Namensstatistik

Die Namensstatistik (auch: Namenstatistik) befasst sich mit der Häufigkeit einzelner Namen oder Namengruppen sowie mit der Entwicklung dieser Häufigkeiten. Dabei ist zwischen Vornamen und Familiennamen und gegebenenfalls anderen Namentypen[1] zu unterscheiden. Angaben zu Häufigkeiten von Namen befriedigen zunächst einmal das Interesse breiter Bevölkerungsschichten, können aber auch praktischen Bedürfnissen entgegenkommen, etwa bei der Wahl von Vornamen für Neugeborene, wenn der Name nicht zu häufig oder auch nicht zu selten sein soll. Bei häufigen Familiennamen stellt sich gelegentlich das Bedürfnis ein, differenzierende Namenszusätze einzuführen, so etwa bei dem Politiker Hermann Schmitt-Vockenhausen, der als Hermann Schmitt in Eppstein-Vockenhausen geboren wurde und sich später offiziell nach seinem Geburtsort nannte.

Öffentliche Resonanz

Das große Interesse an der Häufigkeit von Namen spiegelt sich in der regelmäßigen Berichterstattung in den Medien über die jeweils bevorzugten Vornamen, die regional unterschiedlich ausfallen können und sich mit der Zeit auch ändern, am deutlichsten erkennbar am Phänomen der Modenamen. So stellt Koß in einer Graphik dar, wie die Namen Peter und Andreas von den vierziger bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts den typischen Häufigkeitsverlauf von Modenamen aufweisen.[2] Besonders ausführlich sind die jährlichen Berichte über die Vornamenwahl in der Zeitschrift Der Sprachdienst der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), etwa in dem Beitrag von Rüdebusch 2017.[3] Tabellen zu den 10 häufigsten Vornamen für Jungen und Mädchen in 22 Ländern in den Jahren 2004/05 findet man, allerdings ohne Daten, im Vornamenlexikon des Dudenverlags.[4]

Zu den Anfängen der Namensstatistik

Zumindest für Namen im deutschen Sprachraum lässt sich feststellen, dass es bereits im 19. Jahrhundert einschlägige Erhebungen gab. So hat Förstemann (1953) Daten dazu erhoben, wie sich im Verbrüderungsbuch von St. Peter zu Salzburg ein phonetischer Wandel für die Zeit zwischen 800 und 1200 vollzog.[5] Eine andere Erhebung (Förstemann 1852) betrifft den unterschiedlichen Aufbau altdeutscher Namen aus Wortstamm/Wortstämmen und Endung.[6] Bei Bacmeister (1870) findet man Zusammenstellungen zur Häufigkeit von Familiennamen in Reutlingen und Eningen.[7][8]

Namensstatistik als Untersuchungsgegenstand der Quantitativen Linguistik

Ein anderer Aspekt, sich mit Namensforschung zu befassen, besteht darin, zu untersuchen, ob die Häufigkeiten von Namen Gesetzmäßigkeiten aufweisen, wie sie die Quantitative Linguistik generell vorschlägt. Solche Fragestellungen stecken anscheinend noch weitgehend in den Anfängen. Deshalb können hier nur einige Hinweise gegeben werden.

Historischer Aspekt

Wie bereits angedeutet, hat Förstemann einen phonetischen (orthographischen?) Prozess (den Übergang von <ai> zu <ei>) über die Zeit von 800 bis 1200 erhoben, für den nachgewiesen werden kann, dass er dem Piotrowski-Gesetz entsprechend verläuft.[9]

Auch Modenamen können als historische Prozesse aufgefasst werden, die dem Piotrowski-Gesetz entsprechen sollten. Die bereits erwähnte Graphik von Koß hierzu bestätigt das dem Augenschein nach für alle vier dargestellten Namen; mangels Daten ist aber ein Test dieser Annahme nicht möglich.

Strukturelle Aspekte

Am besten belegbar ist derzeit wohl das Phänomen, dass sowohl Familien- als auch Vornamen, nach ihrer Häufigkeit in eine Rangordnung gebracht, Rangordnungsgesetzen unterliegen.[10]

Ein weiteres, mehrfach erprobtes Feld ist das Diversifikationsgesetz. Ein typischer Fall dafür sind Familiennamen, denen wie bei Lange, Langer. Lang und Langen der gleiche Wortstamm zugrunde liegt und deren Häufigkeitsrelationen sich als gesetzmäßig erweisen.[11] Mit gleichem Ergebnis wurden mehrere weitere Fälle von Diversifikation bei Familien- ebenso wie bei Vornamen getestet.[12]

Als Beispiel diene die Diversifikation des Namens Schmidt mit seinen Varianten, so wie Bluhme[13] sie anhand der Telefonanschlüsse der Städte Bozen und Meran erhoben hat, geordnet nach abnehmender Häufigkeit:

RangSchreibungAnzahl
1Schmied65
2Schmid41
3Schmitt36
4Schmidt26

Die Diversifikation beruht in diesem Fall auf nur vier unterschiedlichen Formen; es gibt Namen mit weniger, aber auch solche mit wesentlich größerer Diversifikation.[14]

Anzufügen ist noch eine einzelne Beobachtung zum Textblockgesetz, die sich als erfolgreich erwies.[15]

Literatur

  • Rosa und Volker Kohlheim (Bearbeiter): Duden. Das große Vornamenlexikon. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Zürich 2007, Nachdruck 2012, ISBN 978-3-411-06083-2, Tabellenverzeichnis S. 517.
  • Frauke Rüdebusch: Die beliebtesten Vornamen 2017. In: Der Sprachdienst 3, 2018, S. 91–110.
  • Gerhard Müller: Die beliebtesten Vornamen in Deutschland seit 1960. In: Jürgen Eichhoff, Wilfried Seibicke, Michael Wolffsohn (Herausgeber): Name und Gesellschaft. Soziale und historische Aspekte der Namengebung und Namenentwicklung. Dudenverlag, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 2001, ISBN 3-411-70581-7, S. 52–69.
  • Konrad Kunze: dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet. 5., durchgesehene und korrigierte Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998. ISBN 3-423-03266-9.
  • Rosa und Volker Kohlheim (Bearbeiter): Duden. Familiennamen, Herkunft und Bedeutung. Dudenverlag, Berlin 2005. S. 51 f.

Weblinks

Wiktionary: Namensstatistik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Siehe „Flurnamenstatistik“ bei Gerhard Bauer: Namenkunde des Deutschen. Peter Lang, Bern, Frankfurt am Main, New York 1985, ISBN 3-261-03205-7, S. 107 f.
  2. Gerhard Koß: Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik. Niemeyer, Tübingen 1990, ISBN 3-484-25134-4, S. 88.
  3. Frauke Rüdebusch: Die beliebtesten Vornamen 2016. In: Der Sprachdienst 3, 2017, S. 125–144.
  4. Rosa und Volker Kohlheim (Bearbeiter): Duden. Das große Vornamenlexikon. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Zürich 2007, Nachdruck 2012, ISBN 978-3-411-06083-2, Tabellenverzeichnis S. 517.
  5. Ernst Förstemann: Die diphthonge im verbruederungsbuch von St. Peter zu Salzburg. In: Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen (= Kuhns Zeitschrift) 2, 1853, S. 337–350, Bezug S. 338 f.
  6. Ernst Förstemann: Die zusammensetzung altdeutscher personennamen. In: Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen (= Kuhns Zeitschrift) 1, 1852, S. 97–116, Bezug Seite 102, 103.
  7. Adolf Bacmeister: Alte Familiennamen. In: Adolf Bacmeister: Germanistische Kleinigkeiten. Kröner, Stuttgart 1870, S. 1–52.
  8. Karl-Heinz Best: Adolf Lucas Bacmeister (1827-1873). In: Glottometrics. 13, 2006, S. 79–84. (PDF Volltext). Auch in: Karl-Heinz Best: Studien zur Geschichte der Quantitativen Linguistik. Band 1. RAM-Verlag, Lüdenscheid 2015, ISBN 978-3-942303-30-9, S. 7–13.
  9. Karl-Heinz Best: Ernst Wilhelm Förstemann (1822–1906). In: Glottometrics. 12, 2006, S. 77–86. (PDF Volltext). Auch in: Karl-Heinz Best: Studien zur Geschichte der Quantitativen Linguistik. Band 1. RAM-Verlag, Lüdenscheid 2015, S. 51–61, Bezug S. 55 f. ISBN 978-3-942303-30-9.
  10. Karl-Heinz Best: Rangordnungen deutscher Eigennamen. In: Gabriel Altmann, Iryna Zadorozhna, Yuliya Matskulyak (Hrsg.): Problemy zagal’noho, hermans’koho ta slov’janskoho movoznavstva do 70-riccja professora V.V. Levic’koho/ Problems of General, Germanic and Slavic Languages. Papers for 70-th Anniversary of Professor V. Levickij. Chernivtsi: Books – XXI 2008, S. 454–460.
  11. Karl-Heinz Best: Quantitative Linguistik. Eine Annäherung. 3., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Peust & Gutschmidt Verlag, Göttingen 2006, ISBN 3-933043-17-4, S. 84 f.
  12. Karl-Heinz Best: Diversifikation bei Eigennamen. In: Peter Grzybek & Reinhard Köhler (Hrsg.): Exact Methods in the Study of Language and Text. Dedicated to Gabriel Altmann on the Occasion of his 75th Birthday. Berlin / New York: Mouton de Gruyter 2007, ISBN 978-3-11-019354-1, S. 21–31.
  13. Hermann Bluhme: Bemerkungen zu den Formen des Namens "Schmidt". In: Peter Grzybek & Reinhard Köhler (Hrsg.): Exact Methods in the Study of Language and Text. Dedicated to Gabriel Altmann on the Occasion of his 75th Birthday. Berlin/ New York: Mouton de Gruyter 2007, ISBN 978-3-11-019354-1, S. 33–38, Tabelle S. 36.
  14. Beispiele für wesentlich größere Diversifikation bei Namen im Beitrag von Best (2007), im gleichen Band wie der von Bluhme.
  15. Karl-Heinz Best: Quantitative Linguistik. Eine Annäherung. 3., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Peust & Gutschmidt Verlag, Göttingen 2006, ISBN 3-933043-17-4, S. 102.