Neues Konzept für die Produktkonformität in der Europäischen Union

Das neue Konzept (engl. New Approach) für die Produktregulierung und das Gesamtkonzept für die Konformitätsbewertung der Europäischen Union dienen seit 1985 der technischen Harmonisierung der nationalen gesetzlichen Vorschriften für bestimmte Produktgruppen und dem Abbau von Handelshemmnissen innerhalb des Europäischen Binnenmarktes.

Gemeinsam haben diese einander ergänzenden Konzepte, dass sie das Einschreiten des Staates auf ein unentbehrliches Mindestmaß beschränken und somit der Industrie bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber der Öffentlichkeit einen größtmöglichen Handlungsspielraum gewähren um den technischen Fortschritt zu fördern. Maßstab für die Strenge der gefordertem Maßnahmen ist das Risikopotential der betroffenen Produkte.

Seit 1987 sind nach und nach über 25 Richtlinien in Kraft getreten, die auf dem neuen Konzept und dem Gesamtkonzept beruhen. Grundsätzlich unterscheidet man Produkte, für die eine CE-Kennzeichnung erforderlich ist, für die ein anderes Konformitätszeichen angebracht werden muss, sowie Produkte, an denen kein Konformitätszeichen angebracht werden darf.

Ein Leitfaden für die Umsetzung der nach dem Neuen Konzept verfassten Richtlinien ist der so genannte „Blue Guide“ der Europäischen Kommission.[1]

Nach über 20 Jahren wurde der New Approach überarbeitet und aktualisiert; hierzu wurde 2008 das sogenannte New Legislative Framework (NLF)[2] beschlossen. Es trat Januar 2010 in Kraft.[3]

Ein Leitfaden für die Umsetzung der nach dem Neuen Konzept verfassten Richtlinien ist der so genannte „Blue Guide“ der Europäischen Kommission.[4] Die aktuelle Ausgabe berücksichtigt auch die Änderungen / Ergänzungen durch das New Legislative Framework.

Regulatorische Grundlagen

Neues Konzept

Das Neue Konzept wurde entwickelt, um das Regelungssystem der EU zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Es fußt auf folgenden Rechtsakten der Kommission:

  • die Entschließung vom 7. Mai 1985 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung,
  • die Entschließung vom 21. Dezember 1989 zu einem Gesamtkonzept für die Konformitätsbewertung,
  • der Beschluss vom 22. Juli 1993 (93/465/EWG) über die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Module für die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahren und die Regeln für die Anbringung und Verwendung der CE-Konformitätskennzeichnung,
  • die Entschließung vom 28. Oktober 1999 zur Funktion der Normung in Europa und
  • die seinen Schlussfolgerungen vom 1. März 2002 zum Thema Normung.

Das neue Konzept, insbesondere dessen Umsetzung, soll gemäß einem Ratsbeschluss der europäischen Kommission vom 10. November 2003 weiter verbessert werden.

Die Grundsätze des Neuen Konzepts gelten im Wesentlichen auch weiterhin.

Hauptelemente des neuen Konzepts

Die Richtlinien des neuen Konzepts beruhen auf folgenden Prinzipien:

  • Die Harmonisierung beschränkt sich auf die Festlegung der sogenannten wesentlichen Anforderungen. Nur diese sind verbindlich;
  • Nur Produkte, die den wesentlichen Anforderungen entsprechen, können in den Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden;
  • Bei der vollständigen Anwendung von harmonisierten Normen, deren Fundstellen im Amtsblatt veröffentlicht und die in nationale Normen umgesetzt worden sind, ist die Übereinstimmung mit den korrespondierenden wesentlichen Anforderungen anzunehmen („Konformitätsvermutung“);
  • Die Anwendung harmonisierter Normen oder anderer technischer Spezifikationen bleibt jedoch freiwillig, und den Herstellern steht die Wahl jeder technischen Lösung frei, mit der sie die Konformität mit den wesentlichen Anforderungen erfüllen wollen. Technischer Maßstab für Behörden bleiben jedoch immer die harmonisierten Normen;
  • Hersteller haben in der Regel die Wahl zwischen verschiedenen Konformitätsbewertungsverfahren, die in den jeweiligen anwendbaren Richtlinien vorgegeben sind (je nach Risikopotential des Produktes).

Das New Legislative Framework

In Ergänzung und Erweiterung des neuen Konzepts wurde 2008 das New Legislative Framework („neuer gesetzlicher Rahmen“)[2] verabschiedet. Es besteht aus

  • Verordnung (EG) 765/2008 zur Festlegung der Anforderungen an die Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen und Marktüberwachung von Produkten. Diese Verordnung richtet sich an die Mitgliedsstaaten und gilt unmittelbar.
  • Beschluss 768/2008 über einen gemeinsamen Rahmen für die Vermarktung von Produkten, der Referenzbestimmungen enthält, die bei jeder Überarbeitung der Produktgesetzgebung einzubeziehen sind. Er ist eine Vorlage für künftige Produktharmonisierungsvorschriften und richtet sich damit an die Kommission selbst.
  • Verordnung (EG) 764/2008 zur Festlegung von Verfahren im Zusammenhang mit der Anwendung bestimmter nationaler technischer Vorschriften für Produkte, die in einem anderen EU-Land rechtmäßig in Verkehr gebracht werden

Von besonderer Bedeutung für die Ausgestaltung der Produkt-Richtlinien ist der Beschluss 768/2008. Er vereinheitlicht, konkretisiert und erweitert die Vorgaben des Neuen Konzepts, die in den Richtlinien umgesetzt werden müssen:

  • Vereinheitlichung von Begriffsdefinitionen;
  • zusätzliche Vorgaben für Hersteller z. B.:
    • Risikoanalyse jetzt bei allen Richtlinien;
    • Marktbeobachtungspflicht; risikoabhängig Marktstichproben durchführen, Rückrufmanagement einrichten;
    • unverzügliche Korrekturmaßnahmen, einschl. Rücknahme od. Rückruf, bei begründetem Verdacht auf Konformitätsmängel;
    • bei Gefahren: Meldepflicht und Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden;
  • Einführung der sogenannten „Wirtschaftsakteure“: das sind neben den bereits behandelten Herstellern, Bevollmächtigten des Herstellers und Importeure jetzt zusätzlich Händler und
  • alle Wirtschaftsakteure werden mit zusätzlichen administrativen Auflagen belegt. Diese Anforderungen gelten über das Datum des Inverkehrbringens hinaus.

Prinzipien der Richtlinien

Inverkehrbringen

Inverkehrbringen bezeichnet die erstmalige entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung eines Produktes auf dem Gemeinschaftsmarkt der für den Vertrieb oder die Benutzung im Gebiet der Gemeinschaft im Rahmen einer Geschäftstätigkeit. Zu diesem Zeitpunkt muss ein betroffenes Produkt die zutreffenden Richtlinie(n) einhalten.

Wird ein Produkt erstmals auf dem Gemeinschaftsmarkt in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen, muss es allen auf das Produkt zutreffenden EG-Richtlinien entsprechen.

Die Mitgliedstaaten müssen durch entsprechende Marktüberwachungsmaßnahmen gewährleisten, dass nur konforme Produkte in den Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden.

Wesentliche Anforderungen

Die „wesentlichen Anforderungen“ werden in den Anhängen zu den Richtlinien festgelegt. Diese Anforderungen betreffen den Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Benutzer (in der Regel Verbraucher und Arbeitnehmer), es kann aber auch andere wesentliche Anforderungen geben (zum Beispiel den Schutz des Eigentums, knapper Ressourcen oder der Umwelt). Produkte dürfen nur in den Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden, wenn sie die wesentlichen Anforderungen erfüllen.

CE-Kennzeichnung

Die CE-Kennzeichnung darf nur an Produkten angebracht sein, welche sämtliche Bestimmungen der anwendbaren Richtlinien erfüllen, in denen diese Kennzeichnung vorgesehen ist. Insbesondere gibt die CE-Kennzeichnung an, dass die Produkte den wesentlichen Anforderungen der anwendbaren Richtlinien entsprechen und einem in den Richtlinien vorgesehenen Konformitätsbewertungsverfahren unterzogen wurden.

Produkte ohne CE-Kennzeichnung

Für die folgenden Produktgruppen gibt es europäische Richtlinien nach den Grundsätzen des neuen Konzepts oder des Gesamtkonzepts, nach denen keine CE-Kennzeichnung vorgesehen ist oder andere Konformitätszeichen angebracht werden müssen:

  • Verpackungen und Verpackungsabfälle (94/62/EG),
  • Hochgeschwindigkeitsbahnsystem (96/48/EG),
  • Schiffsausrüstung (96/98/EG); Konformitätszeichen: Ruderrad
  • Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft (2008/57/EG (PDF)).
  • Komponenten zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen (94/9/EG, ersetzt durch die ATEX-Richtlinie)

Produkte, die keinen Europäischen Richtlinien unterliegen unterliegen der jeweiligen nationalen Gesetzgebung des Landes, in dem sie in Verkehr gebracht werden. Für diese Produkte ist innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes die Verordnung (EG) 764/2008 (siehe oben) anzuwenden.

EU-/EG-Richtlinien

Richtlinien mit CE-Kennzeichnung

Für folgende Produkte ist eine CE-Kennzeichnung nach den entsprechenden Richtlinien vorgesehen:

Weitere Richtlinien

Es gibt noch weitere Richtlinien nach den Grundsätzen des neuen Konzepts oder des Gesamtkonzepts:

  • Elektrische Haushaltskühl- und -gefriergeräte (96/57/EG),
  • Ortsbewegliche Druckgeräte (2010/35/EU),
  • Umweltbelastende Geräuschemissionen von zur Verwendung im Freien vorgesehenen Geräten und Maschinen (2000/14/EG; kurz: Outdoorrichtlinie)
  • Energieeffizienzanforderungen an Vorschaltgeräte für Leuchtstofflampen (2000/55/EG, ersetzt durch Verordnung (EG) Nr. 245/2009)

Sonstige Richtlinien

Folgende Richtlinien, Verordnungen und Beschlüsse der Kommission stehen in Zusammenhang mit dem neuen Konzept oder dem Gesamtkonzept:

Einzelnachweise

  1. Europäische Kommission: Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“) (PDF; 2538 kB)
  2. a b Europäische Kommission: „New legislative framework“. Abgerufen am 2. April 2020
  3. Europäische Kommission: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Referat VIIA3 vom 14. März 2008, Das Akkreditierungssystem in Deutschland ..., (PDF, 125 kB) insbesondere Seiten 2 und 5, abgerufen bei | Inst. für Siedlungswasserbau und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart am 21. Mai 2019.
  4. Europäische Kommission: Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“) (PDF; 2538 kB)

Weblinks