Oberamt Riedlingen

Karte der württembergischen Oberämter, Stand 1926
Karte des Oberamts Riedlingen, Stand 1827

Das Oberamt Riedlingen war ein württembergischer Verwaltungsbezirk (auf beigefügter Karte #44), der 1934 in Kreis Riedlingen umbenannt wurde und 1938 größtenteils im Landkreis Saulgau aufging. Allgemeine Bemerkungen zu württembergischen Oberämtern siehe Oberamt (Württemberg).

Geschichte

Oberamt Riedlingen, Gebietsstand 1813, mit den früheren Herrschafts- und Ämtergrenzen
Legende

Im seit dem Mittelalter zum Einflussbereich der Habsburger zählenden Raum Riedlingen verteilte sich die Landeshoheit um 1800 auf viele Herren. Einzelne Orte, wie die Stadt selbst, standen unmittelbar unter österreichischer Hoheit, daneben gab es landständische Herrschaften, Gebiete von Reichsklöstern und Rittergüter. Mit der Säkularisation der Klöster begannen die Umwälzungen der napoleonischen Zeit. Das Herzogtum Württemberg erhielt 1803 vom Reichsdeputationshauptschluss die Klöster Zwiefalten und Heiligkreuztal zugesprochen und errichtete dort jeweils ein neuwürttembergisches Oberamt. Kloster Marchtal sowie Stadt und Stift Buchau fielen an das Haus Thurn und Taxis, das – im Gegensatz zu Württemberg – über beträchtlichen Altbesitz in der Region verfügte. 1805 brachte der Friede von Pressburg die vorderösterreichischen Territorien unter die Hoheit Württembergs, das sich im folgenden Jahr auch die per Rheinbundakte mediatisierten Besitzungen des Fürsten von Thurn und Taxis sowie einige Rittergüter einverleiben konnte. Dem 1807 gebildeten Oberamt Riedlingen gliederte man sogleich das kurzlebige Oberamt Heiligkreuztal und die ehemaligen Herrschaften Dürmentingen, Neufra, Grüningen und Wilflingen ein, dazu kam als einziger altwürttembergischer Ort Pflummern. Bis 1810 kamen von den Oberämtern Biberach und Zwiefalten weitere Orte hinzu.

Der von 1818 bis 1924 dem Donaukreis zugeordnete Bezirk grenzte an die württembergischen Oberämter Ehingen, Biberach, Münsingen, Waldsee und Saulgau sowie an das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen (ab 1850 preußischer Regierungsbezirk Sigmaringen). Er schloss zwei Enklaven ein: Nonnenweiler gehörte zum Oberamt Saulgau, Langenenslingen und Billafingen zu Hohenzollern. Der Ort Burgau war württembergisch-hohenzollerisches Kondominium.

Ehemalige Herrschaften

1813, nach Abschluss der Gebietsreform, setzte sich der Bezirk aus Bestandteilen zusammen, die im Jahr 1800 zu folgenden Herrschaften gehört hatten:

  • Vorderösterreich
    Zur Landvogtei Schwaben gehörte die Stadt Riedlingen mit den dem städtischen Gericht unterstellten Orten Möhringen, Aderzhofen und Erisdorf. Das Kloster Heiligkreuztal war vorderösterreichischer Landstand, sein Gebiet umfasste Andelfingen, Beuren, Binzwangen, Ertingen, Friedingen, Hundersingen und Waldhausen. Oggelshausen und Tiefenbach zählten zur unter österreichischer Lehns- und Landeshoheit stehenden Herrschaft Warthausen des Grafen von Stadion.
  • Herzogtum Württemberg
    Unter württembergischer Landeshoheit stand das an den Freiherrn von Schütz-Pflummern verliehene Dorf Pflummern.
  • Fürstenberg, Herrschaft Neufra: Neufra, Dietelhofen, Emerfeld, Uigendorf, Burgau zum Teil. Der andere Teil von Burgau gehörte zum Oberamt Ostrach der Reichsabtei Salem, fiel 1803 an Thurn und Taxis und 1806 an Hohenzollern-Sigmaringen.
  • Thurn und Taxis
    Das Fürstenhaus hatte im 18. Jahrhundert verschiedene Besitzkomplexe erworben:
    • Grafschaft Friedberg-Scheer, dazu gehörten Braunenweiler, Groß- und Kleintissen, Marbach,
    • Herrschaften Dürmentingen und Bussen, mit Altheim, Hailtingen, Offingen und Unlingen,
    • Herrschaft Göffingen und Heudorf.
  • Reichsstadt Buchau
  • Reichsabtei Marchtal: Alleshausen, Bischmannshausen, Dietershausen, Dieterskirch, Hausen, Ober- und Unterwachingen, Reutlingendorf, Sauggart, Uttenweiler.
  • Reichsabtei Zwiefalten: Bechingen, Daugendorf, Dürrenwaldstetten, Ittenhausen, Mörsingen, Upflamör, Zell.
  • Reichsstift Buchau: Betzenweiler, Dürnau, Kanzach, Kappel, Moosburg, Streitberg.
  • Reichsritterschaft
    Beim Ritterkanton Donau der schwäbischen Ritterschaft waren immatrikuliert:

Der zur Mitte des 18. Jahrhunderts rund 1100 ha große Federsee war Kondominium der drei Seeherrschaften Marchtal, Stadion-Warthausen und Stadt Buchau.

Gemeinden

Einwohnerzahlen 1827

Folgende Schultheißenämter bzw. Gemeinden waren 1828 dem Oberamt unterstellt:

Nr.frühere GemeindeEinwohner
evang.
1827
kath.
heutige Gemeinde
1Riedlingen191701Riedlingen
2Alleshausen mit Brasenberg566Alleshausen
3Altheim821Altheim
4Andelfingen715Langenenslingen
5Bechingen160Riedlingen
6Betzenweiler mit Bischmannshausen,
Brackenhofen, Moosburg, Wolfartsmühle
546Betzenweiler
7Beuren mit Dollhof9272Mengen
8Binswangen mit Landauhof656Ertingen
9Braunenweiler mit Michelshof
und Ziegelhof
1315Bad Saulgau
10Buchau
 
5
542 Juden
1182
 
Bad Buchau
 
11Daugendorf439Riedlingen
12Dietelhofen202Unlingen
13Dietershausen mit Dobel214Uttenweiler
14Dieterskirch168Uttenweiler
15Dürmentingen mit Fasanenhof
und Seelenhof
640Dürmentingen
16Dürnau1306Dürnau
17Dürrenwaldstetten mit Ohnhülben18125Langenenslingen
18Egelfingen107Langenenslingen
19Emerfeld159Langenenslingen
20Erisdorf324Ertingen
21Ertingen1704Ertingen
22Friedingen367Langenenslingen
23Göffingen210Unlingen
24Großtissen mit Kleintissen241Bad Saulgau
25Grüningen322Riedlingen
26Hailtingen332Dürmentingen
27Hausen159Hausen am Bussen
28Heiligkreuzthal10245Altheim
29Heudorf mit Burgau311Dürmentingen
30Hundersingen9767Herbertingen
31Ittenhausen mit Ensmad203Langenenslingen
32Kanzach mit Vollochmühle, Vollochhof344Kanzach
33Kappel mit Bruckhof119 Juden453Bad Buchau
34Marbach mit Stettberghof1492Herbertingen
35Möhringen mit Aderzhofen278Unlingen
36Mörsingen mit Upflamör295Zwiefalten
37Neufra596Riedlingen
38Oberwachingen mit Schupfenberg131Uttenweiler
39Offingen mit Bussen und Dentingen580Uttenweiler
40Oggelshausen451Oggelshausen
41Pflummern mit Teutschhof50334Riedlingen
42Reutlingendorf251Obermarchtal
43Sauggart298Uttenweiler
44Seekirch mit Oedenalen177Seekirch
45Tiefenbach mit Streitberg330Tiefenbach
46Uigendorf367Unlingen
47Unlingen963Unlingen
48Unterwachingen128Unterwachingen
49Uttenweiler mit Minderreuti1070Uttenweiler
50Waldhausen145Altheim
51Wilflingen381Langenenslingen
52Zell131Riedlingen
53Zwiefaltendorf352Riedlingen
Zusammen
 
576
661 Juden
22854
 
 

Änderungen im Gemeindebestand seit 1813

Gemeinden und Markungen um 1860

Nachdem die Verfassung von 1819 und das Verwaltungsedikt von 1822 die Grundlage für die kommunale Selbstverwaltung bereitet hatten, konstituierten sich aus den „Schultheißereien“ die Gemeinden im modernen Sinne. Dem Streben kleinerer Orte nach Selbständigkeit stand eine restriktive Auslegung der Verwaltungsvorschriften entgegen. Sinn der Bestimmung, dass eine Gemeinde mindestens 500 Einwohner haben solle, war es, eine Zersplitterung bestehender Gemeinden zu verhindern. Vor allem in den Oberämtern Münsingen und Riedlingen wurden aber, unter Verweis auf diese Regel, bislang getrennte Schultheißereien zu einer Gemeinde zusammengefasst, bis ein Erlass der Kreisregierung für Klarheit sorgte und diese Praxis beendete. Als Konsequenz wurden Bechingen, Dietershausen, Oberwachingen, Seekirch und Unterwachingen 1828 zu selbständigen Gemeinden erhoben.

  • 1834 wurde der Seelenhof von Dürmentingen nach Kanzach umgemeindet.
  • 1837 wurde Upflamör von Mörsingen getrennt und zur selbständigen Gemeinde erhoben.
  • 1842 wurden die Gemeinden Braunenweiler und Großtissen vom Oberamt Riedlingen zum Oberamt Saulgau versetzt.
  • 1856 wurde der Dollhof von Beuren nach Heiligkreuztal umgemeindet.
  • 1873 wurde Moosburg von Betzenweiler getrennt und zur selbständigen Gemeinde erhoben.
  • 1877 wurde der Henauhof, der bis etwa 1860 zu Buchau, dann zu Kappel gehört hatte, endgültig Buchau zugeteilt.
  • 1932 wurde Aderzhofen von Möhringen nach Offingen umgemeindet.
  • 1934 wurde Burgau (württembergischer Teil) von Heudorf nach Dürmentingen umgemeindet. (Erst 1969 erfolgte die Vereinigung der ehemals hohenzollerischen bzw. preußischen Gemeinde Burgau mit dem württembergischen Teil Burgaus als nunmehr gemeinsamer Ortsteil der Gemeinde Dürmentingen.)

Oberamtsgebäude

Das Oberamtsgebäude in Riedlingen (Haldenstraße 7) wurde im 1808 an der Stelle des 1740 abgebrochenen Rathauses errichtet. 1974 erfolgte eine Fassadeninstandsetzung. Es wird heute als Wasserwirtschaftsamt genutzt und war Geburtshaus der Malerin und Professorin Maria Caspar-Filser (1878–1968). Das zweigeschossige Haus hat einen quadratischen Grundriss und weist nach oben zwei Dachgeschossebenen unter einem Walmdach mit Schleppgauben auf. An der nordwestlichen und südöstlichen Seite befindet sich jeweils ein Zwerchhaus. Es steht aus wissenschaftlichen und heimatgeschichtlichen Gründen gemäß § 28 DSchG als Kulturdenkmal unter Denkmalschutz.[1]

Amtsvorsteher

  • 1809–1810: Johann Franz von Hirrlinger (1770–?) als Amtsverweser
  • 1810–1810: Joseph von Steinkühl (?)
  • 1810–1811: Ernst Friedrich Märklin (1771–1834)
  • 1811–1826: Georg Fidel Bäuerle (1775–1847)
  • 1826–1850: Karl Hieronimus Friedrich von Lang (1792–?)
  • 1850–1853: August Ludwig Vogel (1812–?)
  • 1853–1857: Nonus von Bailer (1820–1892)
  • 1858–1864: Oswald Bockmayer (1820–1869)
  • 1864–1870: Andreas Rath (1823–1894)
  • 1870–1888: Karl Schnitzler (1823–1893)
  • 1888–1899: Max Theodor Fischer (1837–1899)
  • 1899–1914: Josef Baur (1857–1927)
  • 1914–1921: Ernst Robert Heinrich Wiegandt (1856–1926)
  • 1921–1925: Hugo Hodrus (1875–1925)
  • 1925–1926: Karl Götz (1875–1935)
  • 1926–1932: Alfred Chormann (1882–1957)
  • 1932–1937: Josef Kuhnle (1892–?)

Literatur

  • Wolfram Angerbauer (Red.): Die Amtsvorsteher der Oberämter, Bezirksämter und Landratsämter in Baden-Württemberg 1810 bis 1972. Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der Kreisarchive beim Landkreistag Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart 1996, ISBN 3-8062-1213-9.
  • Württ. Statist. Landesamt (Hrsg.): Beschreibung des Oberamts Riedlingen. 2. Bearbeitung. W. Kohlhammer, Stuttgart 1923 (archive.org).
  • Johann Daniel Georg von Memminger (Hrsg.): Beschreibung des Oberamts Riedlingen (= Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen 1824–1886. Band 4). Cotta’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart / Tübingen 1827 (Volltext [Wikisource]). – Reprint Bissinger, Magstadt 1972, ISBN 3-7644-0004-8.

Weblinks

Commons: Oberamt Riedlingen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Denkmalpflegerischer Werteplan Gesamtanlage Riedlingen, Regierungspräsidium Tübingen, Referat Denkmalpfle, 2011 (PDF; 2,8 MB)

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Württemberg, Karte der Verwaltungsgliederung (Oberämter), Stand 1927. Zuordnung der Zahlen zu Oberämtern siehe hier.