Neuro-Linguistische Psychotherapie

Neuro-Linguistische Psychotherapie (NLPt) ist ein wissenschaftlich nicht anerkannter Ansatz zur systemisch-imaginativen Psychotherapie, der auf der pseudowissenschaftlichen Methode des „Neuro-Linguistischen Programmierens“ (NLP) beruht. Das Verfahren verfügt über keine erwiesene Wirksamkeit.[1] In der wissenschaftlichen Psychologie und Medizin spielt der Ansatz weder als Theorie noch als Behandlungsmethode eine Rolle.

Grundlagen

Die NLPt basiert auf fünf einander ergänzenden Theorien und einer aus dem Modelling-Prozess resultierenden Grundannahme:

  1. Kybernetik der Theorie des Geistes von Gregory Bateson, insbesondere der logischen Ebenen des Lernens und der Unified Field Theory[2] als Weiterentwicklung (Robert Dilts)
  2. Sozial-kognitive Lerntheorie von Albert Bandura mit dem von Bandler und Grinder pragmatisch weiterentwickelten Modelling-Ansatz
  3. Transformationsgrammatik von Noam Chomsky und darauf aufbauenden und unter dem Einfluss der Postulate von Alfred Korzybski und Glasersfeld durch Bandler und Grinder weiterentwickelten Modelle der Sprache (Metamodell[3] und Milton-Modell[4])
  4. Annahme einer grundsätzlichen Zielorientierung menschlichen Handelns von Pribram, Galanter, Miller (TOTE-Einheit)[5]
  5. Theorie der sinnesspezifischen Repräsentationssysteme als Grundbausteine der Informationsverarbeitung und des subjektiven Erlebens, die auf William James zurückgeht
  6. Grundannahme der Existenz funktionalautonomer Persönlichkeitsteile mit bewussten und unbewussten Prozesskomponenten, die aus der psychotherapeutischen Arbeit von Perls, Satir und Erickson resultieren.

Im Zentrum des NLPt-Ansatzes steht die ziel- und ressourcenorientierte Arbeit unter besonderer Berücksichtigung der Repräsentationssysteme, Metaphern[6] und Beziehungsmatrizen der Person im Sinne der NLP-Theorie.

Wirksamkeit

Für die in den 1970er Jahren aufgekommene NLP-Methode konnte bis heute weder der behauptete Mechanismus[7] noch eine therapeutische Wirkung[8] wissenschaftlich nachgewiesen werden. Bisher veröffentlichte Studien zur angeblichen Wirksamkeit der Methoden des NLP konnten diese überwiegend nicht bestätigen.[9][1]

Anerkennung

Wissenschaft

Weder in der akademischen Psychologie noch in der Medizin wird „Neuro-Linguistische Psychotherapie“ als Methode zur Behandlung psychischer Störungen anerkannt. In Standardwerken und allgemein anerkannten Lehrbüchern dieser Fachgebiete spielen weder NLP noch NLPt eine Rolle,[10] erwähnt werden sie allenfalls in Randbemerkungen als „Verfahren ohne erwiesene Wirksamkeit“.[1] In wissenschaftlichen Fachkreisen gilt NLP als ein typisches Beispiel für Pseudowissenschaft.[11][12][13]

Deutschland

Die „Neuro-Linguistische Psychotherapie“ wird von den Krankenkassen in Deutschland nicht als erstattungsfähige Therapieform anerkannt.

Unabhängig von Erstattungsfähigkeit und Kassenzulassung setzt jede Betätigung im psychotherapeutischen Bereich eine Therapieberechtigung voraus. Diese ist durch eine Approbation als Arzt (Psychiater) mit entsprechender Weiterbildung oder als psychologischer Psychotherapeut gegeben. Zusätzlich bietet das Heilpraktikergesetz in Deutschland auch die Möglichkeit der psychotherapeutischen Tätigkeit als Heilpraktiker ohne universitäres Studium. Diese müssen lediglich gem. § 2 HeilprGDV 1 nachweisen, dass von ihnen keine Gefahr ausgeht, und sind dann auch zur Anwendung von Verfahren ohne Wirksamkeitsnachweis berechtigt.[1]

Österreich

In Österreich wurde die Neuro-Linguistische Psychotherapie vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen per 10. Januar 2007 als psychotherapeutische Methode offiziell anerkannt. Folge davon ist, dass Therapiesuchende die Leistung eines zugelassenen Psychotherapeuten, der mit der Methode NLP psychotherapeutisch arbeitet, wie auch bei anderen Psychotherapieformen, z. B. der Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch orientierten Therapieverfahren, von den Pflicht-Krankenkassen in Österreich ganz oder teilweise erstattet bekommen. Die Zulassung geschah am letzten Amtstag der Ministerin Maria Rauch-Kallat und stieß auf heftige Kritik, unter anderem stellte der Psychotherapiebeirat des Gesundheitsministeriums aus Protest seine Ausschüsse ruhend.[14][15]

Geschichte / Verbände

Die European Association for Neuro-Linguistic Psychotherapy (EANLPt) als europäische Dachorganisation der NLPt wurde 1995 in Wien gegründet, wo ein Curriculum für NLP-Psychotherapie seit 1986 existiert. Ursprünglich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, ist die EANLPt inzwischen als Verein nach dem österreichischen Vereinsgesetz organisiert. 1996 wurde die Deutsche Gesellschaft für Neuro-Linguistische Psychotherapie (DG-NLPt) gegründet, die sich im März 2008 aufgelöst hat. Das Anliegen und die Ziele des Vereins nimmt seitdem die Fachgruppe DVNLPt im Deutschen Verband für Neuro-Linguistisches Programmieren e. V. (DVNLP) wahr.[16]

Bei der europäischen Dachorganisation der Psychotherapie, der European Association for Psychotherapy[17], ist die Neuro-Linguistische Psychotherapie (EANLPt) seit Dezember 1997 als Mitglied akzeptiert, seit Juli 1999 als EWAO Vollmitglied.

Fortbildung für Therapeuten

Die Ausbildungsstandards der EANLPt legen eine etwa vierjährige Fortbildung fest und setzen eine wissenschaftliche Hochschulausbildung in einem relevanten Bereich wie etwa Psychologie, Sozialwissenschaft oder Humanmedizin voraus.

Die Weiterbildung sieht für derart geeignete Interessenten eine komplette NLP-Ausbildung mit Ausrichtung auf Beratung und Therapie, sowie Selbsterfahrungszeit als NLP-Therapeut vor:

  • Relevante Hochschulausbildung zur Theorie und der Nachweis einer psychopathologischen und spezifischen Methode der Intervention.
  • Im ersten Jahr ein gutes Diplom als Practitioner mit Betonung auf Beratung/Therapie (25–30 Tage)
  • Im zweiten Jahr das Diplom als Master Practitioner mit Betonung auf Beratung/Therapie (22–27 Tage)
  • Im dritten und vierten Jahr spezielle Theorie-Supervision, therapeutische Methodenlehre, Theorie und praktische Arbeit (ca. 60 Tage, Advanced Master Practitioner)
  • 200 Stunden Selbsterfahrung als NLP-Therapeut

Die mit der EANLPt assoziierten Organisationen innerhalb der europäischen Gemeinschaft entwickeln auf dieser Grundlage eigene Ausbildungsrichtlinien, die mit diesem Curriculum grundsätzlich vereinbar sind und nationale Besonderheiten berücksichtigen.

In Deutschland existiert unter dem Dach des DVNLP ein NLPt-Curriculum[18], das eine gestufte Ausbildung zum NLP-Therapeuten und bestimmte Eingangsvoraussetzungen beinhaltet: erste Stufe „Weiterbildung zum NLP-Berater“, zweite Stufe „Weiterbildung zum NLP-Therapeuten“. Die Ausbildung erstreckt sich über vier bis sechs Jahre, mindestens 890 Stunden. Dazu kommen 60 Stunden Selbsterfahrung und 290 Stunden „Arbeit mit Klienten“. Grundsätzlich kann die Ausbildung nur bei einem vom DVNLPt anerkannten Ausbildungsinstitut erfolgen. Das Curriculum setzt eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum „NLP-Master, DVNLP“ voraus. Erfahrungen im psychosozialen Bereich sind erwünscht. Wer den „NLP-Therapeut, DVNLPt“ anstrebt, muss über die „Erlaubnis zur Ausübung der Psychotherapie“ verfügen. Seit 2006 wird in Deutschland dieser Titel ausschließlich nach den Kriterien für den Erwerb des European Certificate of Psychotherapy (ECP) der European Association for Psychotherapy (EAP) in der jeweils gültigen Fassung vergeben, die ebenfalls die „Erlaubnis zur Ausübung der Psychotherapie“ des Antragstellers in seinem Herkunftsland voraussetzt.

Die Ausübung von NLP als Psychotherapiemethode ist über das Heilpraktikergesetz möglich. Seit 1993 besteht aufgrund einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 3 C 34/90, NJW 1993, 2395 ff.) die Möglichkeit eine eingeschränkte Überprüfung nur für die Ausübung der Psychotherapie abzulegen.[19]

Siehe auch

Literatur

  • Birgit Bader et al. (Hrsg.): Emotion und Beziehung. Diskussion und Praxis der NLPt. Neuro-Linguistische Psychotherapie, Band 1. psymed-verlag, Hamburg 2005.
  • Peter Schütz, Siegrid Schneider-Sommer, Brigitte Gross, Helmut Jelem, Yvonne Brandstätter-Halberstadt: NLPt – Theorie und Praxis der Neuro-Linguistischen Psychotherapie. Junfermann, Paderborn 2001.
  • Birgit Bader et al. (Hrsg.): NLP konkret – in der Psychotherapie und im Coaching, Band 2. psymed-verlag, Bargteheide 2008.

Einzelnachweise

  1. a b c d Martin Holst, Timo Harfst, Holger Schulz: Die Versorgung von Patienten mit psychischen Störungen. In: Jürgen Hoyer, Susanne Knappe (Hrsg.): Klinische Psychologie & Psychotherapie. Springer, Berlin 2020, ISBN 978-3-662-61814-1 (E-Book), S. 359.
  2. Robert Dilts, Todd Epstein: Systemic NLP - A unified field theory. Dynamic Learning Publications, Ben Lomond 1991.
  3. Richard Bandler, John Grinder: Metasprache und Psychotherapie. Die Struktur der Magie I. Junfermann, Paderborn 1981.
  4. Richard Bandler, John Grinder: Patterns. Muster der hypnotischen Techniken Milton H. Ericksons. Junfermann, Paderborn 1996.
  5. George A. Miller, Eugene Galanter, Karl H. Pribram: Strategien des Handelns. Pläne und Strukturen des Verhaltens. Klett-Cotta, Stuttgart 1973.
  6. Franz-Josef Hücker: Metaphern - Die Zauberkraft des NLP. Ein Leitfaden für Berufspraxis und Training. Akazien Verlag, Berlin 2009.
  7. Richard Wiseman, Caroline Watt, Leanne ten Brinke, Stephen Porter, Sara-Louise Couper, Calum Rankin: The Eyes Don’t Have It: Lie Detection and Neuro-Linguistic Programming. In: PLoS ONE, 2012, Band 7, Nr. 7, e40259, doi:10.1371/journal.pone.0040259.
  8. Jackie Sturt, Saima Ali, Wendy Robertson, David Metcalfe, Amy Grove, Claire Bourne, Chris Bridle: Neurolinguistic programming: a systematic review of the effects on health outcomes. In: British Journal of General Practice, 2012, Band 62, Nr. 604, e757–e764, doi:10.3399/bjgp12X658287.
  9. Tomasz Witkowski: Thirty-Five Years of Research on Neuro-Linguistic Programming. NLP Research Data Base. State of the Art or Pseudoscientific Decoration? In: Polish Psychological Bulletin, 2010, Band 41, Nr. 2, S. 58–66, doi:10.2478/v10059-010-0008-0.
  10. Nicht registriert u. a. in:
    • Jürgen Straub, Alexander Kochinka, Hans Werbik: Psychologie in der Praxis. Anwendungs- und Berufsfelder einer modernen Wissenschaft. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2000, ISBN 3-423-36183-2, S. 900–923.
    • Jan Reuter, Michael Frey: FAQ Psychiatrie und Psychotherapie. Elsevier, München 2018, ISBN 978-3-437-15340-2, S. 477–487.
    • Tilo Kircher (Hrsg.): Kompendium der Psychotherapie. Springer, Berlin 2019, ISBN 978-3-662-57287-0 (E-Book).
    • Klaus Lieb, Sabine Frauenknecht: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Elsevier, München 2019, ISBN 978-3-437-23491-0, S. 505–535.
    • Kurt Fritzsche, Michael Wirsching (Hrsg.): Basiswissen Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Springer, Berlin 2020, ISBN 978-3-662-61425-9 (E-Book).
    • Jürgen Hoyer, Susanne Knappe (Hrsg.): Klinische Psychologie & Psychotherapie. Springer, Berlin 2020, ISBN 978-3-662-61814-1 (E-Book), S. 1343–1360.
    • Michael Rentrop, Rupert Müller, Hans Willner: Klinikleitfaden Psychiatrie Psychotherapie. Elsevier, München 2020, ISBN 978-3-437-23155-1, S. 652–670.
    • Winfried Rief, Elisabeth Schramm, Bernhard Strauß: Psychologische Psychotherapie: Ein kompetenzorientiertes Lehrbuch. Elsevier, München 2021, ISBN 978-3-437-22601-4, S. 869–893.
  11. Barry L. Beyerstein: Brainscams: Neuromythologies of the New Age. In: International Journal of Mental Health, 1990, Band 19, Nr. 3, S. 27–36, doi:10.1080/00207411.1990.11449169.
  12. Siegfried Greif: Woran erkennt man pseudowissenschaftliche Theorien und weshalb sie im Coaching problematisch sind – am Beispiel NLP. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 2018, Band 25, S. 371–387, doi:10.1007/s11613-018-0568-y.
  13. Angelo Fasce, Alfonso Picó: Conceptual foundations and validation of the Pseudoscientific Belief Scale. In: Applied Cognitive Psychology, 2019, Band 33, Nr. 4, S. 617–628, doi:10.1002/acp.3501.
  14. 30 03 2008 Um 18:12: Experten-Streit um eine neue Therapieform. 30. März 2008, abgerufen am 14. April 2021.
  15. Rauch-Kallat verteidigt NLP-Psychotherapie. Abgerufen am 14. April 2021 (österreichisches Deutsch).
  16. Website DG-NLPt
  17. Franz-Josef Hücker: Das Dodo-Verdikt und die psychotherapeutische Versorgung. EAP-Tagung zur Zukunft der deutschen Psychotherapie in Europa. In: Sozial Extra 9/10 2013, 37. Jg. (VS Verlag, Springer Fachmedien DE, Wiesbaden), S. 6–9.
  18. DVNLPt-Curriculum vom 1. Januar 2009 (Memento vom 16. Oktober 2013 im Internet Archive) (PDF; 185 kB)
  19. Franz-Josef Hücker: Die Erlaubnis zur Ausübung der Psychotherapie. In: Psychotherapie Forum, Supplement 5(4), S. 264–271.

Weblinks

Commons: Neuro-Linguistisches Programmieren – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien