Neorenaissance

Die neurenaissancistische Semperoper in Dresden

Neorenaissance (von altgriechisch νέοςnéos, deutsch ‚neu‘) oder Neurenaissance ist eine Richtung des Historismus im 19. Jahrhundert, in der auf die Baukunst der Renaissance zurückgegriffen wird. Je nach Einzelfall stammen die Formen vor allem aus dem Repertoire der italienischen Renaissance oder hauptsächlich aus der deutschen Renaissance bzw. Nordischen Renaissance des 16. Jahrhunderts.

Beschreibung

Ab 1830 wurde der vorherrschende klassizistische Baustil allmählich durch Neugotik und Neurenaissance abgelöst. Da die Architektur der Neurenaissance im Prinzip auf derselben antiken Formensprache beruht wie der Klassizismus, ist die Trennlinie zwischen den beiden Stilen nicht immer eindeutig zu ziehen. Als die ersten Neurenaissance-Gebäude gelten in England der Travellers Club (1829) und der Reform Club (1837) von Charles Barry (in London), in Deutschland Klenzes Palais Leuchtenberg von 1821 und der Königsbau der Münchner Residenz. In Frankreich greift bereits die Architektur der Zeit Napoleons I. teils auf Renaissance-Vorbilder zurück. Der Stil setzte sich unter dem „Bürgerkönig“ Louis-Philippe I. (ab 1830) bei der Restaurierung und Innenausstattung diverser Schlösser durch. Hierbei wird besonders die französische Ausprägung der Renaissance seit König Franz I. zum Vorbild genommen. So entstehen nationale Zweige der Neurenaissance, die die landeseigenen Stilvarianten nachahmen, wie die „Deutsche Renaissance“, die niederländisch-flämische Neorenaissance oder die Architektur des Tudor-England im Neu-Tudorstil. Andere Architekten wie Gottfried Semper halten stärker am Vorbild der italienischen Renaissance fest.

Die Neurenaissance hatte ihre größte Wirkung zwischen 1870 und 1885, als ihre Formen im strengen Historismus als vorbildlich galten. Dieser löste dabei den romantischen Historismus ab, bei dem die subjektive Interpretation des Architekten den Stil des Gebäudes bestimmte. Propagiert wurden ihre Formen von Gottfried Semper und Hermann Nicolai (Semper-Nicolai-Schule), von Rudolf Eitelberger, dem Gründer der Wiener Kunstgewerbeschule, sowie von anderen wichtigen Architekten der Zeit. Vor allem in Wien sind ganze Straßenzüge in Bauformen der Neurenaissance gehalten, nicht zuletzt an der Wiener Ringstraße.[1] Für die dabei entwickelten Formen kam die Bezeichnung Neu-Wiener Renaissance auf.

Nach der im Historismus üblichen Zuteilung bestimmter Stile für bestimmte Bauaufgaben war die Neurenaissance vor allem für Banken, Bürgerhäuser und auch Bildungseinrichtungen bestimmt. Wie bei der Neogotik wurden teilweise Strukturen der Renaissance ergänzt, beispielsweise die Ergänzung der aufwendigen Fassade von St. Michael in Aachen.

Ungefähr gleichzeitig entwickelte sich der Neubarock, der ab 1885 begann, die Hegemonie der Neurenaissance abzulösen. Ausprägung fand die Neurenaissance auch in Innenräumen, bei Kirchenausstattungen und im Möbelbau. Sie endete – mit einigen wenigen Ausnahmen bei Möbeln – um 1900.

Beispiele

Rathaus Hamburg
Reichstagsgebäude Berlin (um 1900)
Reichsgerichtsgebäude Leipzig
Kunsthistorisches Museum Wien
Staatsoper Wien
Bundeshaus Bern

Siehe auch

Literatur

  • Kurt Milde: Neorenaissance in der deutschen Architektur des 19. Jahrhunderts. Grundlagen, Wesen und Gültigkeit. Verlag der Kunst, Dresden 1981.
  • Daniela Biffar: Schmuckstücke der Neorenaissance. Der Bijouterie-Fabrikant Hermann Bauer (1833–1919). Edition Hatje, Ostfildern-Ruit 1996, ISBN 3-7757-0638-0.
  • Walter Krause (Hrsg.): Neorenaissance. Ansprüche an einen Stil. Verlag der Kunst, Dresden 2001, ISBN 3-929744-03-1.
Commons: Neorenaissance – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Die Gliederung in die Stilphasen Romantischer HistorismusStrenger HistorismusSpäthistorismus geht zurück auf die österreichische Kunsthistorikerin Renate Wagner-Rieger.

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14.03.2009 04107 Leipzig-Zentrum Süd, Simsonplatz 1: Ehemaliges Reichsgericht, 1885-1895 nach Plänen von P. Dybwad durch Ludwig Hofmann geschaffen. In der DDR-Zeit Georgi-Dimitroff-Museum. Nach der Wende Bundesverwaltungsgericht. Ferner war in DDR-Zeiten hier ab 1952 das Museum der Bildenden Künste untergebracht gewesen sowie weitere Nutzer. 1907 wurde hier Karl Liebknecht wegen seiner Schrift "Militarismus und Antimilitarismus" zu anderthalb Jahren Festungshaft verurteil. 1933 Reichtstagsbrandprozeß gegen Dimitroff (1892-1949), Popoff, Taneff und andere. Sicht von Osten. [DSCN35570.TIF]20090314135DR.JPG(c)Blobelt
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