Nunquam retrorsum
Nunquam retrorsum (lateinisch für Niemals zurück) ist ein Wahlspruch des Welfenhauses. Seine Verwendung ist seit dem 18. Jahrhundert belegt.
Wahlspruch der Welfen in Niedersachsen
Der Wahlspruch „Nunquam retrorsum“ verbindet sich in Deutschland und dem Vereinigten Königreich mit dem Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg und stand neben dessen eigentlichem und älterem Wahlspruch „Nec aspera terrent“ (lateinisch für Auch Widrigkeiten schrecken nicht)[1] und dem durch die Personalunion bedingten „Honi soit qui mal y pense“ des Hosenbandordens.[2]
Als persönlicher Wahlspruch ist „Nunquam retrorsum“ im 18. Jahrhundert für Herzog Karl von Braunschweig-Bevern aus einer Nebenlinie des Hauses Braunschweig-Wolfenbüttel belegt.[3] Nach der Konvention von Artlenburg (1803) und im Zuge der Befreiungskriege gewann das markigere „Nunquam retrorsum“ an Bedeutung und verdrängte im Gebrauch zeitweise den älteren Wahlspruch. So trug ihn z. B. das Braunschweigische Leibbataillon,[4] das im Juni 1815 an den Schlachten bei Quatre-Bras und Waterloo teilnahm, an seiner Ausrüstung.[5]
Das aus dem Kurfürstentum hervorgegangene Königreich Hannover übernahm den Wahlspruch „Nunquam retrorsum“ in sein Staatswappen. Auch bei Stiftung des St. Georgs-Ordens 1839 wurde er als Ordensdevise gewählt. Der letzte König von Hannover Georg V. wählte „Nunquam retrorsum“ ebenfalls als persönlichen Wahlspruch. Im Hof- und Staatshandbuch für das Königreich Hannover für 1853 erscheint die Devise erstmals als Umschrift zur Staatsflagge. Auch in der Hannoverschen Armee galt der Wahlspruch bis zur Schlacht bei Langensalza am 27. Juni 1866 als Devise und wurde seit dem Untergang des Königreichs am 29. Juni 1866 oft als Devise der Veteranenverbände und welfisch gesinnter Kreise verwendet.
Weitere Verwendungen der Devise
Während seines Aufenthalts auf Helgoland (11. August bis 5. September 1841) schrieb August Heinrich Hoffmann von Fallersleben nicht nur am 26. August das Lied der Deutschen, sondern auch am folgenden Tag zur Melodie des Studentenliedes „Wir hatten gebauet ein stattliches Haus“ das kämpferische Gedicht „Wir haben’s geschworen“.[6] Veröffentlicht wurde es zuerst in der 1843 ohne jede Namensnennung in der Schweiz herausgebrachten Sammlung Deutsche Lieder aus der Schweiz unter dem Titel Nunquam retrorsum![7]
Das 1869 aufgestellte franco-kanadische Regiment Les Fusiliers Mont-Royal hat „Nunquam retrorsum“ um 1878 zu seiner Devise gemacht.[8] Auch die 1688 gegründete Stadt New Rochelle im amerikanischen Bundesstaat New York führt das Motto „Nunquam retrorsum“ in ihrem Siegel.
Verwendung bei Studentenverbindungen
Das Corps Hannovera Göttingen führt den Wahlspruch als damaliges hannöversches Landescorps an der Georg-August-Universität seit seiner Gründung 1809. Auch auf Stammbuchblättern der vorgehenden Hannoverschen Landsmannschaft findet sich der Eintrag „Nunquam retrorsum“ oder die entsprechende Abkürzung „N.R.“, zuweilen gleichberechtigt mit dem älteren „Nec aspera terrent“.[9] Ebenso übernahm das 1810 gegründete Corps Hannovera Heidelberg die Devise. Auf der Rückseite des abgebildeten Pfeifenkopfs von 1811 befindet sich eine Mitgliederliste mit 31 Namen der Jahre 1810/11.[10] 1848 wurde der Wahlspruch des Göttinger Corps um den Wahlspruch des Corps Hanseatia Göttingen zu „Nunquam retrorsum, fortes fortuna adiuvat!“ (lateinisch für „Niemals zurück, den Tapferen hilft das Glück!“) ergänzt.
Später übernahmen andere Studentenverbindungen „Nunquam retrorsum“ auch ohne erkennbaren welfischen Bezug als ihren Wahl- oder Waffenspruch.[11]
Abwandlungen
Das Motto wurde später auch in der abgewandelten Form Nunquam retrorsum, semper prorsum! (Niemals zurück, immer nur vorwärts!) verwendet. So z. B. von Ernst Jünger in seinem 1920 erschienenen autobiografischen Werk In Stahlgewittern[12] und bei einigen studentischen Verbindungen.[13]
Die umgestellte Version Semper prorsum, nunquam retrorsum! mit der eigenwilligen Übertragung „Immer nützlich sein, niemals verharren!“ verwendete der in Hannover ansässige Reifenhersteller Continental in den 1920er Jahren als Werbeslogan.[14]
Literatur
- Rudolf Eckart: Wahlsprüche, Devisen und Sinnsprüche der Welfenfürsten, Hannover 1901.
- Otto Elster: Nunquam retrorsum. Ein Rückblick auf die Geschichte der braunschweigischen Truppen, insbesondere des herzoglich braunschweigischen Infanterie-Regiments, bei Gelegenheit des 75jährigen Bestehens des Füsilier-(Leib-)Bataillons. Wagner, Braunschweig 1884.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Wahlspruch auf den Fahnen der chur-braunschweig-lüneburgischen Armee und auf dem Spruchband des braunschweigischen Landeswappens, zeno.org aus Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 251.
- ↑ Rudolf Eckert: Wahlsprüche, Devisen...
- ↑ Rudolf Eckert: Wahlsprüche, Devisen...
- ↑ Otto von Pivka: Brunswick Troops 1809–15. Osprey, Men-at-Arms Series, ISBN 0-85045-613-4, S. 37 und 40.
- ↑ Otto von Pivka: The Black Brunswickers. Osprey, Men-at-Arms Series, ISBN 0-85045-146-9, S. 36.
- ↑ Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben. Dritter Band. Hannover 1868. S. 211 books.google
- ↑ Deutsche Lieder aus der Schweiz. Verl. d. literarischen Comptoirs Zürich/Winterthur 1843. S. 237digitale-sammlungen.de; zeno.org
- ↑ Devise der Fusiliers Mont-Royal, PDF-Datei, Archivlink abgerufen am 11. Oktober 2022
- ↑ Franz Stadtmüller: Geschichte des Corps Hannovera zu Göttingen 1809–1959. Göttingen 1963, S. 24 unter Hinweis auf Unterlagen Wilhelm Fabricius (Historiker, 1857) und das Stammbuch des stud. theol. Georg Samuel Meyer (Eintragungszeitraum 1801–1803)
- ↑ Der Pfeifenkopf befindet sich seit den 1920ern im Archiv des Corps Hannovera Göttingen; Abbildung der Rückseite bei corpsarchive.de
- ↑ So beispielsweise das Corps Rhenania Bonn (1820), die Greifswalder Burschenschaft Rugia (1856), das Corps Transrhenania München (wohl 1877), das Corps Saxonia Freiburg (1896), die Landsmannschaft Thuringia München (1898) und der KDStV Moeno-Franconia Frankfurt am Main (1955); als „Nusquam retrorsum!“ das Akademische Corps Teutonia zu Graz (1863)
- ↑ Portraitfoto Jüngers mit Devise
- ↑ KDStV Saxo-Silesia Hannover
- ↑ Frühe Werbung: Im Westen was Neues. In: Spiegel Online, 4. September 2009.
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Porzellanpfeifenkopf des Corps Hannovera Heidelberg aus dem Jahr 1811 mit dem Schlägerwappen in den Farben der Korbschläger rot-blau und dem Wahlspruch "Nunquam retrorsum". Oben mittig der Zirkel. Studentenwappen halten sich nicht unbedingt an die Regeln der Heraldik. Das Feldgeschrei steht hier unten und der Wappenspruch oben.
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Steckstern unbekannter Herkunft mit Devise „Nunquam retrorsum“.
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Wappen vom Königreich Hannover und Haus Hannover in 1837.