North American X-15

North American X-15
X-15
TypHöhen- und Hochgeschwindigkeits-Forschungsflugzeug
Entwurfsland

Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten

HerstellerNorth American
Erstflug8. Juni 1959 (ohne Antrieb)[1]
17. September 1959 (mit Antrieb)
IndienststellungMärz 1959 (Beginn der Tests)
Produktionszeit

keine Serienproduktion

Stückzahl3
Pilot Neil Armstrong mit X-15 (1960)
Cockpit der North American X-15A-2
X-15A-2 mit ablativem Hitzeschutz und Zusatztanks
X-15 während eines Testfluges

Das US-amerikanische Testflugzeug X-15 war ein raketengetriebenes Experimentalflugzeug für Höhen- und Hochgeschwindigkeitsflüge. Das Unternehmen North American Aviation (NAA) baute drei Exemplare dieses Musters. Bereits in den 1960er Jahren wurden mit dieser Maschine Rekorde für bemannte Flugzeuge aufgestellt. Es wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 7274 km/h (Mach 6,72) und eine Flughöhe von 107,96 km erreicht. Die gesammelten Daten dienten dem US-Raumfahrtprogramm wie etwa dem Apollo-Programm. Höhere Geschwindigkeiten und Höhen bemannter Flugzeuge wurden erst mit dem Space Shuttle ab 1981 erreicht.

Konstruktion

Das einsitzige Flugzeug hatte eine Reihe technischer Besonderheiten, um den extremen Flugbedingungen gerecht zu werden. Die Struktur bestand aus Titan und Stahl mit einer Außenhaut aus Inconel-X, welches Temperaturen von bis zu 650 °C standhält. Der Grund dafür war, dass die Temperaturbeständigkeit ein größeres Problem als der Leichtbau darstellte. Das Flugzeug wurde aus der Luft von einem umgebauten B-52-Bomber der NASA gestartet und landete auf seinem eigenen Fahrwerk. Neben den aerodynamischen Flächen zur Steuerung in der Erdatmosphäre war auch ein Reaction-Control-System eingebaut, um Manövrierfähigkeit außerhalb der Atmosphäre zu ermöglichen.

In knapp 3 Minuten verbrauchte das regelbare Thiokol-Einkammer-Flüssigkeitsraketentriebwerk XLR99-RM2 von Reaction Motors (Schubkraft: 254 kN (57.000 lbf) auf Meereshöhe, 311 kN (70.000 lbf) auf Gipfelhöhe) der X-15A-2 etwa 15 Tonnen Raketentreibstoff. Dieser Treibstoff bestand aus Ammoniak und flüssigem Sauerstoff sowie aus Wasserstoffperoxid zum Antrieb der Hochleistungsturbopumpen, die diesen Treibstoff in die Brennkammer pressten. Das Raketenflugzeug legte dabei bei einem typischen Testflug eine Strecke von 450 km zurück. Die Belastungsgrenzen lagen bei −3,0 und +7,33 g.

Für die schnellsten Flüge wurden Zusatztanks und ein pinker ablativer Hitzeschutz aufgetragen. Um der enormen thermischen Ausdehnung von 74 cm über die gesamte Länge des Flugzeugs standzuhalten war dieses Material in der Konsistenz ähnlich dem Material für Radiergummis. Dieses chemisch reaktive Material wurde, um unerwünschten Kontakt mit Flüssigsauerstoff zu vermeiden, mit einer weißen Schutzschicht überstrichen.[2]

Das Heckfahrwerk wurde wegen Platzmangel und zur Gewichtsreduzierung in Form von Kufen ausgeführt. Ansonsten gleicht die Bauweise des Flugkörpers in vielen Punkten der deutschen A9, einer bemannten Ausgabe der A4, was auch nicht weiter verwundert, weil die X-15 auf dem von Walter Dornberger für die NACA erarbeiteten Konzept eines Hyperschallforschungsflugzeuges basiert. Walter Dornberger war der militärische Leiter des Peenemünder V-2-Programms.[3]

Geschichte

Entwicklung und Bau

Nachdem das „Research Airplane Committee“ am 30. Dezember 1954 zwölf Flugzeugherstellern das Projekt vorstellte, konnten bis zum 9. Mai 1955 vier Firmen – die Bell Aircraft Corporation, Republic Aviation Company, North American Aviation und Douglas – ihre Entwürfe für die drei Exemplare vorlegen. Am 6. Dezember 1955 wurde der Auftrag an die North American Aviation vergeben, obwohl deren Entwurf mit Abstand teurer war als die der anderen Hersteller. Ein Grund, warum man sich für NAA entschied, war, dass diese nicht die Magnesiumlegierung Elektron, sondern die Nickelbasislegierung Inconel-X für die Außenhaut nutzen wollten. Im September 1956 begann NAA mit dem Bau der drei Exemplare. Im Dezember desselben Jahres wurde der erste Mock-up fertiggestellt.[3]

Testflüge

Am 15. Oktober 1958 erfolgte der Rollout des ersten Exemplars. Am 10. März 1959 wurde der erste Testflug unternommen, jedoch noch ohne Trennung vom Trägerflugzeug. Als solches kamen eine umgebaute B-52A und B-52B zum Einsatz, die nach ihrer Modifikation NB-52A beziehungsweise NB-52B hießen. Am 8. Juni desselben Jahres wurde mit dem ersten triebwerkslosen Exemplar der erste Gleitflug durchgeführt. Am 17. September 1959 flog die zweite X-15 erstmals mit Raketenantrieb, jedoch zunächst noch mit zwei Stück des schwächeren Triebwerks Reaction Motors XLR-11, dennoch erreichte sie eine Geschwindigkeit von 2242 km/h.

Im Sommer des darauf folgenden Jahres wurde die X-15 Nr. 3 umgerüstet, das Einzeltriebwerk Reaction Motors XLR99 wurde eingebaut, so dass das Flugzeug mit Geschwindigkeiten fliegen konnte, die höher waren als Mach 4. Nach der Umrüstung der X-15 Nr. 3 folgten wenig später auch die ersten zwei Versionen. Am 15. November 1960 folgte der erste Flug mit der modifizierten X-15.

Nachdem es am 9. November 1962 bei dem zweiten Exemplar infolge eines Triebwerksschadens zu einer Bruchlandung kam, entschied man sich, die X-15 Nr. 2 zu der größeren X-15A-2 umzubauen, welche unter anderem 67 Zentimeter länger und aufgrund der zwei zusätzlichen abwerfbaren Außentanks auch wesentlich schwerer war. Im Juni 1964 erfolgte der erste Flug mit der X-15A-2.

Mit ihr stellte William John Knight am 3. Oktober 1967 (mit XLR-99) einen Geschwindigkeitsrekord auf: ungefähr 7275 km/h in einer Höhe von 31,1 km. Der Testflug musste allerdings abgebrochen werden und endete mit einer Notlandung. Der Höhenrekord der X-15 wurde allerdings schon am 19. Juli 1963 mit der X-15 Nr. 3 geflogen. Er betrug 107.960 Meter und erreichte somit per Definition den Weltraum.

Am 15. November 1967 verlor das dritte Exemplar der X-15 beim Wiedereintritt aus ungefähr 80 km Höhe die Längsstabilität und zerbrach unter den aerodynamischen Kräften, die bei ± 15 g lagen, deutlich mehr, als die X-15 aushielt. Der Pilot, Major Michael Adams, kam dabei ums Leben. Es war der 191. Flug einer X-15.

Der letzte Flug einer X-15 fand am 24. Oktober 1968 mit dem ersten Exemplar statt. Insgesamt wurden 199 Flüge durchgeführt.

Die beiden verbliebenen Maschinen sind im Smithsonian Air and Space Museum in Washington DC und im United States Air Force Museum in Dayton, Ohio ausgestellt.

Insgesamt kostete das Projekt, Hard- und Softwarekosten zusammengerechnet, 300 Millionen US-Dollar. Eine von NAA vorgeschlagene weiterentwickelte Version X-15-3 mit Deltaflügeln und Staustrahlantrieb wurde nicht realisiert.[3]

Piloten

PilotOrganisationFlügeWeltraumflüge nach
USAF-Definition
Weltraumflüge nach
FAI-Definition
Max. Geschwindigkeit
(km/h)
Max. Mach-ZahlMax. Höhe (km)
Michael J. AdamsUS Air Force7106.1515,5980,95
Neil ArmstrongNASA7006.4195,7463,09
Scott CrossfieldNorth American Aviation14003.1532,9724,62
Bill DanaNASA16206.2725,5393,50
Joe EngleUS Air Force16306.2565,7185,46
William John KnightUS Air Force16107.2746,7285,46
John B. McKayNASA29106.2175,6589,96
Forrest S. PetersenUS Navy5005.7945,3030,90
Robert A. RushworthUS Air Force34106.4656,0686,74
Milt ThompsonNASA14005.9925,4864,37
Joe WalkerNASA25326.6055,92107,96
Robert Michael White*US Air Force16106.5856,0495,92
Während des Fluges verunglückt; * Als Ersatz für Iven Kincheloe

Raumfahrerstatus

Nach Definition der US Air Force acht Raumfahrer

Pete Knight vor einer X-15 (1967)

Vom 17. Juli 1962 bis zum 21. August 1968 wurde bei 13 Flügen eine Höhe von über 50 Meilen (ungefähr 80 Kilometern) erreicht. Nach Definition der US Air Force beginnt dort der Weltraum, so dass die acht Piloten dieser Flüge als Raumfahrer galten. Die fünf militärischen Piloten Robert Michael White, Robert A. Rushworth, Joe Engle, William John Knight und Michael J. Adams erhielten von der US Air Force hierfür Astronautenschwingen als Auszeichnung. Für die drei zivilen Piloten wurde dies erst am 24. August 2005 nachgeholt. Bill Dana nahm die Auszeichnung selbst in Empfang, die verstorbenen Piloten Joe Walker und John B. McKay wurden durch Angehörige vertreten.

Nach internationaler Definition nur ein Raumfahrer

Nach Definition der Fédération Aéronautique Internationale (FAI) liegt die Grenze zum Weltraum bei 100 km. Nur zwei der X-15-Flüge überschritten diese Grenze: Flug 90 am 19. Juli 1963 mit 106.010 m und Flug 91 am 22. August 1963 mit 107.960 m. Beide Male war der Pilot Joe Walker, so dass er, nach internationaler Definition, der einzige Pilot war, der mit der X-15 den Weltraum erreichte.

Zwei weitere Piloten wurden später Raumfahrer

Die X-15-Piloten Neil Armstrong und Joe Engle wechselten später zum Raumfahrtprogramm der NASA und erreichten dort Raumfahrerstatus. Armstrong betrat als erster Mensch den Mond, Engle kommandierte zwei Flüge des Space Shuttle.

Technische Daten

Risszeichnung
Die drei gebauten Exemplare der X-15; links Draufsicht der X-15A2
KenngrößeDaten
Besatzung1
Länge15,24 m
Spannweite6,71 m
Höhe4,12 m
Flügelfläche18,58 m²
Flügelstreckung2,4
Leermasse(X-15) 5.160 kg, (X-15A-2) 8.320 kg (Version mit Außentanks)
Startmasse(X-15) 14.190 kg, (X-15A-2) 25.460 kg (Version mit Außentank)
Höchstgeschwindigkeit7.274 km/h (Mach 6,72)
Reichweite450 km (ballistische Flugbahn)
Triebwerkeein Flüssigraketentriebwerk Reaction Motors XLR99, regelbar
FahrwerkBugrad und Heckkufen

Siehe auch

Literatur

  • Dennis R. Jenkins: X-15: Extending the Frontiers of Flight (PDF; 28 MB), NASA Aeronautics E-Books, 2009
  • John Anderson, Richard Passman: X-15: The World’s Fastest Rocket Plane and the Pilots Who Ushered in the Space Age, Zenith Press, 2014, ISBN 978-0-7603-4445-3.

Weblinks

Commons: North American X-15 – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Beschreibung auf history.nasa.gov S. 21. (PDF; 1,2 MB) Abgerufen am 11. Februar 2013.
  2. X-15 ECN-1736: X-15A-2 with full-scale ablative coating (pink X-15) in Building 4821. Abgerufen am 14. November 2021.
  3. a b c Ferdinand C. W. Käsmann: Die schnellsten Jets der Welt. In: Weltrekord-Flugzeuge. Band 2. Aviatic Verlag, Planegg 1994, ISBN 3-925505-26-1, Kapitel X-15, X-15A-2, S. 105–106.

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X-15A2 NB-52B 3.jpg
After receiving a full scale ablative coating to protect the craft from the high temperatures associated with high-Mach-number supersonic flight, the X-15A-2 (56-6671) rocket powered research aircraft was then covered with a white sealant coat and mounted with additional external fuel tanks. This ablative coating and sealant would help the #2 aircraft reach the record speed of 4,520 mph (Mach 6.7). Under the lower fin is a dummy ramjet engine. It was intended to use the X-15A-2 for tests of an actual engine but this never happened.
Pete Knight by X15 19671003.jpg
Pete Knight with an X15A-2.
On Oct. 3, 1967, Maj. William "Pete" Knight flew the modified X-15A-2 to its maximum speed of Mach 6.7 or 4,520 mph, a speed which remains the fastest anyone has ever flown an aircraft.
X-15 in flight.jpg
The X-15 #2 (56-6671) launches away from the B-52 mothership with its rocket engine ignited. The white patches near the middle of the ship are frost from the liquid oxygen used in the propulsion system, although very cold liquid nitrogen was also used to cool the payload bay, cockpit, windshields, and nose.
X 15 2.jpg
Autor/Urheber: B. Huber, Lizenz: CC BY-SA 2.5
Die drei gebauten X-15.
Pilot Neil Armstrong and X-15 -1 - GPN-2000-000121.jpg
Neil Armstrong am 9. Dezember 1960 als Testpilot am Dryden Flight Research Center nach seinem zweiten X-15-Flug. Sein erster Flug mit der Maschine war am 30. November 1960. Bei diesem Flug mit der Kugelspitze wurden Luftgeschwindigkeit und Strömungswinkel bei Überschall- und Hyperschallgeschwindigkeit genau gemessen. Die servogesteuerte Kugelnase ist auf diesem Foto vor Armstrongs rechter Hand zu sehen. Beim Flug wurde ein nicht standardmäßiges Fahrwerk verwendet. Die Maschine hatte ein Bugfahrwerk mit einem Rad, aber als Hauptfahrwerk waren am Heck Kufen montiert.
Auf dem Foto sind die linke Kufe sowie Spuren der Kufen auf dem Boden zu sehen. Mit Kufen konnte das raketengetriebene Flugzeug nur auf einem trockenen Salzsee landen, nicht auf einer Betonpiste.
North American X-15.jpg
The North American X-15 aircraft, ship #1 (56-6670), sits on the lakebed early in its illustrious career of high speed flight research. X-15-1, serial number 56-6670, is now located at the National Air and Space museum, Washington DC.
North American X-15 3-view.svg
3-view drawing of North American X-15 experimental rocket-powered aircraft