Naturdenkmal Riesenstein

Blick auf den Buntsandstein-Steinbruch Riesenstein am entwaldeten Gaisberg (1620)

Das Naturdenkmal Riesenstein findet sich im Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald, am Nordhang des Gaisbergs bei Heidelberg. Es handelt sich um eine Gruppe markanter Felsblöcke am Hangfuß eines aufgelassenen Buntsandstein-Steinbruchs, der über mehrere Jahrhunderte ausgebeutet und bereits durch Matthäus Merian 1620 in seinem Hauptwerk (Topographia Germaniae) abgebildet wurde. Die wohl im 18. Jahrhundert herabgestürzten Felsen, die hohl übereinander liegen, wurden 1939 durch das Reichsnaturschutzgesetz als Naturdenkmal unter Schutz gestellt.[1]

Lage

Koordinaten: 49° 24′ 25,9″ N, 8° 42′ 13,9″ O Das Naturdenkmal (ND) mit seinen eindrucksvoll gruppierten Felsen befindet sich am Fuß einer mächtigen Buntsandsteinwand des Buntsandstein-Odenwalds. Freigelegt wurden die abgestürzten Steine 1846 beim Bau der Fahrstraße zwischen Klingenteich und Speyererhof, heutiger Johannes-Hoops-Weg. Zeitgleich errichtete man oberhalb die bekannte Riesensteinkanzel.[2] Seit 1934 führt der ausgebaute Riesensteinweg Wanderer und Wissenschaftler unmittelbar zu den ungewöhnlichen Felsblöcken. Heutzutage treffen sich hier vor allem Sportkletterer und Boulder.[3][4] Fest installierte Kletterhaken und Rückstände von Magnesiumcarbonat (weiße Flecken) an den Felsen belegen dies, trotz Verbot. Die Stadt Heidelberg hat basierend auf einem geologischen Gutachten den oberen Bereich am Riesenstein nun fest umzäunt und das Klettern generell untersagt (Stand: 2022).[5] Erosionsbedingt ist die potentielle Gefahr des Absturzes größerer Felsen bis in die Heidelberg Altstadt gegeben.

Historie

Steinschere
Heidelberger Schloss: Otto-Heinrichs-Bau, Prachtbauwerk aus Riesensteiner Buntsandstein.

Schon beim Betrachten des Merianstiches von 1620 gewinnt man einen Eindruck von den mächtigen Ausmaßen der Buntsandsteinwand an dem völlig entwaldeten Nordhang des Gaisbergs. Des Weiteren lässt sich auf der Abbildung eine Rutschbahn unterhalb des Steinbruchs erkennen. Hier wurden die gebrochenen Felsblöcke ins Tal „geriest“.[8] Doch schon in Nacheiszeit löste sich hier ohne menschliches Zutun immer wieder Gesteinsmaterial und stürzte bis auf das Gelände der heutigen Altstadt Heidelbergs hinab.[9] So fanden sich beispielsweise große Felsblöcke im Bodenaushub beim Bau der Tiefgarage „Parkhaus am Theater“ (Friedrich-Ebert-Anlage 51).

Corpshaus der Saxo-Borussia, mit Riesenstein und Aussichtskanzel im Hintergrund (um 1880).

Nachweislich wurde das Gestein vom Riesenstein ab 1430 für die Turm- und Prachtbauten am Heidelberger Schloß verwendet.[10][11] Auch zahlreiche historische Gebäude der Altstadt (z. B. Peterskirche, Klingentor, Haus „Zum Riesen“) sowie Teile der Alten Brücke sind aus dem gleichen Material entstanden. Wie die extrem schweren Arbeiten im Steinbruch damals vonstatten gingen, ist nicht überliefert. Als sicher gilt aber, dass zeitweise Strafgefangene und Fronarbeiter daran beteiligt waren.[12] Steinscheren, auch Teufelskrallen genannt, dienten damals zum Anheben und Abtransport der gebrochenen Steinblöcke unter Zuhilfenahme von Seilen und Zugtieren. Das Funktionsprinzip der Steinschere ist aus der Skizze erkennbar. Ab dem 17. Jahrhundert wurden auch vorgefertigte Werksteine geliefert (Steinhaurerei). Aus dieser Epoche könnte der abgestürzte Treppenstein stammen.

Der Steinbruch war ursprünglich im Besitz der kurfürstlichen Hofverwaltung (Hofkammer). Nach deren Ende 1777 (Verlegung der kurpfälzischen Residenz nach München), gingen die Abbaustätte sowie die umliegenden Flächen vollständig in das Eigentum der Stadt Heidelberg über.

1830 wurde das Gasthaus "Zum Riesenstein" an der damaligen Leopold-Anlage (später Friedrich-Ebert-Anlage) unterhalb des heutigen Naturdenkmals erbaut. Das Gebäude gehört seit 1874 der Studentenverbindung Saxo-Borussia.[13] Die Adresse lautet heute noch: Haus Riesenstein, Friedrich-Ebert-Anlage 44, 69117 Heidelberg.

Um 1930 wurde der Steinbruch Riesenstein nach seiner Stilllegung ohne Rekultivierungs- und Sicherungsmaßnahmen der Natur überlassen.[12] Rasch stellten sich Gehölze und Baumgruppen ein, die auf den Terrassen der Abbaustätte und an den Rändern Fuß gefasst hatten. Heute ist die Vegetation so weit fortgeschritten, dass man von den einst aufgeschlossenen Gesteinsflächen nur noch einen Bruchteil erkennt. Auch der Bau des Johannes-Hoops-Weges (um 1900), der Fahrstraße vom Klingenteich zum Speyererhof, hat zu dieser Situation beigetragen.

Geologie

ND Riesenstein, Felsblock mit ausgewitterten Hohlräumen (Tongallen) und Spuren von Magnesiumcarbonat
Tongallen mit Azurit-Kristallen (blau).

Das Naturdenkmal wie der aufgelassene Steinbruch zählen zur sog. Gaisbergverwerfung, die sich vom Gipfel des Gaisbergs (376 m üNN) in nordöstliche Richtung bis zur Molkenkur erstreckt. An den steilen Hängen steht überwiegend die Formation des Mittleren Buntsandsteins (Pseudomorphosensandstein) an. Die Hauptverbreitung dieses Gesteins zieht in östlicher Richtung (Schloss-Wolfsbrunnenweg) bis in das Neckartal.[10] Dort sind diese braunroten Bausandsteine auch als Neckartäler Sandstein bekannt.

Sowohl an den aufgeschlossenen Sandsteinwänden am Gaisberg als auch an dem abgestürzten Gesteinsmaterial erkennt man rote Schichten sowie lagig entfärbte, horizontal verlaufende Schichtungsstrukture (sog. Schlufflagen). Das Gestein ist meist verkieselt und bildet infolge der erhöhten Resistenz gegen Verwitterung die Blockhalden und Felsenmeere an den Buntsandsteinhängen des Odenwalds. Der Pseudomorphosensandstein liefert ideale Bau- und Werksteine, die sich relativ leicht weiter verarbeiten lassen.[10] Das Gestein besteht fast ausschließlich aus klastischen Sedimenten, unter denen feine bis mittelkörnige Komponenten überwiegen. Die Körner weisen einen Überzug aus Eisenoxiden auf, die dem Gestein seine charakteristische rotbraune Farbe geben. Sie weisen auf den Gehalt an Eisen und Mangan hin. Typisch für das Gestein sind in Hohlräumen eingelagerte Tongallen (Manganoxyde und Azurit Cu3(CO3)2(OH)2, s. nebenstehende Abbildung).[14] In Deutschland ist das hellblaue Mineral unter anderem noch im Schwarzwald, im Harz (Niedersachsen bis Sachsen-Anhalt) sowie im Erzgebirge (Sachsen) verbreitet. Die Verwendung von Azurit lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen, wo es als Schminke verwendet wurde. Heute findet es Anwendung in der Kunstmalerei.[15]

Mit dem umfänglichen Gesteinsabbau am Riesenstein haben Menschen über mehrere Jahrhunderte in den Naturraum des Kleinen Odenwalds und in die Morphologie der Gaisbergscholle erheblich eingegriffen. Die Veränderungen sind nicht mehr reversibel. So erodiert die ca. 30 m hohe aufgeschlossene Buntsandsteinwand seit vielen Jahrzehnten deutlich sichtbar an ihren Verwerfungslinien. Die Absturzgefahr größerer Felspartien ist nur eine Frage der Zeit. Tektonisch ist die Gaisbergscholle durch die fortschreitende Absenkung des Oberrheingrabens immer noch Bewegung. Bislang waren nur leichte Beben mit geringen Gebäudeschäden zu vermerken.[16]

Siehe auch

  • Gedenktafeln am Riesensteinweg

Quellen

Weiterführende Literatur

  • E. Backhaus: Zur Neugliederung des Odenwälder Buntsandsteins und ein Vergleich mit Nordhessen und Thüringen. In: N. Jb. Geol. Paläont. (Mh. 3), 1960: S. 292–313; Stuttgart.
  • Herbert Derwein: Die Flurnamen von Heidelberg: Riesenstein (Steinbruch, Gewann, Walddistrikt) Nr. 724. In: Veröffentlichungen der Heidelberger Gesellschaft zur Pflege der Heimatkunde. Band 1. Verlag Universitätsbuchhandlung Carl Winter, Heidelberg 1940.
  • Herbert Derwein: Geschichte der Stadt Heidelberg. In: Die Stadt und die Landkreise Heidelberg und Mannheim. Amtliche Kreisbeschreibung. Band 2: Die Stadt Heidelberg und die Gemeinden des Landkreises Heidelberg. Herausgegeben von der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, 1968, Karlsruhe.
  • Horst Eichler: Heidelberg – Lernlandschaft Südliche Gaisbergscholle. Verlag Regionalkultur (Ubstadt-Weiher), 2017,180 S.
  • Michael Geiger: Die pleistozäne Hangabtragung im Heidelberger Buntsandstein-Odenwald. Geographische Arbeiten 38, 1997, S. 179–247.
  • Friedrich-Franz Koehnemann: Wanderungen durch Heidelberger Wälder. Heidelberger Verlagsanstalt, 1990, 128 S.
  • Ludwig Rüger: Geologischer Führer durch Heidelbergs Umgebung (Odenwald-Kraichgau-Bauland-Rheinebene): Universitätsbuchhandlung Carl Winter Heidelberg, 1928, 353 S.
  • Manfred Schöttle: Geologische Naturdenkmale im Regierungsbezirk Karlsruhe. Eine Zusammenstellung geschützter und schutzwürdiger geologischer Objekte. In: Beih. Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad. Württ. Band 38, 1984, Karlsruhe.
  • J. L. Wilser: Heutige Bewegungen im Oberrheintal. Natur und Museum 1929.

Einzelnachweise

  1. LUBW Sachdaten LUBW Datenbank, abgerufen am 25. September 2022.
  2. Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg (Hrsg.): Stadtkreis Heidelberg Teilband I. Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Bd. II.5.1, 2013, Thorbecke Verlag.
  3. Bouldern am Riesenstein, Heidelberg, abgerufen am 1. Oktober 2022.
  4. „Riesenstein I Boulderfelsen – Riesenstein“ bei Felsinfo des DAV (Memento vom 29. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
  5. AG Klettern & Naturschutz im Odenwald e.V., abgerufen am 1. Oktober 2022.
  6. Wegweiserstein I09g, Webseite Stadt Heidelberg, abgerufen am 14. Oktober 2022.
  7. Wegweiserstein I01d, Webseite Stadt Heidelberg, abgerufen am 10. Oktober 2022.
  8. Rhein-Neckar-Zeitung: Woher stammt der Name Riesenstein? (1957/58).
  9. Peter Sinn: Das geologische Fundament Heidelbergs – Stadtbild und Siedlungsgeschichte. In: Heidelberger Geschichtsverein (Hrsg.): Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt. 1997.
  10. a b c Hans Thürach: Erläuterungen zu Blatt Heidelberg. Geolog. Spezial-Karte Großherzogtum Baden. 3. Auflage, 149 S. Unveränderter Nachdruck als Geolog. Karte 1:25 000 Baden-Württemberg, Bl. 6518 Heidelberg-Nord, Stuttgart 1984.
  11. Karl Emil Otto Fritsch: Das Heidelberger Schloß. In: Die Gartenlaube. Heft 8, 1883, S. 128–132 (Volltext [Wikisource]).
  12. a b Friedrich-Franz Koehnemann: Der Heidelberger Stadtwald, seine Geschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Heidelberger Verlagsanstalt, 1987, S. 26.
  13. Eberhardt Kühne, Robert von Lucius: Zur Geschichte des Riesensteins. In: Robert von Lucius (2008), S. 189–195.
  14. T. Huth, B. Junker: Riesenstein (ND) TK 6518. Geotouristische Karte von Baden-Württemberg 1:200.000 - Nord. Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (Hrsg.), 2005, Freiburg i. Br., S. 405.
  15. Kurt Wehlte: Werkstoffe und Techniken der Malerei, Otto Maier Verlag, Ravensburg 1967, ISBN 3-473-48359-1
  16. Horst Eichler: Heidelberg – Lernlandschaft Südliche Gaisbergscholle. Verlag Regionalkultur (Ubstadt-Weiher) 2017, S. 23.

Weblinks

Commons: Riesenstein (Heidelberg) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Naturdenkmal Riesenstein im Heidelberger Stadtwald, am 27.06.1939 verordnet. LUBW Schutzgebietsnummer (SGB-Nr.): 82210001103. Hier: Abgestürzter Felsen (Treppenstein) am Hangfuß des Buntsandsteinbruchs Riesenstein. Ab dem 16. Jh. wurden im Steinbruch solche Werksteine vorgefertigt und anschließend an ihren Bestimmungsort überführt. Die Abbaustätte Riesenstein war ursprünglich im Besitz der kürfürstlichen Hofverwaltung (syn. Hofkammer) bzw. nach deren Ende 1777 im Eigentum der Stadt Heidelberg.
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Naturdenkmal Riesenstein im Heidelberger Stadtwald, am 27.06.1939 verordnet. LUBW Schutzgebietsnummer (SGB-Nr.): 82210001103. Literatur: Schöttle, Manfred: Geologische Naturdenkmale im Regierungsbezirk Karlsruhe. Eine Zusammenstellung geschützter und schutzwürdiger geologischer Objekte. In: Beih. Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad. Württ. Band 38, 1984, Karlsruhe.
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Auf einer Felsnase im Jahr 1846 errichtete Aussichtskanzel am Riesenstein - "Narrenhände verschmieren Tisch und Wände" (W. Busch).
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Tongallen mit Azurit-Kristallen (blau) im Mittleren Buntsandstein (sm).
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Erodierte, zerbrochene Buntsandsteinschollen am Riesenstein. Das Wurzelwerk aufgestockter Gehölze dringt in die Schollenspalten ein und beschleunigt die Erosionsvorgänge erheblich.
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Die hofseitige Fassade des Ottheinrichsbaus im Heidelberger Schloß. Dieser Palast wurde 1556 begonnen und erst zehn Jahre später vollendet.
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Historischer Hinweis am Riesenstein. Bedeutendes Naturdenkmal im Heidelberger Stadtwald, am 27.06.1939 verordnet. LUBW Schutzgebietsnummer (SGB-Nr.): 82210001103.
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Riesenstein, Kletterhaken mit abgeschnittenem Seil.
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Blick auf den Steinbruch Riesenstein am Gaisberg (1620)
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Johannes-Hoops-Weg am Gaisberg auf Höhe des Riesensteins (Stadtwald Heidelberg)
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Abgestürzter Felsen aus dem stillgelegten Buntsandsteinbruch Riesenstein am Gaisberg (Heidelberg).[1] Die ausgelegten Holzdielen sind Hinterlassenschaften der Boulder.
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Naturdenkmal Riesenstein, Felsblock mit ausgewitterten Hohlräumen (Tongallen) und Magnesiarückständen (weißliche Flecken).
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Gemälde des Steinbruchs Riesensteins mit Aussichtskanzel und dem gleichnamigen Corpshaus der Saxo-Borussia am Hangfuß des Gaisbergs (damals: Leopoldstraße, heute: Friedrich-Ebert-Anlage 44). Ursprünglich zwei-geschossiger Putzbau (erbaut 1802) mit Rechteckfenstern und Gefallenen-Denkmal. Ehemals Gastätte: "Sattler Müllers Gastwirtschaft". Die abgebildeten Personen bewegen sich auf der 1863 erbauten Trasse der Odenwaldbahn.