Nationalratswahlkreis Tessin-Süd

Der Nationalratswahlkreis Tessin-Süd war ein Wahlkreis bei Wahlen in den Schweizer Nationalrat. Er bestand von 1851 bis 1919 (Einführung des heute üblichen Proporzwahlrechts) und umfasste den südlichen Teil des Kantons Tessin.

Wahlverfahren

Hierbei handelte es sich um einen Pluralwahlkreis. Dies bedeutet, dass zwar mehrere Sitze zu verteilen waren, jedoch das Majorzwahlrecht zur Anwendung gelangte. Im Sinne der romanischen Mehrheitswahl benötigte ein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen, um gewählt zu werden. Zur Verteilung aller Sitze waren unter Umständen mehrere Wahlgänge notwendig. Jeder Wähler hatte so viele Stimmen, wie Sitze zu vergeben waren.

Bezeichnung und Sitzzahl

Wahlkreise Kanton Tessin 1851–1881
Wahlkreise Kanton Tessin 1881–1902
Wahlkreise Kanton Tessin 1902–1911
Wahlkreise Kanton Tessin 1911–1919

Tessin-Süd ist eine inoffizielle geographische Bezeichnung. Im amtlichen Gebrauch üblich war eine über die gesamte Schweiz angewendete fortlaufende Nummerierung, geordnet nach der Reihenfolge der Kantone in der schweizerischen Bundesverfassung. Aufgrund der wechselnden Anzahl im Laufe der Jahre erhielten manche Wahlkreise mehrmals eine neue Nummer. Tessin-Süd trug ab 1851 (erstmalige Anwendung eines einheitlichen Bundesgesetzes) die Nummer 41, ab 1863 die Nummer 39, ab 1872 die Nummer 40, ab 1881 die Nummer 41, ab 1890 die Nummer 44 und ab 1902 die Nummer 42.

Tessin-Süd hatte eine wechselnde Anzahl an Sitzen zur Verfügung:

  • 1851 bis 1878: 3 Sitze
  • 1881 bis 1899: 2 Sitze
  • ab 1902: 4 Sitze

Ausdehnung

Das Gebiet des Wahlkreises wurde am 21. Dezember 1850 mit dem «Bundesgesetz betreffend die Wahl der Mitglieder des Nationalrathes» erstmals verbindlich festgelegt, nachdem 1848 der ganze Kanton noch einen einzigen Wahlkreis gebildet hatte.[1] Er umfasste:

Gemäss dem «Bundesgesetz betreffend die Wahlen in den Nationalrath» vom 3. Mai 1881 erfolgte eine markante Verkleinerung, als der Kreis Giubiasco sowie grössere Gebiete im Bezirk Lugano abgetrennt und dem Wahlkreis Tessin-Nord angefügt wurden.[2] Durch diesen Zuschnitt sollten den Tessiner Liberalen zumindest zwei Sitze garantiert werden. Der Wahlkreis Tessin-Süd erhielt in der Folge den spöttischen Spitznamen «Circondarietto» (Wahlkreislein). Er umfasste neu:

Mit dem «Bundesgesetz betreffend die Nationalratswahlkreise» vom 4. Juni 1902 wurde der Bezirk Lugano wieder in einem Wahlkreis vereinigt, ausserdem kamen zwei Gemeinden des Bezirks Bellinzona auf der Südseite des Monte Ceneri hinzu.[3] Nun umfasste der Wahlkreis:

  • im Bezirk Bellinzona die Gemeinden Isone und Medeglia
  • den Bezirk Lugano
  • den Bezirk Mendrisio

Zu einer letzten Gebietsveränderung kam es mit dem «Bundesgesetz betreffend die Nationalrathswahlkreise» vom 23. Juni 1911, indem die beiden zum Bezirk Bellinzona gehörenden Gemeinden zurück zum Wahlkreis Tessin-Nord gelangten.[4] Tessin-Süd umfasste zuletzt:

  • den Bezirk Lugano
  • den Bezirk Mendrisio

1919 wurden die zwei Tessiner Wahlkreise zum heute noch bestehenden Nationalratswahlkreis Tessin zusammengelegt, in welchem das Proporzwahlrecht gilt.

Nationalräte

  • G = Gesamterneuerungswahl
  • E = Ersatzwahl bei Vakanzen
  • (A) = Ergebnis annulliert
  • Freisinnige Linke (FL), Freisinnig-Demokratische Partei (FDP)
  • Katholisch-Konservative (KK), Konservative Volkspartei (KVP)
  • Sozialdemokratische Partei (SP)
  • DatumWahlGewähltePartei
    26.10.1851G Agostino Demarchi, Giacomo Luvini, Benigno SoldiniFL
    20.06.1852E Augusto FogliardiFL
    29.10.1854G (A) Giuseppe Filippo Lepori, Gaetano Luvisoni, Leone de StoppaniKK
    11.03.1855E Cesare Bernasconi, Giacomo Luvini, Giovanni Battista RamelliFL
    25.10.1857G Cesare Bernasconi, Giacomo Luvini, Giovanni Battista RamelliFL
    28.10.1860G Giacomo Luvini, Giovanni Battista Ramelli, Carlo SoldiniFL
    29.06.1862E Carlo BattagliniFL
    28.12.1862E Augusto FogliardiFL
    28.10.1863G Carlo Battaglini, Costantino Bernasconi, Antonio BossiFL
    28.10.1866
    29.10.1866
    G Carlo Battaglini, Costantino BernasconiFL
     Giovanni PolarKK
    01.03.1868E Giuseppe SoldiniFL
    31.10.1869G Carlo Battaglini, Costantino Bernasconi, Giuseppe SoldiniFL
    27.10.1872
    03.12.1872
    G (A) Carlo Battaglini, Costantino BernasconiFL
     Massimiliano MagattiKK
    19.10.1873E Carlo Battaglini, Emilio CensiFL
     Massimiliano MagattiKK
    31.10.1875G Bernardino Lurati, Massimiliano Magatti, Carlo PastaKK
    27.10.1878G Bernardino Lurati, Massimiliano Magatti, Erennio SpinelliKK
    24.10.1880E Ignazio PolarKK
    30.10.1881G Carlo Battaglini, Costantino BernasconiFL
    26.10.1884G Carlo Battaglini, Costantino BernasconiFL
    30.10.1887G Costantino Bernasconi, Leone de StoppaniFL
    26.10.1890G Costantino Bernasconi, Leone de StoppaniFL
    29.10.1893G Achille Borella, Leone de StoppaniFL
    08.09.1895E Romeo ManzoniFDP
    25.10.1896G Achille Borella, Romeo ManzoniFDP
    29.10.1899G Achille Borella, Romeo ManzoniFDP
    26.10.1902
    09.11.1902
    G Achille Borella, Emilio Censi, Antonio SoldiniFDP
     Giovanni LuratiKK
    29.10.1905
    12.11.1905
    G Achille Borella, Emilio Censi, Romeo ManzoniFDP
     Giovanni LuratiKK
    25.10.1908G Achille Borella, Romeo Manzoni, Francesco VassalliFDP
     Mario FerriSP
    29.10.1911G Achille Borella, Romeo Manzoni, Francesco VassalliFDP
     Giovanni LuratiKK
    22.12.1912E Antonio FusoniFDP
    15.03.1914E Angelo TarchiniKVP
    25.10.1914
    08.11.1914
    G Achille Borella, Emilio Bossi, Francesco VassalliFDP
     Angelo TarchiniKVP
    28.10.1917
    11.11.1917
    G Achille Borella, Emilio Bossi, Francesco VassalliFDP
     Antonio Luigi RivaKVP

    Quelle

    • Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 3. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1445-3.

    Einzelnachweise

    1. Bundesgesetz betreffend die Wahl der Mitglieder des Nationalrathes (vom 21. Dezember 1850). (PDF, 676 kB) In: Bundesblatt Nr. 61 vom 28. Dezember 1850. admin.ch, 21. Mai 2013, abgerufen am 1. November 2014.
    2. Bundesgesetz betreffend die Wahlen in den Nationalrath (vom 3. Mai 1881). (PDF, 288 kB) In: Bundesblatt Nr. 20 vom 10. Mai 1881. admin.ch, 21. Mai 2013, abgerufen am 1. November 2014.
    3. Bundesgesetz betreffend die Nationalratswahlkreise (vom 4. Juni 1902). (PDF, 281 kB) In: Bundesblatt Nr. 24 vom 11. Juni 1902. admin.ch, 21. Mai 2013, abgerufen am 1. November 2014.
    4. Bundesgesetz betreffend die Nationalrathswahlkreise (vom 23. Juni 1911). (PDF, 296 kB) In: Bundesblatt Nr. 26 vom 28. Juni 1911. admin.ch, 21. Mai 2013, abgerufen am 1. November 2014.

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    Nationalratswahlkreise im Kanton Tessin von 1902 bis 1908