Neuer Israelitischer Friedhof (München)

Der Neue Israelitische Friedhof von Süden aus der Luft gesehen
Eingang

Der Neue Israelitische Friedhof in München liegt im Stadtteil Schwabing.

Geschichte

Nachdem sich in den 1880er Jahren abgezeichnet hatte, dass die Kapazität des Alten Israelitischen Friedhofs nicht mehr ausreichte, wurde der Neue Israelitische Friedhof ab 1904 von Hans Grässel geplant und 1908 nach der Schließung der alten Anlage eröffnet.

Ab 1923 verwalteten die evangelischen Eheleute Karl und Katharina Schörghofer den Friedhof und wohnten dort mit ihren Kindern. Nach der Einführung der nationalsozialistischen Nürnberger Gesetze ab 1935 versteckten sie vor dem Zugriff der Behörden Grabsteine und Kultgegenstände sowie auch sieben Juden, von denen zwei entdeckt und deportiert wurden. Die anderen fünf konnten entkommen; einer unter ihnen wurde später erneut von den Schörghofers versteckt, diesmal bis Kriegsende. Die Eheleute Schörghofer und ihre Kinder wurden für ihren Einsatz von Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet.[1]

Nach Jahren der Missachtung und Zweckentfremdung zum Gemüseanbau wurde der Friedhof in den späten 1940er Jahren renoviert, erneut ab 1989.[2]

Anlage

Friedhofsgebäude von Süden

Der Friedhof mit über fünf Hektar Fläche ist in der Art eines Waldfriedhofs konzipiert. Er ist von einer etwa 2,5 Meter hohen Mauer umgeben. Am Eingang im Osten steht das quadratische Pförtnerhaus, weiter westlich gelegen sind Aussegnungshalle und Leichenhaus. Der Friedhof ist für ungefähr 10.000 Gräber ausgelegt, derzeit bestehen etwa 7.500 Gräber. Ein Denkmal erinnert an die Opfer der Verfolgungen während der nationalsozialistischen Diktatur 1933 bis 1945, ein weiteres an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs.[3]

Gräber bekannter Persönlichkeiten

Grabstätte von Kurt Eisner (1867–1919) und Gustav Landauer (1870–1919)
  • Lehmann Bernheimer (1841–1918), Kunsthändler, Bauherr des Bernheimer-Palais
  • Hans Borchardt (1865–1917), Kunstmaler
  • Leo Brauner (1898–1974), Botaniker und Direktor des Botanischen Gartens München
  • Kurt Eisner (1867–1919), sozialistischer deutscher Politiker, bayerischer Ministerpräsident
  • David Heinemann (1819–1902), Maler, Kunstexperte und Galerist (Galerie Heinemann mit vier Filialen)
  • Towje Kleiner (1948–2012), Schauspieler und Drehbuchautor
  • Hans Lamm (1913–1985), Abteilungsleiter der Münchner Volkshochschule, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde München
  • Gustav Landauer (1870–1919), deutscher Schriftsteller und Theoretiker des Anarchismus
  • Kurt Landauer (1884–1961), Präsident und postum Ehrenpräsident des FC Bayern München
  • Johanna Lenz (1915–2010), deutsche Kunsthistorikerin
  • Sonja Lerch (1882–1918), deutsche Sozialistin und Friedensaktivistin
  • Eugen Leviné (1883–1919), Revolutionär und KPD-Politiker
  • Peter Lilienthal (1927–2023), deutscher Filmregisseur
  • Max Mannheimer (1920–2016), Holocaust-Überlebender
  • Karl Neumeyer (1869–1941), deutscher Rechtswissenschaftler
  • Abi Ofarim (1937–2018), Tänzer, Sänger, Gitarrist, Musikproduzent und Choreograph
  • Joseph Schülein (1854–1938), Brauereibesitzer und Wohltäter für (Alt-)Haidhausen
  • Henny Seidemann (1922–2021), Vorsitzende/Ehrenvorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit München-Augsburg-Regensburg, Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, Bayerischer Verdienstorden, Medaille München leuchtet
  • Simon Snopkowski (1925–2001), Chefarzt, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Bayern
  • Julius Spanier (1880–1959), Kinderarzt, Senator, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde

Sonstiges

Für Männer und verheiratete Frauen ist, wie auf jüdischen Friedhöfen generell, eine Kopfbedeckung üblich.

Literatur

  • Karl W. Schubsky: Jüdische Friedhöfe. In: Wolfram Selig: Synagogen und jüdische Friedhöfe in München. Aries, München 1988, ISBN 3-920041-34-8, S. 149–188.
  • Lioba Betten – Thomas Multhaup: Die Münchner Friedhöfe – Wegweiser zu Orten der Erinnerung, MünchenVerlag, München 2019, ISBN 978-3-7630-4056-8, S. 138–141

Einzelnachweise

  1. Benedikt Weyerer: München 1933–1949. Stadtrundgänge zur politischen Geschichte. Buchendorfer, München 1996, ISBN 3-927984-40-X, S. 265.
  2. Benedikt Weyerer: München 1933–1949. Stadtrundgänge zur politischen Geschichte. Buchendorfer, München 1996, ISBN 3-927984-40-X, S. 264 f.
  3. Benedikt Weyerer: München 1933–1949. Stadtrundgänge zur politischen Geschichte. Buchendorfer, München 1996, ISBN 3-927984-40-X, S. 264.

Weblinks

Commons: Neuer israelitischer Friedhof München – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 48° 10′ 53,3″ N, 11° 36′ 13,5″ O

Auf dieser Seite verwendete Medien

Star of David (bold).svg
Autor/Urheber: Kwamikagami, Lizenz: CC BY-SA 4.0
1.333 px line weight
Neuer Israelitischer Friedhof München von Süden.JPG
Autor/Urheber: O DM, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de
Neuer Israelitischer Friedhof München von Süden
Neuer Israelitischer Friedhof München Eingang.JPG
Autor/Urheber: O DM, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de
Neuer Israelitischer Friedhof München Eingang
Aerial image of Neuer Israelitischer Friedhof in Munich (view from the south).jpg
Autor/Urheber: Carsten Steger, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Luftbild des Neuen Israelitischen Friedhofs in München (Ansicht von Süden)