Nikolaus Wyrwoll

Nikolaus Wyrwoll (2014)

Nikolaus Wyrwoll (eigentlich Klaus[1] Wyrwoll, * 31. August 1938 in Beuthen, Provinz Oberschlesien) ist ein deutscher römisch-katholischer Geistlicher, dem die Ökumene und würdige Gestaltung der Gottesdienste ständige Anliegen sind.[2]

Leben

Jugendzeit

Wyrwoll ist das erste von sieben Kindern des Studienrats Johannes Wyrwoll und Erika geb. Grund. Nach kurzer Kindheit im oberschlesischen Beuthen (heute Bytom) und Flucht vor der Ostfront über Neisse/O.S. 1945 nach Köppernig, kam er im Juni 1946 mit seiner Großfamilie durch die Vertreibung nach Wunstorf bei Hannover. Er war dort Ministrant in der katholischen Diasporagemeinde St. Bonifatius, 1952 Mitbegründer des Pfadfinderstammes St. Bonifatius der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) und später auch Pfarrjugendführer.[3]

Nach dem Abitur Ostern 1957 am Hölty-Gymnasium trat er als Offizieranwärter in die Bundeswehr ein. Wegen einer Erkrankung beendete er das Dienstverhältnis nach wenigen Wochen und wurde Priesteramtskandidat.

Studium, Priesterweihe und Promotion

Prälat Mons. Dr. Nikolaus Wyrwoll in den Farben der KDStV Alemannia Greifswald und Münster

Wyrwoll trat 1957 zusammen mit seinem Klassenkameraden Peter Knust in die Benediktinerabtei Gerleve bei Münster ein. Er studierte zunächst in Münster, wo er dem Beispiel seines Vaters folgend der KDStV Alemannia Greifswald und Münster beitrat. Vom Bischof in Hildesheim nach Rom entsandt, wechselte er im selben Jahr in das Priesterseminar Collegium Germanicum et Hungaricum und studierte bis 1965 an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Als Seminarist erreichte er mit einem gemeinsamen Schreiben mit Albert Rauch, dass der Vatikan nicht mehr die Ablegung des Antimodernisteneides von orthodoxen Priesteramtskandidaten forderte. Damit war ein Hindernis für ihr Studium der kath. Theologiestudium in Deutschland beseitigt. In Konsequenz folgte die Einrichtung des Ostkirchlichen Instituts in Regensburg (OKI).

In Rom wurde er am 7. April 1962 zum Diakon geweiht, die Priesterweihe empfing er dort am 7. Oktober 1962.

Ein Promotionsstudium schloss sich an. Die 1965 vorgelegte Dissertation wurde aufgrund ihrer bleibenden Aktualität 45 Jahre später als Buch veröffentlicht[4] und positiv rezensiert.[5]

Als „Germaniker“ des Collegium Germanicum et Hungaricum war er Teilnehmer an zahlreichen Germaniker-Treffen. Die Herausgabe des „Katalogs des Pontificium Collegium Germanicum Hungaricum“, dem jährlich erscheinenden Verzeichnis aller Studenten des Kollegs, den er zusammen mit Wilhelm Ott bearbeitete, verantwortete er bis zur Ausgabe 2014.

Wirken in Pfarrgemeinden

Seine Kaplanszeit absolvierte er 1965 an der St.-Marien-Kirche in Rehburg-Loccum und St. Peter und Paul in Neustadt, 1966–1969 an St. Elisabeth in Hildesheim und schließlich 1969 an St. Joseph in Bevensen.

In Göttingen war er von 1986 bis 1990 als Pfarrer an der St.-Paulus-Kirche und Dechant.[6]

Mitwirkung in übergeordneten Einrichtungen

1969 bis 1976 war er Geistlicher Leiter und Dozent der Katholischen Akademie Jakobushaus in Goslar (und zeitweise zeitgleich Pfarrer von Grauhof).[7]

Danach wurde er stellvertretender Leiter des OKI. Dadurch lernte er zahlreiche orthodoxe Priesteramtskandidaten kennen. Zu vielen von diesen, die zwischenzeitlich hohe Ämter in ihren Kirchen und Klöstern bekleiden, hegt er gute Verbindungen. Den Priester Kyrill, heute Metropoliten Kyrill I., lernte er 1978 kennen.

1970 bis 2011 gehörte er der Arbeitsgemeinschaft Kirchen des Ostens der Deutschen Bischofskonferenz an.

1976 bis 1982 war er im Sekretariat des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen und von 1988 bis 2013 dessen Konsultor.

1982 bis 1986 leitete er das Katholische Büro Niedersachsen in Hannover.

Von 1984 bis 2005 war er Prior der Norddeutschen Provinz des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem.

1988 bis 2011 beriet er die Deutsche Bischofskonferenz in der Ökumene-Kommission.

Seit 2007 ist er in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Niedersachsen und seit 2009 auch in Bayern tätig.

Seit 2019 ist er Domkapitular im Erzbistum Smyrna/Izmir.

Ökumene und Orthodoxie

1986 wurde er Bischöflicher Beauftragter in seinem Heimatbistum Hildesheim für die Kontakte mit den Kirchen des Ostens, seit 2007 regulär Ökumene-Beauftragter des Bistums.

Seit 1990 ist er stellvertretender Leiter des Ostkirchlichen Instituts (OKI) in Regensburg und damit maßgeblich an der Herausgabe von Orthodoxia beteiligt. Seine Mitarbeit im OKI begann bereits 1976.

Seit 2007 ist er auch Mitglied der Gemeinsamen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz und der Orthodoxen Kirchen in Deutschland sowie seit 2008 der Ökumene-Kommission im Bistum Regensburg und der katholischen Bistümer in Bayern.

Weiteres Wirken

1974 begleitete er Winfried Henze, Redakteur der Hildesheimer-Kirchenzeitung, bei einer Recherche über Opus Dei nach Spanien. Dabei gewannen beide zunehmend die Erkenntnisse und Eindrücke, wie sie Peter Hertel 1985 veröffentlichte.

1976 besuchte er Miguel Jordà in Santiago de Chile. Diesen hatte Wyrwoll 1974 als Erforscher der religiösen chilenischen Volkslieder kennengelernt und unterstützt. Seine Reise diente vor allem dem Ziel, „das Image dieses Landes gegenüber der permanenten Negativ-Vorstellung durch linksorientierte Medien zu verbessern.“ Bei der Vorstellung dieses Meinungsbildes über das Chile Pinochets im Rotary-Club von Santiago erntete er Heiterkeit. Bei einer Überlandfahrt am 8. Januar wurden jedoch beide Priester bei Melipila als „Extremisten“ verhaftet und der Geheimpolizei DINA übergeben. Erst nach mehr als 24 Stunden und der Abpressung von Unterschriften zur Verharmlosung ihrer Behandlung wurden sie ausgesetzt.[8] Der deutsche Botschafter war sich über die Zustände unter Pinochet im klaren. Dennoch wollte kaum glauben, was Wyrwoll ihm berichtete. Dann sprach er von „Wunder“, denn „nach dem jetzigen brutalen Usus kommt man nach so einem ja offenbar unberechtigten Verhör durch einen Autounfall um“. Zur Sicherheit brachte der deutsche Botschafter Wyrwoll bis zum Flugzeug und wartete, bis es anrollte.

Im September 1993 besuchte er in Bremen Arno Peters, dessen flächentreue Weltkarte er als wertvolle Darstellung schätzte.

Im Jahr 2006 stiftete Wyrwoll gemeinsam mit Barbara Hallensleben und Guido Vergauwen als weiteren Initiatoren die Silberne Rose des heiligen Nikolaus von Myra.[9] Erster Empfänger war Metropolit Kirill, seit 27. Januar 2009 Patriarch von Moskau und ganz Russland.[10]

Nach seiner Emeritierung verlegte er seinen Wohnsitz in das Kloster St. Georg in Istanbul und pflegt vielseitige Kontakte, bevorzugt zu den orthodoxen Kirchen.

Ehrungen und Auszeichnungen

In 2008 ehrte ihn Papst Benedikt XVI. durch die ansonsten absolut unübliche namentliche Begrüßung im Rahmen des Willkommens an eine Hildesheimer Pilgergruppe, die mit ihrem Bischof und Prälat Wyrwoll an der Generalaudienz teilnahm.

Am 24. November 2013 fand ihm zu Ehren in Hildesheim eine Emeritierungsfeier unter Leitung von Bischof Trelle in St. Godehard (Hildesheim) statt.

Weblinks

Commons: Nikolaus Wyrwoll – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Katalog des Pontificium Collegium Germanicum Hungaricum, 2012, S. 6.
  2. Action Priesterjahr 10×10: 10 Fragen an 10 Priester der Diözese Hildesheim: Mons. Prälat Dr. Nikolaus Wyrwoll Jg. 1938 Interview. Website von Gundikar Hock SJ; abgerufen am 17. Februar 2015.
  3. Dirk Neuber: Gefundene Pfade. Chronik des Stammes St. Bonifatius Wunstorf der DPSG, 1952–2002. 2002
  4. Nikolaus Wyrwoll: Politischer oder petrinischer Primat? Zwei Zeugnisse zur Primatsauffassung im 9. Jahrhundert. Institut für Ökumenische Studien, Freiburg im Üechtland 2010. ISBN 978-2-9700643-7-4.
  5. Rezension: E.G. Farrugias. Abgerufen am 21. Dezember 2017.
    Edward G. Farrugias (SJ) ausführliche Rezension in Orientalia Christiana Periodica 77 (2011), S. 288–294 endet: „W.’s work merits to be read and discussed as when it was defended as a thesis at the Gregoriana, Rome, fifty years ago, because it strikingly illustrates the difference between the political and the apostolic primacy, so often invoked, so seldom defined“.
  6. Ulrike Saul: Ökumene im Gespräch: Prälat Dr. Dr. h.c. Klaus Wyrwoll. Dekanat Göttingen, September 2009.
  7. Kirchenzeitung Bistum Hildesheim, Nr. 5 vom 1. Februar 1976, S. 5
  8. Kirchenzeitung Bistum Hildesheim, Nr. 5 vom 1. Februar 1976, S. 5
  9. Sie silberne Rose des heiligen Nikolaus. Internetseite des Institutum Studiorum Oecumenicorum, Freiburg im Üechtland; abgerufen am 17. Februar 2015.
  10. Silberne Rose des hl. Nikolaus im Jahr 2006 für Metropolit Kirill von Smolensk. Ostkirchliches Institut Regensburg, abgerufen am 17. Februar 2015.
  11. Bonifatiusmedaille zum 1250. Todestag von Bonifatius
  12. „Ein Zeichen für gelebte Ökumene“: Stipendienprogramm der Deutschen Bischofskonferenz für orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Theologen. Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz vom 19. Juli 2013.
    Gerhard Feige: Würdigung der Prälaten Dr. Albert Rauch und Dr. Nikolaus Wyrwoll beim Symposion zur Fortführung der Stipendienarbeit der Deutschen Bischofskonferenz für orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Theologen am 19. Juli 2013 in Paderborn, S. 4; abgerufen am 17. Februar 2015 (pdf; 150 kB)
  13. Pressebericht zur Auszeichnung
  14. Italien/Deutschland: Auszeichnung für Ökumeniker. Radio Vatikan, 31. Januar 2014.

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Mütze und Band mit den Farben der KDStV Alemannia Greifswald und Münster werden hier von Prälat Nikolaus Wyrwoll anlässlich eines Festes in Münster getragen