Nieder-Beerbach

Nieder-Beerbach
Gemeinde Mühltal
Koordinaten: 49° 47′ 28″ N, 8° 40′ 37″ O
Höhe: 223 m ü. NHN
Fläche:8,25 km²[1]
Einwohner:1886 (30. Jun. 2018)[1]
Bevölkerungsdichte:229 Einwohner/km²
Eingemeindung:1. Januar 1977
Postleitzahl:64367
Vorwahl:06151
Blick vom Burgstall Alte Burg

Nieder-Beerbach (mundartlich: Beerwisch) ist ein Ortsteil der Gemeinde Mühltal im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg.

Geschichte

Die erste urkundliche Erwähnung Nieder-Beerbachs erfolgte im 14. Jahrhundert.
1402 verleiht König Ruprecht das Dorf Nieder-Beerbach und die Dorenbach Konrad von Frankenstein.
1442 belehnt König Friedrich III. Philipp von Frankenstein und seine Vettern Konrad und Hans mit Nieder-Beerbach und Zubehör.
1545 belehnt Landgraf Philipp von Hessen die von Wallbrunn mit ihrem Teil an den Gefällen zu Ober- und Niederbeerbach.
1662 verkaufen die Herren von Frankenstein Nieder-Beerbach als Zubehör des vom Kaiser zu Lehen rührenden Hauses Frankenstein.
1682 belehnt Kaiser Leopold I. Landgräfin Elisabeth Dorothea als Vormünderin des Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen mit Nieder-Beerbach, wie es zuletzt die von Frankenstein als Reichslehen innehatten.[2]

Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Nieder-Beerbach:

»Niederbeerbach (L. Bez. Bensheim) luth. Pfarrdorf; liegt 312 St. von Bensheim, 707 Hess. (544 Par.) Fuß über der Meeresfläche, hat 79 Häuser und 552 Einw., die bis auf 3 Kath. und 1 Reform. lutherisch sind und unter diesen 25 Bauern, 18 Handwerker und 38 Taglöhner. Man findet 4 Mühlen, 2 Ziegelhütten und in- und außerhalb der Kirche noch Leichensteine der Herrn von Frankenstein. Eine besondere Aufmerksamkeit verdient das prächtige Mausoläum Ludwigs von Frankenstein, †1602. – Niederbeerbach war ein Zugehör des Schlosses Frankenstein, und kann mit diesem 1662 durch Kauf an Hessen. Die Herrn von Frankenstein besassen auch das Patronat. Zwischen dem Pfarrhause und dem Frankenstein lag das Dorf Dunkelbach, dessen Namen noch in der Flurbenennung fortdauert. Dieses Dorf war gleichfalls ein Zugehör der Burg Frankenstein.«[3]

Gebietsreform

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurden am 1. Januar 1977 die bis dahin selbstständige Gemeinde Nieder-Beerbach mit den Gemeinden Frankenhausen, Nieder-Ramstadt und Traisa kraft Landesgesetz zur neuen Gemeinde Mühltal zusammengeschlossen.[4] Für Nieder-Beerbach wurde wie für die übrigen ehemals eigenständigen Gemeinden ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[5] Sitz der Gemeindeverwaltung wurde Nieder-Ramstadt.

Historische Namensformen

In historischen Dokumenten ist der Ort im Laufe der Jahrhunderte unter wechselnden Ortsnamen belegt. (In Klammern das Jahr der Erwähnung):[2] Berbach (1318); Niedernbeerbach (1363); Berbach (1467); Nieddern Berbach (1485); Nyddern Berbach (1485); Berbach (1549); Bernbach, under (1553); Niedern Berbach; Unterbeerbach (1613).

Territorialgeschichte und Verwaltung

Die folgende Liste zeigt im Überblick die Territorien, in denen Nieder-Beerbach lag, bzw. die Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[2][6][7]

Gerichtszugehörigkeit

Nieder-Beerbachgehörte zur Zent Pfungstadt. In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für das Fürstentum Starkenburg wurde das Hofgericht Darmstadt als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen. Damit war das Amt Pfungstadt zuständig. Das Hofgericht war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt. Die Zentgerichte hatten damit ihre Funktion verloren.

Mit Bildung der Landgerichte im Großherzogtum Hessen war ab 1821 das Landgericht Zwingenberg das Gericht erster Instanz. Die zweite Instanz war weiter das Hofgericht Darmstadt. In der erstinstanzlichen gerichtlichen Zuständigkeit für Nieder-Beerbach folgten:[2]

Einwohnerentwicklung

• 1629:26 Hausgesesse[2]
• 1630:7 Zweispännige, 1 Einspänniger, 11 Einläuftige[2]
• 1791:311 Einwohner[9]
• 1800:360 Einwohner[10]
• 1806:421 Einwohner, 63 Häuser[8]
• 1829:552 Einwohner, 79 Häuser[3]
• 1867:692 Einwohner, 98 Häuser[11]
Nieder-Beerbach: Einwohnerzahlen von 1791 bis 2018
Jahr  Einwohner
1791
  
311
1800
  
360
1806
  
421
1829
  
552
1834
  
575
1840
  
645
1846
  
665
1852
  
665
1858
  
611
1864
  
661
1871
  
673
1875
  
691
1885
  
764
1895
  
830
1905
  
894
1910
  
905
1925
  
949
1939
  
930
1946
  
1.330
1950
  
1.306
1956
  
1.228
1961
  
1.301
1967
  
1.433
1970
  
1.376
1980
  
?
1990
  
?
2000
  
?
2011
  
1.920
2013
  
2.050
2016
  
1.996
2018
  
1.886
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: [2]; ab 2013: Website Mühltal (Webarchiv)[1]; Zensus 2011[12]

Religionszugehörigkeit

• 1829:548 lutheranische (= 99,18 %), ein reformierter (= 0,18 %) und 3 katholische (= 0,54 %) Einwohner[3]
• 1961:1156 evangelische (= 88,85 %), 125 katholische (= 9,61 %) Einwohner[2]

Erdbeben

Am 17. Mai 2014 um 18 Uhr 48 (MESZ) erschütterte ein Erdbeben mit dem Magnitutenwert von 4,2 auf der Richterskala Nieder-Beerbach. Das Epizentrum lag in einer Tiefe von ca. sechs Kilometern. Das Beben verursachte zahlreiche leichte Gebäudeschäden.[13]

Politik

Ortsbeirat

Für Nieder-Beerbach besteht ein Ortsbezirk (Gebiete der ehemaligen Gemeinde Nieder-Beerbach) mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung.[5] Der Ortsbeirat besteht aus fünf Mitgliedern. Seit den Kommunalwahlen 2021 ist Klaus Nolde (Beerwischer) Ortsvorsteher.[14]

Wappen

Das Wappen wurde am 17. Februar 1955 durch das Hessische Innenministerium genehmigt.

Wappen von Nieder-Beerbach
Blasonierung: „In goldenem Schild ein schwarzer, rot bewehrter, aufrechter Bär, über sechs blaue Steinzwacken schreitend und in der Rechten ein rotes Frankensteiner Beileisen haltend.“[15]

Sehenswürdigkeiten und Kultur

Vereine

Nieder-Beerbach verfügt, gemessen an seiner relativ geringen Einwohnerzahl, über ein sehr ausgeprägtes und buntes Vereinsleben, das die dörfliche Gemeinschaft fördert.

Neben verschiedenen Sportstätten und Vereinsheimen wird in Nieder-Beerbach auch ein Walderlebnispfad rund um die Burg Frankenstein unterhalten, der den Benutzern die Nähe zwischen Mensch und Wald näherbringen soll.

Unser Dorf

Nieder-Beerbach nahm 2005 zum zweiten Mal am Wettbewerb des Landes Hessen „Unser Dorf“ teil (früher „Unser Dorf soll schöner werden“). Wie bereits bei der ersten Teilnahme, Anfang der 1990er, konnte Nieder-Beerbach hier den zweiten Platz belegen.

Kunststatt Nieder-Beerbach

Kunststatt Nieder-Beerbach – dies meint nicht „Stadt“, sondern „Stätte“ der Kunst, oder auch: Arbeitsstätte, Werkstatt der Kunst. Auf Initiative der Künstlerin Erika Liefland fanden sich 10 Künstler aus Nieder-Beerbach im Sommer 2002 zu einer Ausstellung zusammen und bereichern seither das Dorfbild mit ihren Werken, die in Nieder-Beerbach allgegenwärtig sind. Seitdem wird sogar am Ortseingang auf eigenen Verkehrsschildern darauf hingewiesen, dass sich der Besucher einer Kunststätte nähert.

Regelmäßige Veranstaltungen

  • Juni–August: Frankenstein-Kulturfestival[16]
  • September: Kerb[17]
  • Oktober: Oktoberfest[18]
  • Oktober/November: Halloween-Festival[19]
  • November: Theateraufführung KAF, Komödie am Frankenstein (SKG Nieder-Beerbach)
  • Fastnacht: Zwei Herren- und Damen-Sitzungen (veranstaltet durch die SKG Nieder-Beerbach) und „Närrisch’im TV“ (veranstaltet durch den TV 1894 Nieder-Beerbach)

Frankenstein-Bergturnfest

Hauptartikel: Frankenstein-Bergturnfest

Auf der Wald-Sportanlage (Felsing-Anlage des Turnvereins) in der Nähe der Burg Frankenstein findet seit dem Jahr 1902 alljährlich das Frankenstein-Bergturnfest des Turngaus Main-Rhein statt.

Naturdenkmale

In der Gemarkung Nieder-Beerbach befinden sich auf dem westlich gelegenen Bergrücken die Magnetsteine, ein geologisches Naturdenkmal.

Wirtschaft und Infrastruktur

Nieder-Beerbach ist durch seine Lage am Rande des Odenwalds eher ländlich geprägt. Aufgrund der Tatsache, dass die meisten Bewohner im nahe gelegenen Rhein-Main-Gebiet arbeiten, werden dort auch die meisten Geschäfte getätigt. Darunter leidet auch Nieder-Beerbachs Infrastruktur. Jedoch beginnt sich am nördlichen Ortsrand ein kleines Industriegebiet zu etablieren. Hier sind vor allem Unternehmen aus dem Handwerk und der IT-Branche angesiedelt. Seit Ende 2017 ist neben einem Getränkemarkt und einem Schreibwarengeschäft auch wieder ein Bäckerladen hinzugekommen, welcher von den Einwohnern sehr gut angenommen wird und so zur Stärkung des Einzelhandels innerhalb des Dorfes beiträgt.[20] Verglichen mit den umliegenden Ortschaften ist Nieder-Beerbach wirtschaftlich gut aufgestellt.

Ein weiteres wichtiges Unternehmen für Nieder-Beerbach ist der im Osten liegende Steinbruch der Odenwälder Hartstein-Industrie (OHI). Die OHI wurde 1957 von der regionalen Konkurrenz, der Mitteldeutschen Hartstein-Industrie AG (MHI) erworben, die den Steinbruch noch heute betreibt. Der Nieder-Beerbacher Steinbruch ist der einzige Ort in Deutschland, an dem noch Silber gefördert wird.[21] Ebenso wird in diesem und in einem weiteren, nur wenige hundert Meter entfernten, Steinbruch in Waschenbach Gabbro gewonnen.[22]

Weblinks

Commons: Nieder-Beerbach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Mühltal in Zahlen: EWZ mit NW. Gemeinde Mühltal, archiviert vom Original; abgerufen im Juli 2019.
  2. a b c d e f g h Nieder-Beerbach, Landkreis Darmstadt-Dieburg. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  3. a b c Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Starkenburg. Band 1. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt Oktober 1829, OCLC 312528080, S. 168 (Online bei google books).
  4. Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Darmstadt und Dieburg und der Stadt Darmstadt (GVBl. Nr. 330–334) vom 26. Juli 1974. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1974 Nr. 22, S. 318, § 7 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,5 MB]).
  5. a b Hauptsatzung. (PDF; 62 kB) §; 5. In: Webauftritt. Gemeinde Mühltal, abgerufen im Februar 2019.
  6. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: treemagic.org.
  7. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 1. Großherzoglicher Staatsverlag, Darmstadt 1862, DNB 013163434, OCLC 894925483, S. 43 ff. (Online bei google books).
  8. a b Verzeichnis der Ämter, Orte, Häuser, Einwohnerzahl. (1806)HStAD Bestand E 8 A Nr. 352/4. In: Archivinformationssystem Hessen (Arcinsys Hessen), Stand: 6. Februar 1806.
  9. Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1791. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1791, S. 120 (Online in der HathiTrust digital library).
  10. Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1800. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1800, S. 128 (Online in der HathiTrust digital library).
  11. Ph. A. F. Walther: Alphabetisches Verzeichniss der Wohnplätze im Grossherzogtum Hessen. G. Jonghaus, Darmstadt 1869, OCLC 162355422, S. 62 (Online bei google books).
  12. Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,8 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt;
  13. Darmstädter Echo, 19. Mai 2014, S. 1 ff.
  14. Ortsbeiräte. In: Rats- und Bürgerinformationssystem. Gemeinde Mühltal, abgerufen am 21. Juli 2021.
  15. Genehmigung eines Wappens der Gemeinde Nieder-Beerbach vom 17. Februar 1955. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1955 Nr. 10, S. 213, Punkt 253 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 3,0 MB]).
  16. Darmstädter Echo: Mittwoch, 5. Februar 2020, S. 17.
  17. Darmstädter Echo, Mittwoch, 30. September 2015, S. 22
  18. Darmstädter Echo, Montag, 26. September 2016, S. 21
  19. Sabine Eisenmann. In: Darmstädter Echo, Donnerstag, 19. September 2019, S. 17.
  20. Echo Zeitungen GmbH: Neuer Bäckerladen öffnet seine Pforten. 4. Oktober 2017, abgerufen am 21. Juli 2021.
  21. Petra Lochmann: Silberfund im Steinbruch. In: echo-online.de. 9. Juni 2010, abgerufen im Juli 2010.
  22. Andreas Wollny: Hessen ist ein steinreiches Land. In: echo-online.de. 23. Oktober 2006, archiviert vom Original; abgerufen im Oktober 2007.
  23.  Info: Bitte auf Vorlage:HessBib umstellen, um auch nach 2015 erfasste Literatur zu selektieren!

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