Nationalsozialistische Volkswohlfahrt

Abzeichen der NS-Volkswohlfahrt
(c) Bundesarchiv, Bild 146-2003-0053 / CC-BY-SA 3.0
NSV-Schwester mit Kindern, 1943
NSV-Mitgliedsausweis
Inschrift am früheren NSV-Kindererholungsheim des Gaues Essen in Marisfeld
Plakat, NS Volkswohlfahrt

Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (abgekürzt NSV), kurz NS-Volkswohlfahrt, wurde am 18. April 1932 durch die Nationalsozialisten als eingetragener Verein gegründet und am 3. Mai 1933, nur wenige Monate nach der Machtergreifung, zur Parteiorganisation der NSDAP erhoben. Ihr Leiter war Erich Hilgenfeldt. Der Sitz befand sich in Berlin-Wilmersdorf, dessen Gebäudekomplex von dem Architekten Hugo Constantin Bartels stammt.[1]

Organisation und Geschichte

Zunächst hatte die Wohlfahrtspflege innerhalb der Partei kaum eine Lobby, weswegen auch keine Wohlfahrtsorganisation, wie bei anderen Parteien, gegründet wurde. Mit der Zeit bemerkte man allerdings, dass mildtätige Leistungen bei der Bevölkerung ausgezeichnet ankamen und man diese für die parteieigene Propaganda gut ausschlachten konnte.[2] Darauf reagierend wurde der NSV im September 1931 in Berlin als lokaler Selbsthilfeverein gegründet.[3] Die zunächst noch regional agierende NSV konnte in der Folgezeit gute Erfolge verbuchen, womit sie allerdings in den Reihen der NSDAP auch Missgunst erntete. So wurde ihr zum Beispiel Ende 1932 verboten sich nationalsozialistisch zu nennen. Dieses Verbot wurde kurze Zeit darauf wieder rückgängig gemacht[4] und im Nachhinein als Missverständnis heruntergespielt oder auch nach der parteiamtlichen Anerkennung des Vereins durch Hitler, die am 3. Mai 1933 erfolgte,[5] dieser als ihr eigentlicher Gründer dargestellt.[6] Sie wurde bei der parteiamtlichen Anerkennung für „zuständig für alle Fragen der Volkswohlfahrt und Fürsorge“ erklärt.[5]

Im Zuge der Gleichschaltung mit dem Verbot der Arbeiterwohlfahrt trat die NSV als Staatsorganisation und Verein neben die sieben verbliebenen Wohlfahrtsorganisationen. Am 14. August 1933 wurde in einer außerordentlichen Sitzung die Satzung des Vereins geändert. Die NSV wurde mit der neuen Satzung darauf ausgerichtet, „die lebendigen, gesunden Kräfte des deutschen Volkes zu entfalten und zu fördern“. Darin war außerdem bestimmt, dass sie die „Gesundheitsführung des deutschen Volkes“ übernehme.[7] Zwar gelang der NSV trotz des Verbotes der Arbeiterwohlfahrt nicht die Monopolisierung der gesamten freien Wohlfahrt, jedoch wurden ursprünglich führende Verbände wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die evangelische Diakonie oder die katholische Caritas zurückgedrängt.

Die Struktur der NSV glich dem Aufbau der NSDAP mit Orts-, Kreis- und Gruppenverwaltungen. Sie untergliederte sich in sechs „Ämter“: Organisation, Finanzverwaltung, Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe, Volksgesundheit, Propaganda und Schulung. Die NSV erhielt ihre Richtlinien vom (dem Kreisleiter unterstellten) „Hauptamt für Volkswohlfahrt“. Mitte 1939 bestand die NSV aus 40 Gau-, 813 Kreis-, 26138 Ortsverwaltungen, 97161 Zellen und 511689 Blocks.

Die NSV war ab 1933 Herausgeber der Monatsschrift Nationalsozialistischer Volksdienst und ab 1936 der Buchreihe Ewiges Deutschland. Das zur NSV gehörende Hilfswerk für die deutsche bildende Kunst richtete eine große Zahl von Kunstausstellungen aus.

Von 1935 bis 1937 trafen die meisten Kommunen Vereinbarungen, mit denen bestimmte Aufgaben der Jugendhilfe an die NSV übertragen wurden.[8]

Den in der Satzung vorgesehenen Anspruch der „Gesundheitsführung des deutschen Volkes“ musste sie jedoch zugunsten des Hauptamts für Volksgesundheit der NSDAP aufgeben.[9]

Solange die Massenarbeitslosigkeit noch bestand, half die NSV bedürftigen Familien auch finanziell, danach (etwa ab 1938) verlagerte sie sich auf reine Dienstleistungen. In diesem Zusammenhang betrieb die NSV Kindergärten, die in Konkurrenz zu vergleichbaren kirchlichen Einrichtungen traten. Parteimitglieder brachten ihre Kinder in die neuen NSV-Kindergärten mit ihrem Hitlerkult-Motto: „Händchen falten, Köpfchen senken – immer an den Führer denken. Er gibt euch euer täglich Brot und rettet euch aus aller Not.“

Finanziert wurde der Verein aus Spenden und den Beiträgen ihrer zahlenden Mitglieder. Ende 1938 gab es etwa eine Million ehrenamtliche Mitarbeiter der NSV. Zu Kriegsbeginn zählte die NSV elf Millionen Mitglieder.

Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges übernahm die NSV immer mehr (eigentlich staatliche) Aufgaben, vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit. Sie organisierte ab 1940 zudem die Kinderlandverschickung für Kinder unter zehn Jahren. Eines der bekannteren NSV-Hilfswerke wurde „Mutter und Kind“ genannt. Dieses betreute die „arischen“ Frauen während der gesamten Schwangerschaft wie auch nach der Geburt des Kindes. Mütter wurden auch weiterhin in Notfällen finanziell unterstützt. In den Kindergärten und Mütterheimen der NSV fand die Betreuung ihre Fortsetzung. Der NSV wurden aus erfolgten Massenerschießungen 1941 in Babyn Jar und Schytomyr 137 Lastwagen mit Kleidern von Erschossenen übergeben, die größtenteils nach Desinfektion an Volksdeutsche gingen.[10]

Mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 (Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen) vom 10. Oktober 1945 verbot der Alliierte Kontrollrat die NSV und beschlagnahmte ihr Eigentum.[11]

Das Verwenden des oben abgebildete Symbols des NSV ist nach dem aktuellen Recht Deutschlands nach dem Straftatbestand Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen gemäß § 86 StGB zu beurteilen.[12]

Hilfswerke und Dienstleistungen

Folgende Hilfswerke und Institutionen unterstanden der NSV:

Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

Die Verwendung des Abzeichens der NSV kann als Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen bestraft werden.[14]

Literatur

  • Daniel Hadwiger: Nationale Solidarität und ihre Grenzen. Die deutsche „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ und der französische „Secours national“ im Zweiten Weltkrieg (= Schriftenreihe des Deutsch-Französischen Historikerkomitees. Bd. 18). Steiner, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-515-13025-7.
  • Herwart Vorländer: Die NSV. Darstellung und Dokumentation einer nationalsozialistischen Organisation (= Schriften des Bundesarchivs. Bd. 35). Harald Boldt Verlag, Boppard am Rhein 1988, ISBN 3-7646-1874-4.
  • Eckhard Hansen: Wohlfahrtspolitik im NS-Staat: Motivationen, Konflikte und Machtstrukturen im „Sozialismus der Tat“ des Dritten Reiches. Maro Verlag, Augsburg 1991, ISBN 3-87512-176-7.
  • Oliver Kersten: Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt insbesondere im Zweiten Weltkrieg. Magisterarbeit am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin 1993, 160 Bl. Standorte: SAPMO-Bundesarchiv Bibliothek Berlin und Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin

Weblinks

Commons: Nationalsozialistische Volkswohlfahrt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Baudenkmal eh. Volkswohlfahrt in der Sächsischen Straße
  2. Stephanie Merkenich: Das Deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933–1945. Schöningh, Paderborn 2008, ISBN 978-3-506-76529-1, S. 8.
  3. Marie-Luise Recker: Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Hrsg.: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiss. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997, ISBN 3-423-33007-4, S. 678–679.
  4. Eckhard Hansen: Wohlfahrtspolitik im NS-Staat: Motivationen, Konflikte und Mach[t]strukturen im „Sozialismus der Tat“ des Dritten Reiches. Maro Verlag, Augsburg 1991, ISBN 3-87512-176-7, S. 8.
  5. a b Herwart Vorländer, NS-Volkswohlfahrt und Winterhilfswerk des deutschen Volkes, In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 34 (1986), Heft 3, S. 341–380. S. 350.
  6. Herwart Vorländer, NS-Volkswohlfahrt und Winterhilfswerk des deutschen Volkes, In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 34 (1986), Heft 3, S. 341–380. S. 346.
  7. Herwart Vorländer, NS-Volkswohlfahrt und Winterhilfswerk des deutschen Volkes, In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 34 (1986), Heft 3, S. 341–380. S. 347–348.
  8. Carola Kuhlmann: Erbkrank oder erziehbar? Jugendhilfe zwischen Zuwendung und Vernichtung in der Fürsorgeerziehung in Westfalen 1933–1945. In: Juventa Verlag (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der Sozialpädagogik. 1989, S. 152 (pedocs.de [PDF]).
  9. Herwart Vorländer, NS-Volkswohlfahrt und Winterhilfswerk des deutschen Volkes, In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 34 (1986), Heft 3, S. 341–380. S. 358.
  10. Babi Yar in der Ukraine – Eine Schlucht als Massengrab. (Memento vom 5. Juni 2013 im Internet Archive) ITS – Internationaler Suchdienst; abgerufen am 17. Januar 2015.
  11. Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland S. 19.
  12. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 9. Februar 2023, Az. 1 OLG 2 Ss 40/22.
  13. Ines Schlenker: Hitler’s Salon. Peter Lang, 2007  S. 188
  14. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 09.01.2024 - 4154 Js 6859/20

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E.M. Obis 1

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