffekt
Rasterkraftmikroskop (AFM)Topographie an der Oberfläche im OrtsraumSchwingende Spitze (Cantilever)Ablenkung eines Laserstrahls (Frequenz-, Phasen- und Amplitudenänderung)Kraft zwischen AFM-Cantilever und Oberfläche (Pauli-Repulsion, Van-der-Waals-Wechselwirkung)
Nahfeldmikroskopie (SNOM)
Chemisches Kraftmikroskop (CFM)
Magnetkraftmikroskop (MFM)
Fotolack im Elektronenmikroskop
Elektronenmikroskopie
MethodeErhaltene Informationeneingesetztes Teilchen/Welledetektierte Größe/Teilchen/Welleausgenutzter Effekt
Transmissions-Elektronen-Mikroskopie (TEM)Oberflächenstruktur im Ortsraum, Gleitebenen von Kristalliten auf der OberflächeElektronenElektronenTransmission von Elektronen durch eine dünne Probe
Raster-Elektronen-Mikroskopie (SEM)Oberflächenstruktur im Ortsraum, Gleitebenen von Kristalliten auf der OberflächeElektronenElektronenAbrastern der Probe mit Elektronenstrahl
Raster-Transmissions-Elektronen-Mikroskopie (STEM)Oberflächenstruktur im Ortsraum, Gleitebenen von Kristalliten auf der OberflächeElektronenElektronenKombination aus TEM und SEM
Röntgenmikroanalyse (XRMA)
Photoemissions-Elektronenmikroskopie (PEEM)Magnetische Domänenstruktur im OrtsraumZirkular polarisierte RöntgenphotonenPhotoelektronenPhotoelektrischer Effekt, vergrößerte Darstellung der emittierten Photoelektronen auf einem Leuchtschirm
FIM-Bild einer Wolframspitze in (110)-Orientierung bei 11 kV. Die Ringstruktur resultiert aus der Anordnung der Atome in einem krz-Gitter. Einzelne helle Punkte können als einzelne Atome interpretiert werden.
Feldinduzierte Mikroskopie
MethodeErhaltene Informationeneingesetztes Teilchen/Welledetektierte Größe/Teilchen/Welleausgenutzter Effekt
Feldemissionsmikroskopie (FEM)Abbildung der Struktur von Spitzen, keine atomare Auflösungelektrisches Feld ionisiert Spitzenatomeemittierte Elektronen aus der Spitze auf FluoreszenzschirmIonisation, Tunneleffekt
Feldionenmikroskopie (FIM)Abbildung der Struktur von Spitzen, atomare Auflösungelektrisches Feld, BildgasBildgas mit FluoreszenzschirmIonisation des Bildgases, Tunneleffekt
Felddesorption/FeldverdampfungAbbildung der Struktur von Spitzenelektrisches FeldAdatome/SpitzenatomeDesorption von Adatomen der Spitze/Verdampfung von Spitzenmaterial
FeldionenmassenspektrometrieZusammensetzung von Spitzenelektrisches Feld, BildgasMolare Masse von Spitzenatomen durch Time-of-flight-Massenspektrometer (TOF)Desorption von Atomen der Spitze, Unterschiedliche Flugzeit bei unterschiedlichen Massen im TOF

Spektroskopie

Beispiel für ein XPS-Spektrum
Typisches XPS-System mit Halbkugelanalysator, Röntgenröhren und diversen Präparationsmethoden

Bei der Spektroskopie handelt es sich allgemein um ein Verfahren bei dem ein Spektrum erzeugt wird, d. h., eine Intensität wird gegen eine der Energie äquivalenten Größe aufgetragen, z. B. Frequenz. Bei der Elektronenspektroskopie ist die Energie von Elektronen, diejenige Größe, die gegen die Intensität aufgetragen wird. Es gibt folgende Methoden:

Elektronenspektroskopie
MethodeErhaltene Informationeneingesetztes Teilchen/Welledetektierte Größe/Teilchen/Welleausgenutzter Effekt
Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie (XPS)Oxidationszustand und Konzentration von Elementen im OberflächenbereichRöntgen-PhotonenPhoto-ElektronenPhotoelektrischer Effekt
Auger-Elektronen-Spektroskopie (AES)Oxidationszustand und Konzentration von Elementen im OberflächenbereichRöntgen-Photonen oder ElektronenAuger-ElektronenAuger-Effekt
Ultraviolett-Photoelektronen-Spektroskopie (UPS)Elektronische StrukturPhotonen im UV-BereichPhoto-ElektronenPhotoelektrischer Effekt
Metastabilen-Einschlag-Elektronenspektroskopie (MIES)Elektronische StrukturMetastabile HeliumatomeAuger-ElektronenAbregung der metastabilen Atome an der Oberfläche; Auger-Effekt
(c) mrt, CC BY-SA 2.5
Rotations-Schwingungs-Spektrum von gasförmigem Chlorwasserstoff bei Raumtemperatur.
Schwingungs-Spektroskopie
MethodeErhaltene Informationeneingesetztes Teilchen/Welledetektierte Größe/Teilchen/Welleausgenutzter Effekt
Infrarotspektroskopie (IR)Spektrum, Schwingungsmoden von Adsorbaten (oft Kohlenmonoxid als Sonde)Infrarot-PhotonenInfrarot-PhotonenSchwingungsanregung von IR-aktiven Banden
RamanspektroskopieSpektrum, Schwingungsmoden von AdsorbatenVIS-, NIR-LaserRayleigh/Raman-Streuung (VIS, NIR)Schwingungsanregung von raman-aktiven Banden
Elektronenenergieverlustspektroskopie (EELS)SpektrumElektronenElektronenAnregung von Prozessen im Festkörper: Phononenanregung, Plasmonenanregung, Ionisation
Ionen-Spektroskopie
MethodeErhaltene Informationeneingesetztes Teilchen/Welledetektierte Größe/Teilchen/Welleausgenutzter Effekt
Ionen-Streu-Spektroskopie (ISS=LEIS)Molare Masse der Oberflächenatome auf der äußersten Lage (qualitativ)niederenergetische Ionen (oft positive Edelgas- oder Alkalimetallionen)gestreute Ionen mit einem MassenspektrometerElastische Streuung von Ionen an der Oberfläche, Energie- und Impulserhaltung
Sekundär-Ionen-Massenspektrometrie (SIMS)Molare Masse der Atome im Tiefenprofil der Oberfläche (quantitativ)Ionen (oft positive Edelgas- oder Metallionen)Cluster und Fragmente der Oberfläche, gestreute Ionen mit einem MassenspektrometerSputtern der Oberfläche
Rutherford Backscattering Spectrometry (RBS)Zusammensetzung der Oberflächehochenergetische Helium-Ionen
Nukleare Reaktions-Analyse (NRA)Zusammensetzung der Oberflächehochenergetische Ionen oder NeutronenZerfallsprodukte von KernreaktionenKernreaktionen
Sekundär-Neutralteilchen-Massenspektrometrie (SNMS)
Röntgenabsorptionsspektrum im Bereich einer Absorptionskante (schematisch). Die Kante ist durch einen Pfeil markiert, und der bei EXAFS untersuchte Energiebereich hellblau hinterlegt.
Röntgen-Absorptions-Spektroskopie (XAS)
MethodeErhaltene Informationeneingesetztes Teilchen/Welledetektierte Größe/Teilchen/Welleausgenutzter Effekt
(Surface) Extended X-Ray absorption Fine Structure ((S)EXAFS=XANES)Informationen über Nahordnung, Bindungslängen, Koordinationszahldurchstimmbere Röntgen-Photonen (Synchrotronstrahlung)Röntgen-PhotonenInterferenz von ursprünglichen Photoelektronen und an Nachbaratomen gestreuten Photoelektronen führen zu anderer Wahrscheinlichkeit für Photoelektrischen Effekt
X-Ray Absorption near edge Structure (XANES=NEXAFS)Informationen über Nahordnung, Elektronische Struktur, Oxidationszustanddurchstimmbere Röntgen-Photonen (Synchrotronstrahlung)Röntgen-Photonenwie EXAFS aber genauere Auflösung der in Absortionskantennähe
MößbauerspektroskopieZusammensetzung, Strukturinformationen, Oxidationszustände, PartikelgrößeGammastrahlung (meist aus )GammastrahlungMössbauereffekt, Dopplereffekt
Weitere Spektroskopiearten
MethodeErhaltene Informationeneingesetztes Teilchen/Welledetektierte Größe/Teilchen/Welleausgenutzter Effekt
Raster-Tunnel-Spektroskopie (STS)Zustandsdichte der Oberflächenregion im OrtsraumElektronen, Variation von Ort und TunnelspannungTunnelstromTunneleffekt

Beugung

MethodeErhaltene Informationeneingesetztes Teilchen/Welledetektierte Größe/Teilchen/Welleausgenutzter Effekt
Beugung niederenergetischer Elektronen (LEED)Oberflächenstruktur im reziproken Raum, Überstrukturen, 2D-Fernordnung muss vorhanden seinniederenergetische Elektronengebeugte ElektronenBeugung
Röntgenbeugung (XRD)Gitterstruktur des gesamten Festkörpers im reziproken Raum, 3D-Fernordnung muss vorhanden seinRöntgen-Photonengebeugte RöntgenstrahlungBeugung
MEEDMonolagen-Wachstum in Abhängigkeit von der Zeit, Fernordnung bei voller Monolage muss vorhanden seinElektronengebeugte ElektronenBeugung
Reflection high energy electron diffraction (RHEED)in-situ-Strukturanalyse während Deposition, Fernordnung muss vorhanden seinElektronenElektronenBeugung mit kleinem Glanzwinkel

Kinetische Methoden

MethodeErhaltene Informationeneingesetztes Teilchen/Welledetektierte Größe/Teilchen/Welleausgenutzter Effekt
Temperatur-programmierte Desorption (TPD)Ordnung der Desorptions-Kinetik, Anzahl Teilchen pro MonolageWärmeDesorbierte Oberflächen-TeilchenDesorption bei Temperaturerhöhung

Sorptive Methoden

MethodeErhaltene Informationeneingesetztes Teilchen/Welledetektierte Größe/Teilchen/Welleausgenutzter Effekt
BET-MessungGröße von OberflächenStickstoffAdsorptionAdsorption / Desorption bei Temperaturerhöhung
Chemisorptionaktive ZentrenWasserstoff, Sauerstoff, KohlenstoffmonoxidChemisorption, AdsorptionChemisorption, Desorption

Kombinationen

Bestimmte Strahlungsarten können mehrere Prozesse anregen, die für die jeweilige Methode Vor- und Nachteile bringen kann. Beispielsweise können bei Ionisation durch Röntgenstrahlung gleichzeitig Auger-Elektronen und Photoelektronen entstehen, die sich möglicherweise im Spektrum überlagern und so die Auswertung erschweren. Andererseits werden bei der TEM durch die zusätzliche Emission von Auger- und Photoelektronen, rückgestreute Elektronen, emittierte Partikel und EELS zusätzliche Informationen über die Probe in einer Apparatur gewonnen.

Die „Big Four“

Als die „Big Four“ (dt. »die großen Vier«) werden die Messmethoden XPS, AES, SIMS und ISS bezeichnet.

Nobelpreise für Entwicklungen in der Oberflächenchemie und Oberflächenphysik

Der Nobelpreisträger Gerhard Ertl gilt als Mitbegründer der modernen Oberflächenchemie
Jahr / FachgebietPersonNationalitätBegründung für die Preisvergabe
1932
Chemie
Irving LangmuirVereinigte Staaten 48 Vereinigte Staaten„für seine Entdeckungen und Forschungen im Bereich der Oberflächenchemie“
1937
Physik
Clinton Davisson und
George Paget Thomson
Vereinigte Staaten 48 Vereinigte Staaten
Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
„für ihre experimentelle Entdeckung der Beugung von Elektronen durch Kristalle“
1981
Physik
Kai Manne SiegbahnSchweden Schweden„für seinen Beitrag zur Entwicklung der hochauflösenden Elektronenspektroskopie
1986
Physik
Gerd Binnig und
Heinrich Rohrer
Deutschland Bundesrepublik BR Deutschland
Schweiz Schweiz
„für ihre Konstruktion des Rastertunnelmikroskops
2007
Chemie
Gerhard ErtlDeutschland Deutschland„für seine Studien von chemischen Verfahren auf festen Oberflächen“
2007
Physik
Albert Fert und
Peter Grünberg
Frankreich Frankreich
Deutschland Deutschland
„für die Entdeckung des Riesenmagnetwiderstands (GMR)“

Verwandte Themengebiete

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Thomas Waldmann, Daniela Künzel, Harry E. Hoster, Axel Groß, R. Jürgen Behm: Oxidation of an Organic Adlayer: A Bird’s Eye View. In: Journal of the American Chemical Society. Band 134, Nr. 21, 30. Mai 2012, S. 8817–8822, doi:10.1021/ja302593v.
  2. Oberflächenphysik des Festkörpers (Seite 101)

Bücher

  • G. Ertl, J. Küppers: Low Energy Electrons and Surface Chemistry. 2. Auflage. Verlag Chemie, Weinheim 1985, ISBN 3-527-26056-0.
  • G. Ertl: Reactions at Solid Surfaces. 1. Auflage. Wiley, New Jersey 2009, ISBN 978-0-470-26101-9.
  • Gábor A. Somorjai: Introduction to Surface Chemistry and Catalysis. Wiley, New York 1994, ISBN 0-471-03192-5 (englisch).

Artikel

  • Gerhard Ertl: Reaktionen an Oberflächen: vom Atomaren zum Komplexen (Nobel-Vortrag). In: Angewandte Chemie. Band 120, Nr. 19, 2008, S. 3578–3590, doi:10.1002/ange.200800480.
  • K. Köhler, C.W. Schläpfer: Koordinationschemie an Oxidoberflächen. In: Chemie in unserer Zeit. 27, Nr. 5, ISSN 0009-2851, 1993, S. 248–255.

Zeitschriften

  • Einführung in die Oberflächenchemie (englisch) (Queen Mary University of London)
  • Videodossier des Schweizer Fernsehens zum Thema Nanotechnologie (Memento vom 10. September 2010 im Internet Archive)
  • Oberflächenchemie in Reinform. tagesschau.de, archiviert vom Original am 12. Februar 2013; abgerufen am 11. April 2015.
  • Richard Feynman: There’s Plenty of Room at the Bottom Vortrag am Caltech, 1959.

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Röntgenabsorptionsspektrum nahe einer Absorptionskante. Die bei EXAFS und NEXAFS untersuchten Energiebereiche sind eingezeichnet.
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Rastertunnelmikroskopische Aufnahme einer Graphit-Oberfläche, gemessen bei Umgebungsbedingungen (Raumtemperatur, Luft). Zu sehen sind diejenigen Oberflächenatome, die kein unmittelbares Nachbaratom in der nächst unteren Graphitschicht besitzen. Gemessen in Sektion Kristallographie, Dept. Geo/Umwelt, LMU München.
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XPS-Spektrum von Magnetit (Fe3O4), Auftragung der Bindungsenergie der spektroskopierten Elektronen über die Intensität (Zählrate). Die Energieachse wurde auf das chemische Potenzial kalibriert und das Spektrum wurde mit einer monochromatisierten Al Kα-Röntgenquelle erzeugt.
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Image of surface reconstruction on a clean Gold (Au(100)) surface, as visualized using scanning tunneling microscopy. The individual atoms composing the material are visible. Surface reconstruction causes the surface atoms to deviate from the bulk crystal structure, and arrange in columns several atoms wide with regularly spaced pits between them.
Technical details: Atomically resolved STM image of clean Au(100). This image is made with hjjnh GBhh an Omicron Low Temperature STM and RHK Technology electronics by Erwin Rossen, Eindhoven University of Technology, 2006. Parameters: p<1e-11 mbar, T is 77 K, I_setpoint is 6 nA, V_bias is 1 mV, Au(100) surface is Ar sputtered (1,5 kV, 2uA, 30 minutes) and annealed (500°C, 30 minutes).
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Infrarot-Rotations-Schwingungsspektrum von gasförmigem Chlorwasserstoff bei Raumtemperatur. Erkennbar sind P- und R-Zweig des Schwingungsübergangs von v=0 zu v=1. Die intensiveren Banden stammen vom Isotopomer 1H-35Cl, die weniger intensiven vom schwereren Isotopomer 1H-37Cl bei kleineren Wellenzahlen.
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Feldionemikroskopbild einer Wolframspitze mit einem <110>-Pol in der Mitte
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This is a Nobel Prize winning example of doing more with less

First Scanning tunneling microscope IBM Research Zurich 1981 (Explanation from Deutsches Museum with wiki hyperlinks added by me)

The scanning tunneling microscope has given rise to new possibilities of investigating surfaces on the scale of individual atoms. Rather than "seeing" the atoms, the instrument "feels" them by scanning the surface line by line with a very sharp tip at a constant distance of a few atomic diameters. This distance is minimized in a feedback loop by the tunneling current tip and sample when a voltage is applied. The current is extremely dependent on the distance between tip and sample - the smaller the distance, the larger the current. Reducing the distance by only one-tenth of a nanometer (a millonth of a millimeter) increase the current tenfold. A tripod of piezoelectric rods allows very precise movement of the microscope tip in all directions. By applying and removing a voltage, these elements expand and shrink, between 0.1 and 10 picometers (a billionth of a millimeter) per millivolt.

The STM measurement results constitute a field of scanned lines from which a three-dimensional image of the surface can be obtained in millionfold magnification e.g. by computer image processing.

Since the breakthrough of the first STM in 1981, numerous further developments and variations quickly led to a wealth of new knowledge in quite diverse research areas. The STM principle is generally considered a key in nanotechnology owing to its capability to image surfaces and investigate their properties on the nanometer scale. and ultimately, even to change structures atom by atom. The first significant step in the latter direction was the controlled deposition of individual atoms in 1990.

The invention of the scanning tunneling microscope brought Gerd Binnig , a German, and Heinrich Rohrer, a Swiss, both from IBM Zurich Reasearch Laboratory, the physics Nobel prize in 1986.

en.wikipedia.org/wiki/Scanning_tunneling_microscope

See also: www.deutsches-museum-bonn.de/ausstellungen/meisterwerke/2...

i061706 120
Nacl3d.jpg
Autor/Urheber:

André Schirmeisen, Domenique Weiner

, Lizenz: PD-Schöpfungshöhe

Oberfläche von Natriumchlorid (Kochsalz) mit dem Rasterkraftmikroskop im Nicht-Kontakt-Modus aufgenommen im Ultrahochvakuum. Man sieht die einzelnen Atome als Erhebungen bzw. Vertiefungen im dieser 3-dimensionalen Darstellung. (Messung: Center for Nanotechnology (CeNTech), Universität Münster, Deutschland, Bildliche Darstellung mit Programm WSxM, http://www.nanotec.es)