Nagyágit

Nagyágit
Nagyagite-163939.jpg
(c) Christian Rewitzer, CC BY-SA 3.0
Nagyágit aus der Typlokalität Nagyág (Săcărâmb), Rumänien (Bildbreite 3 mm)
Allgemeines und Klassifikation
Andere Namen
  • Nagyagit (nach Haidinger)
  • Nagyagererz oder Nagiakererz (nach Werner)
  • Blättererz (nach Karsten)
  • Blättertellur (nach Hausmann)
Chemische Formel
  • [Pb3(Pb,Sb)3S6](Au,Te)3[1]
  • [Pb(Pb,Sb)S2][Au,Te][2]
  • (Au,Te)3Pb3(Pb,Sb,Bi)3S6[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide und Sulfosalze
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

II/D.15
2.HB.20a
02.11.10.01
Kristallographische Daten
Kristallsystemmonoklin[4]
Kristallklasse; Symbolmonoklin-prismatisch; 2/m[5]
RaumgruppeP21/m (Nr. 11)Vorlage:Raumgruppe/11[2]
Gitterparametera = 4,22 Å; b = 4,18 Å
α = 15,12°; β = 95,4°[2]
FormeleinheitenZ = 2[2]
Häufige Kristallflächen{010}
Zwillingsbildungmultiple Zwillinge nach (001)
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte1,5[4]
Dichte (g/cm3)gemessen: 7,35 bis 7,49; berechnet: 7,29[4]
Spaltbarkeitvollkommen nach {010}, sehr vollkommen nach {101}[4]
Bruch; Tenazitätbiegsam, geringfügig verformbar
Farbegrauweiß, bleigrau bis schwarz
Strichfarbegrau-schwarz
Transparenzundurchsichtig
GlanzMetallglanz
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhaltenin Salpetersäure unter Abscheidung von Gold, in Königswasser unter Abscheidung von Silberchlorid und Schwefel löslich

Nagyágit, veraltet auch als Blättererz, Blättertellur, Nagyiakererz oder Nagyakker-Silber bekannt, ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“. Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung [Pb3(Pb,Sb)3S6](Au,Te)3[1] und gehört strukturell zu den Sulfosalzen.

Nagyágit ist in jeder Form undurchsichtig (opak) und entwickelt meist grauweiße oder bleigraue bis schwarze Kristalle mit dünntafeligem bis blättrigem Habitus und metallischem Glanz, aber auch körnige bis massige Aggregate. Durch multiple Zwillingsbildung täuscht Nagyágit oft eine pseudoorthorhombische[6] bis -tetragonale[4] Symmetrie vor.

Etymologie und Geschichte

Bereits 1782 untersuchte der österreichische Chemiker und Mineraloge Franz Joseph Müller von Reichenstein die damals noch unbekannten Minerale Nagyágit und Sylvanit in den Golderzen aus der Grube Mariahilf bei Zlatna (dt. Klein Schlatten, ung. Zalatna) nahe Sibiu (dt. Hermannstadt, Siebenbürgen, Rumänien), die weniger Gold als erwartet enthielten. Er führte dies auf das Vorkommen eines neuen, bislang unbekannten Elementes zurück, und verlieh der metallischen Phase den Namen metallum problematicum (auch aurum problematicum beziehungsweise aurum paradoxum).

1797 untersuchte Martin Heinrich Klaproth in Berlin die Proben von Reichenstein erneut, bestätigte im Jahr darauf dessen Vermutung und verlieh dem neuen Element den Namen Tellur.

Abraham Gottlob Werner führte 1789 die Bezeichnung Nagiakererz[7] bzw. Nagyakker-Silber in seiner Mineralsystematik ein und ergänzte diesen mit der Bemerkung: „Von dem Nagyakker-Silber ist mir zur Zeit noch nichts weiter bekannt, als dass es mit dem Nagyakker-Golderz den Geburtsort, wie schon der Nahme zeigt, gemein hat, auch demselben überhaupt ziemlich ähnlich, jedoch heller von Farbe ist.“[8] Dietrich Ludwig Gustav Karsten übernahm diese Bezeichnung zunächst, änderte diesen aber 1800 mit der Begründung „Der in Wien übliche Gattungs-Name Blättererz ist in mancher Hinsicht vorzüglicher als das geographische Wort Nagyakkererz.“[7]

Haidinger bezeichnete das Mineral 1845 in seinem „Handbuch der bestimmenden Mineralogie“ schließlich als Nagyagit, in Anlehnung an dessen bereits von Werner genannten Typlokalität Nagyág (heute Săcărâmb) im Kaisertum Österreich (heute Rumänien).[9]

Zum Ende des 20. Jahrhunderts wurde Nagyágit als potentieller Hochtemperatursupraleiter erneut untersucht. Erst im Zuge dieser Forschungen wurde 1999 die Kristallstruktur von Nagyágit von Mineralogen in Wien und Salzburg endgültig geklärt.

In älteren Publikationen ist der Mineralname meist in der Schreibweise Nagyagit (ohne Akut) zu finden, was allerdings nicht den Vorgaben zur Mineralbenennung der International Mineralogical Association (IMA) entspricht[10], nach der beispielsweise Minerale, die nach einem geographischen Fundort benannt wurden, darauf geachtet werden muss, dass die Schreibweise des Namens derjenigen an der Typlokalität entspricht. Die bei vielen Mineralen uneinheitliche Schreibweise ihrer Namen wurde mit der 2008 erfolgten Publikation „Tidying up Mineral Names: an IMA-CNMNC Scheme for Suffixes, Hyphens and Diacritical marks“[11] bereinigt und der Nagyágit wird seitdem international in der Schreibweise mit dem zugehörigen Akut geführt.[12]

Klassifikation

Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Nagyágit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung der „Sulfide mit [dem Stoffmengenverhältnis] M(etall) : S(chwefel) < 1 : 1“, wo er zusammen mit Calaverit, Kostovit, Krennerit, Montbrayit und Sylvanit die Gruppe der „Gold-Silber-Telluride“ mit der System-Nr. II/C.04 bildete.

Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/D.15-20. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Sulfide mit [dem Stoffmengenverhältnis] Metall : S,Se,Te < 1 : 1“, wo Nagyágit zusammen mit Buckhornit, Jaszczakit, Jonassonit, Montbrayit und Museumit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet (Stand 2018).[3]

Die seit 2001 gültige und von der IMA bis 2009 aktualisierte[12] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Nagyágit dagegen in die neu definierte Abteilung der „Sulfosalze mit SnS als Vorbild“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metallen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit Cu, Ag, Fe, Sn und Pb“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 2.HB.20a bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Nagyágit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfidminerale“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe „02.11.10“ innerhalb der Unterabteilung „Sulfide – einschließlich Seleniden und Telluriden – mit der Zusammensetzung AmBnXp, mit (m+n) : p = 2 : 3“.

Kristallstruktur

Nagyágit kristallisiert monoklin in der Raumgruppe P21/m (Raumgruppen-Nr. 11)Vorlage:Raumgruppe/11 mit den Gitterparametern a = 4,22 Å; b = 4,18 Å; c = 15,12 Å und β = 95,4° sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]

Eigenschaften

Vor dem Lötrohr auf Kohle ist Nagyágit leicht schmelzbar, wobei sich gelbes Blei(II)-oxid und in einiger Entfernung weiße Tellurige Säure absetzt. Nach längerem Blasen wird schließlich ein Goldkorn ausgeschieden. Aufgelöst in Salpetersäure scheidet Nagyágit Gold ab, und in Königswasser Blei(II)-chlorid sowie Schwefel.[13]

Bildung und Fundorte

Nagyágit findet sich in gold- und tellurhaltigen hydrothermalen Gängen. In der Typlokalität bei Săcărâmb tritt es zusammen auf mit Altait, Petzit, Stützit, Sylvanit, Tellurantimon, Coloradoit, Krennerit, gediegen Arsen und Gold, Proustit, Rhodochrosit, Arsenopyrit, Sphalerit und Tetraedrit. Eine andere Paragenese mit Calaverit, Gold, Tellurobismuthit, Altait, Galenit, Pyrit findet sich z. B. in der Bohuliby-Mine in Tschechien.

Als seltene Mineralbildung konnte Nagyágit nur an wenigen Fundorten nachgewiesen, wobei bisher (Stand 2015) rund 70 Fundorte[14] als bekannt gelten. Neben seiner Typlokalität Săcărâmb trat das Mineral in Rumänien noch bei Baia de Arieș im Kreis Alba und in der Kupfer-Gold-Lagerstätte „Musariu“ bei Brad im Kreis Hunedoara auf.

Der bisher einzige bekannte Fundort in Österreich ist die Grube Stüblbau bei Schellgaden in der Salzburger Gemeinde Muhr und der ebenfalls bisher einzige bekannte Fundort in der Schweiz ist Gondo im Kanton Wallis.

Weitere Fundorte sind unter anderem die „El Sid Mine“ bei Koptos in Ägypten; die Farallón Negro Mine im argentinischen Departamento Belén; die armenischen Provinz Kotajk; Western Australia (Australien); die „Chelopech Au-Cu Mine“ bei Panagjurischte in Bulgarien; die „El Hueso Mine“ bei Diego de Almagro in der chilenischen Región de Atacama; die „Emperor Mine“ bei Vatukoula auf den Fidschi-Inseln; die „Kawazu Mine“ bei Shimoda in Japan; der „Olive Mabel claim“ (British Columbia) und die „Huronian Mine“ (Ontario) in Kanada; die „Sahuayacan Mine“ im mexikanischen Bundesstaat Chihuahua; die „Sylvia Mine“ bei Thames in Neuseeland; Böhmen in Tschechien; im ehemaligen Bergwerk Clogau bei Bontddu in Wales (UK) sowie in mehreren Regionen der Vereinigten Staaten (USA).[15]

Verwendung

Aufgrund seiner Seltenheit besitzt Nagyágit nur eine geringe Bedeutung als Golderz.

Siehe auch

Literatur

  • Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 303.
  • Yves Moëlo, Emil Makovicky, Nadejda N. Mozgova, John L. Jambor, Nigel Cook, Allan Pring, Werner Paar, Ernest H. Nickel, Stephan Graeser, Sven Karup-Møller, Tonči Balic-Žunic, William G. Mumme, Filippo Vurro, Dan Topa, Luca Bindi, Klaus Bente, Masaaki Shimizu: Sufosalt systematics: a review. Report of the sulfosalt sub-committee of the IMA Commission on Ore Mineralogy. In: European Journal of Mineralogy. Band 20, 2008, S. 7–46 (ima-mineralogy.org [PDF; 1,7 MB; abgerufen am 16. August 2020] Nagyágit ab S. 18).
  • John Leslie Jambor, Andrew C. Roberts: New Mineral Names. In: American Mineralogist. Band 80, 1995, S. 184–188 (englisch, minsocam.org [PDF; 486 kB; abgerufen am 16. August 2020]).
  • H. Effenberger et al.: Toward the crystal structure of nagyagite, [Pb(Pb,Sb)S2][(Au,Te)]. In: American Mineralogist. Band 84, 1999, S. 669–676 (englisch, [1] [PDF; 134 kB; abgerufen am 16. August 2020]).

Weblinks

Commons: Nagyágite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2020. (PDF; 2,44 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2020, abgerufen am 16. August 2020 (englisch).
  2. a b c d Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 124.
  3. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  4. a b c d e Nagyágite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 66 kB; abgerufen am 16. August 2020]).
  5. Nagyágite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 16. August 2020 (englisch).
  6. Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 454 (Erstausgabe: 1891).
  7. a b Hans Lüschen: Die Namen der Steine. Das Mineralreich im Spiegel der Sprache. 2. Auflage. Ott Verlag, Thun 1979, ISBN 3-7225-6265-1, S. 189–190.
  8. Dietrich Ludwig Gustavus Karsten: Museum Leskeanum, regnum animale (regnum minerale) quod ordine systematico. Band 2. Müller, Leipzig 1789 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 16. August 2020]).
  9. Wilhelm Ritter von Haidinger: Handbuch der bestimmenden Mineralogie. Verlag Braumüller & Seidel, Wien 1845, S. 563–570 (rruff.info [PDF; 451 kB; abgerufen am 16. August 2020]).
  10. Ernest H. Nickel, Joel D. Grice: The IMA Commission on New Minerals and Minerala Names: Procedures and Guidelines on Mineral Nomenclature. In: The Canadian Mineralogist. Band 36, 1998, S. 8 ff. (cnmnc.main.jp [PDF; 316 kB; abgerufen am 16. August 2020]).
  11. Ernst A.J. Burke: Tidying up Mineral Names: an IMA-CNMNC Scheme for Suffixes, Hyphens and Diacritical marks. In: Mineralogical Record. Band 39, Nr. 2, 2008, S. 131–135 (englisch, cnmnc.main.jp [PDF; 2,4 MB; abgerufen am 16. August 2020]).
  12. a b Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 16. August 2020 (englisch).
  13. Johann Gottlob von Kurr, Gustav Adolf Kenngott (Überarbeitung der 3. Aufl.): von Kurr's Mineralreich in Bildern. 3. Auflage. Verlag von J. F. Schreiber, Eßlingen 1878, S. 38 (/blog.mineralium.com [PDF; 3,7 MB; abgerufen am 16. August 2020]).
  14. Localities for Nagyágite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 16. August 2020 (englisch).
  15. Fundortliste für Nagyágit beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 16. August 2020.

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(c) Christian Rewitzer, CC BY-SA 3.0
Nagyágit (Bildbreite: 3 mm)
Fundort: Sacarîmb (Sãcãrâmb; Szekerembe; Nagyág), Hunedoara County, Rumänien (Fundort bei mindat.org)