Oberappellationsgericht Kassel

Das Oberappellationsgericht Kassel oder Oberappellationsgericht Cassel[1] war das Oberappellationsgericht der Landgrafschaft Hessen-Kassel bzw. des Kurfürstentum Hessens mit Sitz in Kassel.

Geschichte

Das Oberappellationsgericht im HRR

Mit der Oberappellationsgerichtsordnung (OAGO) vom 15. Februar 1746 wurde das Oberappellationsgericht Kassel als Oberappellationsgericht geschaffen. Es war zunächst zweite Instanz gegen die Entscheidungen der Regierungen in Kassel, Marburg und Rinteln. In Strafsachen war es nicht zuständig, hier war der Landesherr selbst Appellationsinstanz. 1807 ging das Kurfürstentum Hessen in den napoleonischen Kriegen unter und ging im neugeschaffenen Königreich Westphalen auf. Das Justizwesen im Königreich Westphalen brach mit den alten Strukturen. So wurde auch das Oberappellationsgericht abgeschafft. Als oberstes Gericht diente nun der Appellationshof Kassel (neben dem Kassationsgericht (Staatsrat)).

Das Oberappellationsgericht im Deutschen Bund

1813 wurde das Kurfürstentum Hessen wiederhergestellt. Damit verbunden war die Beseitigung der Institutionen des Königreichs Westphalens und die Wiederherstellung der alten Institutionen und Gesetze. Damit entstand das Oberappellationsgericht Kassel neu.

Mit Edikt vom 29. Juni 1821 wurden in Kurhessen Verwaltung und Justiz getrennt. Nun waren Justizämter für die erstinstanzliche Rechtsprechung zuständig, die Verwaltung wurde von Landkreisen übernommen. Als zweite Instanz wurden Obergerichte in Kassel, Marburg, Fulda, Hanau und Rinteln eingerichtet.[2] Ab dem 1. Februar 1849 bestand auch das Obergericht Rotenburg, verantwortlich für die zweitinstanzliche Rechtsprechung in den Verwaltungsbezirken Hersfeld und Schmalkalden.[3]

ProvinzObergerichtSitzBestehen[4]Anmerkung
Provinz FuldaObergericht für die Provinz FuldaFuldaseit 1821ab 1851: Obergericht Fulda
Provinz HanauObergericht für die Provinz HanauHanau1821–1851[5]
1864[6]–1867[7]
ab 1864: Obergericht Hanau
Provinz OberhessenObergericht für die Provinz OberhessenMarburg1821–1851[8]
1864[9]–1867[10]
ab 1864: Obergericht Marburg
Provinz NiederhessenObergericht für die Provinz NiederhessenKasselseit 1821ab 1851: Obergericht Kassel
Hersfeld und SchmalkaldenObergericht RotenburgRotenburg an der Fulda1849[11]–1851[12]
Grafschaft SchaumburgObergericht für die Grafschaft SchaumburgRintelnvor 1821[13]–1851[14]
1864[15]–1867[16]
ab 1864: Obergericht Rinteln

An der Spitze des kurhessischen Instanzenzugs stand das Oberappellationsgericht für die gesammten kurhessischen Lande mit Sitz in Kassel, kurz Oberappellationsgericht Kassel. Mit der Kurhessischen Verfassung vom 5. Januar 1831 (§ 100) erhielt das Gericht auch die Funktion eines Verfassungsgerichts. Für die Standesherren und die Prinzen des kurfürstlichen Hauses diente das Oberappellationsgericht in Strafsachen als Privilegierter Gerichtsstand und damit als Gericht erster Instanz. Auch war es Austrägalgericht. Neben der richterlichen Tätigkeit waren das Richterkollegium oder einzelne Richter auch als Gutachter zur juristischen Begutachtung von Gesetzesvorlagen tätig.

Die Zivilsenate des OAG bestanden ab 1821 aus 6 bis 8, der Kriminalsenat aus 3 bis 4 Räten. Das Gesetz vom 1. Juli 1831 über die Besetzung der Gerichte[17] legte fest, dass die Zivilsenate des OAG mit 8 bis 10 Räten und der Kriminalsenat mit 4 bis 5 Räten besetzt sein sollte. In Folge der Märzrevolution wurde das Gerichtswesen mit dem Gesetz vom 31. Oktober 1848 über die Einrichtung der Gerichte und der Staatsbehörden[18] neu geordnet. Diese Maßnahmen wurden jedoch nach dem Sieg der Reaktion durch das provisorische Gesetz vom 22. Juli 1851[19] weitgehend wieder zurückgenommen. Zum 1. November 1851 erfolgte auch ein Reduzierung der Obergerichte auf zwei (Obergericht Kassel und Obergericht Fulda). Das Gesetz vom 28. Oktober 1863[20] fasste die einzelnen Bestimmungen in Bezug auf die Rechtspflege zusammen und erhöhte die Zahl der Obergerichte wieder auf fünf.

Nach der Annexion Kurhessens durch Preußen 1866 wurde die Gerichtsstruktur der preußischen angegliedert. Für das Oberappellationsgericht war nun kein Platz mehr. Für die neuen preußischen Provinzen Schleswig-Holstein, Hannover, Hessen-Nassau und das Herzogtum Lauenburg und auch für die Fürstentümer Waldeck und Pyrmont wurde 1867[21] das Oberappellationsgericht zu Berlin gebildet. 1874 wurde dieses Gericht mit dem Preußischen Obertribunal vereinigt.

In Kassel wurde nun mit dem Appellationsgericht Kassel ein zweitinstanzliches Gericht geschaffen.

Gerichtsgebäude

Seit 1746 hatte das Gericht seinen Sitz im linken Flügel des Renthofs-Gebäudes.

Richter

Siehe auch Kategorie:Richter (Oberappellationsgericht Kassel)

Präsidenten des OAG Kassel

Vizepräsidenten

  • Justus H. von Motz

Richter Erster Klasse

Richter Zweiter Klasse

  • von Schleinitz
  • Bernhard Christian Duysing
  • Wilhelm Friedrich von Trott zu Solz
  • Ferdinand Heinrich Brandis[25]
  • Mackensen
  • Johannes Hassenpflug
  • Metting
  • Kies
  • Rosentreter
  • von Wille
  • Johann Philipp Nikolaus Engelhard[26]
  • Wilhelm Gotthelf Engelhard[27]
  • von Kruse
  • Hauß
  • Carl August Heinrich Kienitz[28]
  • von Wangerow

General-Prokurator: Conrad Christian Gossler[29]

Oberappellationsgerichtsräte

  • Wilhelm August von Meierfeld (1804–1814)
  • Wilhelm Wallrab Friedrich von Trott zu Solz (1804–1813)
  • Bernhard Christian Duysing (1804–1821)
  • Burckhard Wilhelm Pfeiffer (1821–)
  • Elard Johannes Kulenkamp (1822–1851)
  • Moritz von Baumbach (1825–1834)
  • Ludwig Hassenpflug (1831–)
  • Christian Philipp von Roques (1851–)
  • Christian Philipp von Roques (–1866)
  • Ernst Carl Ludwig Scheffer (–1866)
  • Christian Sigmund Klinkerfuss (–1866)
  • Conrad Göbell (–1866)
  • Albrecht Gustav Kraus (–1866)
  • Otto Neuber (–1866)
  • Otto Bähr
  • Emil Friedrich Rothe
  • Ernst Carl Moritz von Baumbach
  • Carl Reinhard Kaup
  • George Otto Gleim
  • Heinrich Robert Martin
  • Ludwig Büff (1859–1866)
  • Thomas Scheffer
  • Christian Friedrich Elvers (1841–1858)[30]

Literatur

  • Peter Kumme: Rechtsgeschichte Kassels des 19. und 20. Jahrhunderts; in: Georg Wannagat: Kassel als Stadt der Juristen (Juristinnen) und der Gerichte in ihrer tausendjährigen Geschichte, 1990, ISBN 978-3452218018, S. 63–141.
  • Eckhart G. Franz, Hanns Hubert Hofmann, Meinhard Schaab: Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im 19. und 20. Jahrhundert (= Behördliche Raumorganisation seit 1800. Grundstudie 14 = Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung. Beiträge 100). ARL, Hannover 1989, ISBN 3-88838-224-6, S. 194 ff.

Einzelnachweise

  1. Die zeitgenössische Schreibweise von Kassel war bis zur Rechtschreibreform 1901 "Cassel". Entsprechend wurden auch die Gerichtsnamen mit "C" geschrieben. Im Sinne der besseren Lesbarkeit ist im Text einheitlich die Schreibweise mit "K" gewählt
  2. Thomas Klein: Band 11: Hessen-Nassau, der Reihe: Walther Hubatsch: Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, 1979, ISBN 3-87969-126-6, S. 30–33.
  3. Georg Reinemund: Justizverhältnisse in Rotenburg von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Jahre 1967 online, in: Rund um den Alheimer, Band 2, Kapitel 4, Geschichtsverein Altkreis Rotenburg, Rotenburg an der Fulda, 1980, S. 42-51 (PDF; 2,1 MB)
  4. Gründung, soweit nicht anders vermerkt: §§ 41–46 Verordnung vom 29ten Juni 1821 die Umbildung der bisherigen Staatsverwaltung betreffend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 12 vom Juni 1821, S. 29–61 (39f).
  5. § 6 Provisorisches Gesetz vom 22ten Juli 1851, abändernde Bestimmungen über Organisation der Rechtspflege und das Verfahren in Strafsachen sowie in bürgerlichen Rechtsstreiten enthaltend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 18, Juli 1851, S. 59–72 (60) und Provisorisches Gesetz vom 22ten Juli 1851, abändernde Bestimmungen über Organisation der Rechtspflege und das Verfahren in Strafsachen sowie in bürgerlichen Rechtsstreiten enthaltend, Anhang. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 18, Juli 1851, S. 59–72 (72).
  6. §§ 10, 47 Gesetz vom 28ten October 1863, die Gerichtsverfassung betreffend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 10, Oktober 1863, S. 97–106 (99, 106).
  7. Verordnung über die Gerichtsverfassung in dem vormaligen Kurfürstenthum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen, mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf vom 26. Juni 1867. In: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten Nr. 64, S. 1085;
    Verfügung vom 8. August 1867, – betreffend die Einrichtung nach der Allerhöchsten Verordnung vom 26. Juni d. J. in dem vormaligen Kurfürstenthum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen, mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf, zu bildenden neuen Gerichte. In: Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege Nr. 31 vom 9. August 1867, S. 221.
  8. § 6 Provisorisches Gesetz vom 22ten Juli 1851, abändernde Bestimmungen über Organisation der Rechtspflege und das Verfahren in Strafsachen sowie in bürgerlichen Rechtsstreiten enthaltend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 18, Juli 1851, S. 59–72 (60)und Provisorisches Gesetz vom 22ten Juli 1851, abändernde Bestimmungen über Organisation der Rechtspflege und das Verfahren in Strafsachen sowie in bürgerlichen Rechtsstreiten enthaltend, Anhang. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 18, Juli 1851, S. 59–72 (72).
  9. §§ 10, 47 Gesetz vom 28ten October 1863, die Gerichtsverfassung betreffend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 10, Oktober 1863, S. 97–106 (99, 106).
  10. Verordnung über die Gerichtsverfassung in dem vormaligen Kurfürstenthum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen, mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf vom 26. Juni 1867. In: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten Nr. 64, S. 1085;
    Verfügung vom 8. August 1867, – betreffend die Einrichtung nach der Allerhöchsten Verordnung vom 26. Juni d. J. in dem vormaligen Kurfürstenthum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen, mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf, zu bildenden neuen Gerichte. In: Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege Nr. 31 vom 9. August 1867, S. 221.
  11. Heribert Reus: Gerichte und Gerichtsbezirke seit etwa 1816/1822 im Gebiete des heutigen Landes Hessen bis zum 1. Juli 1968. Hg.: Hessisches Ministerium der Justiz, Wiesbaden [1984], [ohne Seitenzählung], Abschnitt: Gerichte und Rechtspflege im Kurfürstentum Hessen.
  12. § 6 Provisorisches Gesetz vom 22ten Juli 1851, abändernde Bestimmungen über Organisation der Rechtspflege und das Verfahren in Strafsachen sowie in bürgerlichen Rechtsstreiten enthaltend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 18, Juli 1851, S. 59–72 (60)und Provisorisches Gesetz vom 22ten Juli 1851, abändernde Bestimmungen über Organisation der Rechtspflege und das Verfahren in Strafsachen sowie in bürgerlichen Rechtsstreiten enthaltend, Anhang. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 18, Juli 1851, S. 59–72 (72).
  13. § 47 Verordnung vom 29ten Juni 1821 die Umbildung der bisherigen Staatsverwaltung betreffend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 12 vom Juni 1821, S. 29–61 (40).
  14. § 6 Provisorisches Gesetz vom 22ten Juli 1851, abändernde Bestimmungen über Organisation der Rechtspflege und das Verfahren in Strafsachen sowie in bürgerlichen Rechtsstreiten enthaltend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 18, Juli 1851, S. 59–72 (60)und Provisorisches Gesetz vom 22ten Juli 1851, abändernde Bestimmungen über Organisation der Rechtspflege und das Verfahren in Strafsachen sowie in bürgerlichen Rechtsstreiten enthaltend, Anhang. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 18, Juli 1851, S. 59–72 (72).
  15. §§ 10, 47 Gesetz vom 28ten October 1863, die Gerichtsverfassung betreffend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 10, Oktober 1863, S. 97–106 (99, 106).
  16. Verordnung über die Gerichtsverfassung in dem vormaligen Kurfürstenthum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen, mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf vom 26. Juni 1867. In: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten Nr. 64, S. 1085;
    Verfügung vom 8. August 1867, – betreffend die Einrichtung nach der Allerhöchsten Verordnung vom 26. Juni d. J. in dem vormaligen Kurfürstenthum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen, mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf, zu bildenden neuen Gerichte. In: Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege Nr. 31 vom 9. August 1867, S. 221.
  17. GS 1831, S. 112 a
  18. GS 1848, S. 163
  19. GS 1851, S. 59
  20. GS 1863, S. 47 ff.
  21. Verordnung vom 27. Juni 1867, Preuß. GS 1867, S. 1103
  22. Biographie in: Georg Wannagat: Kassel als Stadt der Juristen (Juristinnen) und der Gerichte in ihrer tausendjährigen Geschichte, 1990, ISBN 978-3452218018, S. 379–380, Teildigitalisat
  23. Biographie in: Georg Wannagat: Kassel als Stadt der Juristen…, S. 415
  24. Biographie in: Georg Wannagat: Kassel als Stadt der Juristen…, S. 458
  25. Biographie findet sich bei: Rolf Straubel: Biographisches Handbuch …, S. 125
  26. Biographie in: Georg Wannagat: Kassel als Stadt der Juristen…, S. 400
  27. Biographie in: Georg Wannagat: Kassel als Stadt der Juristen…, S. 401
  28. Biographie findet sich bei: Rolf Straubel: Biographisches Handbuch …, S. 485–486
  29. Biographie findet sich bei: Rolf Straubel: Biographisches Handbuch …, S. 336–337
  30. Deutsche Biographie: Elvers, Christian Friedrich – Deutsche Biographie. Abgerufen am 29. Juni 2017.