Niels Wilhelm Gade

Niels Wilhelm Gade, Lithographie von Johann Georg Weinhold, 1845
Niels Wilhelm Gade

Niels Wilhelm Gade ([ˈg̊ɑːðə]; * 22. Februar 1817 in Kopenhagen; † 21. Dezember 1890 ebenda) war ein dänischer Komponist und Dirigent.

Leben

Gades musikalische Laufbahn begann als Violinist an der königlichen Kapelle in Kopenhagen. Gleichzeitig studierte er privat bei Andreas Peter Berggreen Komposition. Seine später als op. 1 erschienene Ouvertüre Nachklänge von Ossian gewann 1841 einen vom Kopenhagener Musikverein ausgeschriebenen Preis. Kurz danach komponierte er zu August Bournonvilles Ballett Napoli (1842) die Musik zum 2. Akt; die übrige Musik schufen Edvard Helsted, Holger Simon Paulli und H. C. Lumbye.

1843 ging er mit einem königlichen Stipendium zu seiner weiteren Ausbildung nach Leipzig, wo Felix Mendelssohn Bartholdy sein Mentor wurde. Durch dessen Vermittlung konnte er im Leipziger Gewandhaus seine Ossian-Ouvertüre und zwei Sinfonien, in c-Moll und in E-Dur, zur Aufführung bringen. Für die Saison 1844/45 übernahm er die Leitung der Gewandhauskonzerte, die er im folgenden Winter abwechselnd mit Mendelssohn ausübte. Nach dessen Tod leitete Gade das Orchester wieder allein.[1]

Im Frühling 1848 ließ er sich mit Ausbruch des Schleswig-Holsteinischen Kriegs bleibend in Kopenhagen nieder, erhielt hier eine Anstellung als Organist nebst dem Titel eines Professors und übernahm zugleich – bis zu seinem Tod 40 Jahre später – die Leitung des Kopenhagener Musikvereins, der in den Wintermonaten regelmäßig Konzerte veranstaltete. 1861 wurde er zum Hofkapellmeister ernannt. 1867 begründete er gemeinsam mit seinem Schwiegervater, dem Komponisten Johann Peter Emilius Hartmann, das Kopenhagener Konservatorium (Det Kongelige Danske Musikkonservatorium).

Gade war Anreger einiger Frühwerke Edvard Griegs, unter anderem von dessen erster Sinfonie in c-Moll.

Werk

Gade begann seine Komponistenlaufbahn mit Werken in einem national geprägten Stil: Er ließ sich durch nordische Literatur inspirieren und neigte zu nordisch-volksliedhafter Melodik. Am deutlichsten ausgeprägt ist dies in seiner Ossian-Ouvertüre und seiner ersten Sinfonie. Die Ossian-Ouvertüre machte ihn schlagartig bekannt, als er mit ihr einen Kompositionswettbewerb gewann, den der Kopenhagener Musikverein veranstaltete. Die erste Sinfonie wurde in Leipzig uraufgeführt (dirigiert von Felix Mendelssohn Bartholdy; die Sinfonie ist von Mendelssohns Kompositionen beeinflusst); sie hatte viel Erfolg und fand in Robert Schumann einen begeisterten Fürsprecher. Nach den Leipziger Jahren (von 1843 bis 1848) veränderte sich sein Personalstil und wurde mehr kontinental geprägt, was ihm von der dänischen Musikrezeption und nicht zuletzt von seinem norwegischen Kollegen Edvard Grieg gelegentlich vorgeworfen wurde.

Ein gängiges Vorurteil über Gade lautet, seine späten Werke zeichneten sich durch klassische Ausgeglichenheit und die Vermeidung dramatischer Konflikte aus. Die fünfte und achte Sinfonie zeigen jedoch auch andere Charakterzüge. Eigenwillig in der fünften Sinfonie ist schon die Verwendung des Klaviers im Orchestersatz.

Weniger ausgeprägt erscheint das nationale Element in seinen Vokalwerken, den Kantaten Comala, Erlkönigs Tochter, Frühlingsbotschaft, Die Kreuzfahrer und anderen. Bemerkenswert ist die Kantate Baldurs Traum, in der sich Gade der Tonsprache Richard Wagners nähert.

Ein vollständiges, thematisches Verzeichnis der Werke Gades erschien 2019.[2]

Kammermusik

  • Scherzo cis für Klavierquartett (1836)
  • Streichquartett-Satz a (1836)
  • Quintett für 2 Violinen, Viola und 2 Violoncelli f (1837)
  • Klaviertrio B, unvoll. (1839)[3]
  • Streichquartett F, unvoll. (1840)
  • Sonate für Violine und Klavier A op. 6 (1842)
  • Quintett für 2 Violinen, 2 Violen und Violoncello e op. 8 (1845)
  • Oktett für 4 Violinen, 2 Violen und 2 Violoncelli F op. 17 (1848–1849)
  • Sonate für Violine und Klavier d op. 21 (1849)
  • Streichquartett f (1851)
  • Novelletten für Klaviertrio op. 29 (1853)
  • Klaviertrio F op. 42 (1862–1863)
  • Streichsextett Es op. 44 (1863–1864)
  • Fantasiestücke für Klarinette und Klavier op. 43 (1864), früher mit 1843 angegeben.[4]
  • Streichquartett e (1877, rev. 1889)
  • Sonate für Violine und Klavier Nr. in B-Dur op. 59 (1885), Wilma Neruda gewidmet
  • Folkedanse für Violine und Klavier op. 62 (1886)
  • Streichquartett D op. 63 (1887–1889)

Orchestermusik (Auswahl)

  • Efterklange af Ossian op. 1 (Nachklänge von Ossian, Ouvertüre, 1840)
  • Sinfonie Nr. 1 c-Moll, op. 5 (1842)
  • Sinfonie Nr. 2 E-Dur, op. 10 (1843)
  • Sinfonie Nr. 3 a-Moll, op. 15 (1847)
  • Sinfonie Nr. 4 B-Dur, op. 20 (1850)
  • Sinfonie Nr. 5 d-Moll mit Klavier, op. 25 (1852)
  • Sinfonie Nr. 6 g-Moll, op. 32 (1857)
  • Hamlet op. 37 (Konzertouvertüre, 1861)
  • Sinfonie Nr. 7 F-Dur, op. 45 (1865)
  • Sinfonie Nr. 8 h-Moll, op. 47 (1871)
  • Capriccio für Violine und Orchester (1878)
  • En sommerdag paa landet op. 55 (Ein Sommertag auf dem Lande, Orchestersuite, 1879)
  • Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 56 (1880),[5] Wilma Neruda gewidmet
  • Holbergiana op. 61 (Orchestersuite, 1884)

Dramatische Werke und Kantaten (Auswahl)

  • Alladin (Bühnenmusik, 1839)
  • Agnete og havmanden (Agnethe und der Wassermann, Bühnenmusik, 1838–1842, zum Schauspiel von Hans Christian Andersen)
  • Siegfried und Brunhilde (Oper, Fragment, 1847, Libretto: Louise Otto-Peters)
  • Elverskud (Erlkönigs Tochter, Kantate, 1853, Text: Christian Molbech)
  • Baldurs drøm (Baldurs Traum, Kantate, 1858, Text: Adolph Hertz)
  • Foraars Budskab (Frühlingsbotschaft, Kantate, 1858, Text: Emanuel Geibel)
  • Korsfarerne (Die Kreuzfahrer, Kantate, 1865–1866, Text: Carl Andersen)
  • Psyche (Kantate, 1880–1881, Text: Carl Andersen)
  • Der Strom (Kantate nach Mahomet von Voltaire in der Übersetzung von Johann Wolfgang von Goethe, 1889)

Klaviermusik (Auswahl)

  • Sonate e-Moll op. 28(1840, rev. 1854)
  • Aquarelle und Neue Aquarelle (1850, 1881)
  • Folkedandse (Volkstänze, 1855)
  • Fantasistykker (Fantasiestücke, 1862)

Orgelmusik (Auswahl)

  • Drei Tonstücke op. 22 (1851)
  • Trauermarsch
  • Andante con moto d-moll
  • Andante g-Moll
  • Festliches Präludium für Orgel, Trompete und Posaune über den Choral Lobet den Herren (Neuausgabe Sonat-Verlag, Kleinmachnow 2015)
  • Drei Choralvorspiele (eines über Wie schön leuchtet der Morgenstern und zwei über Wer nur den lieben Gott lässt walten)
  • Variationen über die Partita Sey gegrüsset Jesu gütig von Johann Sebastian Bach (BWV 768) für Orgel zu vier Händen (1859)

Literatur

  • Niels Bo Foltmann: Gade, Niels Wilhelm. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 7 (Franco – Gretry). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2002, ISBN 3-7618-1117-9, Sp. 379–388 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich).
  • A. Csampai: Der Konzertführer. Zürich 1989.
  • Yvonne Wasserloos: Niels Wilhelm Gade (1817–1890). In: Europäische Geschichte Online. Herausgegeben vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte, 2011; urn:nbn:de:0159-20100921390 (PDF; 132 kB).
  • Inger Sørensen: Niels W. Gade. Thematic-Bibliographic Catalogue of His Works. Kopenhagen 2019, ISBN 978-87-791-7034-6.
  • Yvonne Wasserloos: „Formel hält uns nicht gebunden, unsre Kunst heißt Poesie“. Niels W. Gade und Robert Schumann – Übergänge zwischen Poetischem und Nationalem. In: Henriette Herwig, Volker Kalisch, Bernd Kortländer, Joseph A. Kruse, Bernd Witte (Hrsg.): Übergänge. Zwischen Künsten und Kulturen. Internationaler Kongress zum 150. Todesjahr von Heinrich Heine und Robert Schumann. Stuttgart / Weimar 2007, S. 521–540.
  • Yvonne Wasserloos: „Hearing through eyes, seeing through ears.“ Nation and landscapes in the works of Niels W. Gade, Edvard Grieg and Carl Nielsen. In: Studia Musicologica Norvegica, Band 33 (2007), S. 42–52; griegsociety.org (PDF).
  • Yvonne Wasserloos: Kulturgezeiten. Niels W. Gade und C.F.E. Horneman in Leipzig und Kopenhagen. Hildesheim / Zürich / New York 2004.
  • Eine Gesamtausgabe von Gades Werken erscheint im Bärenreiter-Verlag.
  • Gade. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 6, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 824.
  • Klaus Henning Oelmann: Griegs Verhältnis zu Niels Wilhelm Gade. In: Edvard Grieg – Versuch einer Orientierung. (= Deutsche Hochschulschriften, Band 485). Egelsbach / St. Peter Port (UK) 1993, ISBN 3-89349-485-5.

Weblinks

Commons: Niels Wilhelm Gade – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Thomas Roland: Ein Deutscher in Dänemark und ein Däne in Deutschland – Zwei Komponistenporträts. In: Manfred Gläser, Ingrid Sudhoff (Hrsg.), Nicht nur Sauerkraut und Smørrebrød! Deutschland und Dänemark im 19. und 20. Jahrhundert, Schmidt-Römhild, Lübeck 2005, S. 81–85, S. 85.
  2. Niels W. Gade. Thematic-Bibliographic Catalogue of His Works. Abgerufen am 11. Juni 2021.
  3. Details hier. jpc.de
  4. Fantasiestücke op. 43. In: Üben und Musizieren. Abgerufen am 30. August 2020 (deutsch).
  5. BIS (1996)

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Logo des Gewandhausorchesters Leipzig, verwendet seit der Spielzeit 2015/2016
NielsGade.jpg
Portrait of Niels Gade, Danish composer. Original in Hans Christian Andersen Museum in Odense, Denmark.