Musiktruhe

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Tonmöbelfabrik Luckenwalde (1957)

Eine Musiktruhe, auch Musikschrank genannt, ist ein Möbelstück aus der Gruppe der sogenannten Tonmöbel. In diesem Möbel mit integrierten Lautsprechern waren verschiedene Geräte der Unterhaltungselektronik verbaut, zu Beginn in der Regel Radios und Plattenspieler, später auch Tonband- oder Fernsehgeräte.

Begriff

Bei dem Begriff Musiktruhe handelt es sich um ein Kompositum, das aus den beiden Grundwörtern Musik und Truhe zusammengesetzt ist. Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) stellt eine Verlaufskurve für die Verwendungshäufigkeit des Worts zur Verfügung,[1] die 1946 beginnt, ihren Gipfel 1959 hat, danach bis etwa 1980 kontinuierlich absinkt und kurz vor der Jahrtausendwende zum Nullpunkt tendiert.[2] Da für Musiktruhen verschiedene Begriffe verwendet wurden, die teils Gleiches, teilweise aber auch Unterschiedliches bezeichneten, versuchte sich Rainer Steinführ auf seiner Website an einer begrifflichen Unterscheidung der diversen Gerätegruppen, deren Namen „keine echten Typbeschreibungen waren“.[3]

Geschichte

Rainer Steinführ, in einem Deutschlandfunk-Podcast zum internationalen Tag des Radios gemeinsam mit seinen Mitstreitern als „Gedächtnis des Deutschen Rundfunks“ bezeichnet,[4] betreibt die Website Wumpus Welt der Radios, auf dessen Startseite er mitteilt, dass der Rundfunk am 29. Oktober 2023 sein 100-jähriges Jubiläum feiern kann,[5] wofür er eine virtuelle Gedenktafel entwarf.[6] Steinführ, der rund 1.600 rundfunktechnische Exponate aus der Zeit von den Anfängen des Rundfunks bis in die Gegenwart in den Lagerräumen des Deutschen Rundfunkarchivs in Potsdam-Babelsberg betreut, berichtet in dem Podcast über die Anfänge des Rundfunks.[4] Auf seiner Website widmet Steinführ eine gesonderte und reich bebilderte Unterseite den Musiktruhen.[3] Von ihm ist zu erfahren, dass es „Tonmöbel in allen Varianten […] hauptsächlich in der Zeit der dreißiger bis Mitte der siebziger Jahre“ des 20. Jahrhunderts gab. Er hält sie optisch für den Höhepunkt der Rundfunk- bzw. Fernsehmöbel.[3]

Mit Erfindung der Schellackplatte und des Grammophons konnten erste, individuell abspielbare Medien in einzelne Haushalte gebracht werden. Ab den 1920er-Jahren wurden die Abspielgeräte kleiner und waren in zeitgenössischen – z. B. im Art déco gehaltenen – Schränken untergebracht. In Deutschland wurden 1929 die ersten Musikschränke angeboten. Sie hatten „ein eingebautes Radioteil und einen elektrischen Plattenspieler“.[3] Voraus gingen „Phonoschränke“ mit einem Plattenspieler und sogenannte „Tischradios“ – beides zwar Vorläufer, aber keine Musiktruhen. Für die 1929 und 1930 gebauten Musiktruhen listet Steinführ auf seiner Website die einzelnen Geräte auf und gibt die Namen der Hersteller, das Modell, seine Eigenschaften und den Preis in Reichsmark an.

„Waren Tonmöbel bis 1945 noch echte Luxusgeräte, bildete sich ab Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts langsam eine eigenständige Gerätegruppe der Tonmöbel heraus, die zunehmend auch im mittelpreisigen und preisgünstigen Segment Fuß fassen konnte.“

Rainer Steinführ[3]

Tonmöbel wurden mit der Zeit vielfältiger und dementsprechend mit verschiedenen Begriffen bezeichnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es reine Tonmöbel-Firmen, die Fremdgeräte in ihre Möbel einbauten, andere begannen auch eigene Elektronik-Komponenten zu verwenden. Die Auflistung von Tonmöbel-Anbietern verzeichnet über 50 Firmen (Stand: 2023), wobei Radio-Fernseh-Kombinationen nicht nur als Musikschrank oder -truhe, sondern auch als „Luxustruhe“ bezeichnet wurden. Der Begriff bezog sich hierbei häufig auch auf die „besonders komfortable“ Ausstattung des Gerätes, so zum Beispiel auf die Verwendung eines teueren Furniers, eine Bauweise zur Minimierung des Nachhalls, Anschlüsse für externe Lautsprecher, oder eine Fernbedienung. Eine verlässliche „Qualitätszuordnung“ seitens der Hersteller sei mit diesen Bezeichnungen jedoch nicht verbunden gewesen, so Steinführ.

Ab Ende der 1960er kamen die ersten modernen Stereoanlagen mit getrennt aufstellbaren Lautsprechern auf den Markt, welche die Musiktruhe immer mehr verdrängten. Spätestens mit dem Aufkommen von HiFi-Türmen aus Einzelkomponenten bzw. als Kompaktanlage endete die Ära der Musiktruhe endgültig.

Die Printmedien berichteten seinerzeit mehrfach über Musiktruhen. Beispielsweise schrieb die Wochenzeitung Die Zeit im November 1956: „Seit 1954 hat die Musiktruhe ihren Marktanteil ständig verbessern können.“[7] Im August 1957 hieß es in derselben Zeitung: „Ob die guten Verkäufe von Musiktruhen anhalten werden, ist eine der großen Fragen.“[8]

In seinem historischen Abriss unter dem Titel Vom Detektor bis zur Musiktruhe beschrieb Hans-Gerhard Maiwald die Entwicklung unter Hinweis auf die Vorteile, aber auch die Kosten von Musiktruhen:

„Die Einführung des UKW-Hörfunks brachte eine erhebliche Klangverbesserung und schaffte die Basis für so genannten 3D-Klang sowie die spätere Stereofonie. Große, mit Chromleisten verzierte Geräte mit weißen Klaviertasten nahmen Einzug in bundesdeutsche Wohnstuben. Je nach Geldbeutel waren sie kombiniert mit Plattenspielern, Tonband- oder Drahtgeräten sowie Tefiphonen (Schallbandspieler). Musiktruhen integrierten alle Geräte und kosteten ein Vermögen.“

Hans-Gerhard Maiwald: Radiomuseum[9]

Über die professionelle Herstellung hinaus gab es – insbesondere in den ersten Nachkriegsjahren – Musiktruhen, die von unbekannt gebliebenen Konstrukteuren als Eigenbau in Heimarbeit hergestellt wurden.[3]

Ausstattung

Die Ausstattung der Musiktruhen variierte in Abhängigkeit vom Entwicklungsstand, dem Hersteller und dem Preissegment. Rainer Steinführ spricht in diesem Zusammenhang von „Aufrüstung der Tonmöbel“.[3]

Musiktruhen verfügten über einen Stromanschluss. Ein Batteriebetrieb war wegen des relativ großen Stromverbrauchs nicht vorgesehen. Für einen Radio- bzw. Fernsehempfang wurde eine entsprechende Antenne benötigt.

Meistens wurden gute Lautsprecher, mitunter bis zu zehn − sogenannte Hochtöner, Mittel- und Tieftöner – verbaut. Mit der Zeit wurde laut Steinführ „die Qualität der Tonmöbel nach der Zahl der Lautsprecher bemessen“. Anfangs hatten Musiktruhen nur einen Lautsprecher, später mehrere, wobei es Mono-Musiktruhen mit 4–5 Lautsprechern gab, während Stereogeräte mit 8–10 Lautsprechern ausgerüstet waren. Mit dem Aufkommen des Raumklanges wurden auch seitlich angebrachte Hochtöner verbaut.[3]

Zunächst sind Röhrengeräte, später Transistorgeräte mit besserer Leistung verwendet worden. Die Lautsprecher hatten wegen der halboffenen Bauweise und dem Holz als Klangkörper einen guten Wirkungsgrad, so dass 5–15 Watt genügten, um auch größere Räume zu beschallen. Vereinzelt wurde auch die Elektronenröhre EL34 verwendet, die eine Niederfrequenz-Leistung von ca. 25 Watt aufwies. Bei Geräten aus dem höheren Preissegment wurden die Niederfrequenz-Endstufen der Radios besonders stark ausgelegt oder mit Zusatzverstärkern versehen. Mit der Einführung der Transistortechnik gegen Ende der Musiktruhen-Ära stiegen die Niederfrequenz-Leistungen weiter an, auf über 30 Watt, bei einem Klirrfaktor von unter 2 %, damit hielt der High Fidelity Standard Einzug in Musiktruhen.[3]

Die Radio-Fernseh-Kombinationen, von Steinführ als „Schlachtschiffe“ bezeichnet, gehörten zu den hochpreisigen Geräten. Sie verfügten mitunter über ein Vitrinenteil, eine Hausbar und, falls zusätzlich mit Plattenspieler und Tonbandgerät ausgestattet, ggf. ein Fach für einen Plattenständer oder ein herausziehbares Fach für Tonband-Spulen.[3]

Design

Musiktruhen gehörten zu den Prestigeobjekten, mit denen man zeigte, was man besaß. Ihr Aussehen orientierte sich am wechselnden Geschmack für Wohnungseinrichtungen, wobei ihr Äußeres nicht zwangsläufig ihrer technischen Ausstattung entsprach. In den fünfziger Jahren wiesen sie den damals üblichen barocken Stil auf, der in den sechziger Jahren „von eher sachlich gestalteten Möbeln abgelöst“ wurde. Es gab Musiktruhen im Stil des sogenannten Gelsenkirchener Barocks, manche waren aus Eiche im Altdeutschen Stil und andere dem Stil des Kunsttischlers Thomas Chippendale nachempfunden. Einige Hersteller lehnten das Design ihrer Produkte an den Bauhaus-Stil an. Nicht immer passte die Musiktruhe zur sonstigen Einrichtung, Stilbruch war nicht unüblich.[3]

Galerie (Auswahl)

Literatur

  • Christopher Cook: Entertainment in a Box. Domestic Design and the Radiogram and Television. In: Music in Art. Band 35, Nr. 1/2, 2010, S. 261–270, JSTOR:41818620 (englisch).
Commons: Musiktruhe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Musiktruhe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. DWDS: Musiktruhe, die. Abgerufen am 23. Juni 2023.
  2. DWDS: Musiktruhe Verlaufskurve. Abgerufen am 23. Juni 2023.
  3. a b c d e f g h i j k Rainer Steinführ: Erste Musiktruhen, Musiktruhen, Musikschränke, Musikmöbel, Luxustruhen, Tonmöbel, Phonomöbel, Phonokombinationen, Radio-Tower, Kompakt-Anlagen, Unterschränke, usw. In: Wumpus Welt der Radios. 22. Februar 2021, abgerufen am 23. Juni 2023.
  4. a b Thilo Schmidt: Internationaler Tag des Radios. „Vergessen Sie nicht, die Antenne zu erden“. Aus dem Podcast Länderreport. In: Deutschlandfunk Kultur. 12. Februar 2016, abgerufen am 23. Juni 2023: „Als der Rundfunk erfunden wurde, kostete ein Brot 80 Milliarden Mark“
  5. Rainer Steinführ: Wumpus Welt der Radios. Startseite. Abgerufen am 23. Juni 2023.
  6. Rainer Steinführ: Virtuelle Voxhaus-Gedenktafel zum 100 Jahre Jubiläum des deutschen Rundfunks. In: Wumpus Welt der Radios. 26. Februar 2023, abgerufen am 23. Juni 2023.
  7. Verwendungsbeispiele für ›Musiktruhe‹. In: DWDS (Hrsg.): Die Zeit. Nr. 47, 22. November 1956 (dwds.de [abgerufen am 23. Juni 2023]).
  8. Verwendungsbeispiele für ›Musiktruhe‹. In: DWDS (Hrsg.): Die Zeit. Nr. 31, 1. August 1957 (dwds.de [abgerufen am 23. Juni 2023]).
  9. Hans-Gerhard Maiwald: Vom Detektor bis zur Musiktruhe. Das Radiomuseum in Bad Laasphe. (PDF; 147 kB) In: radiomuseum.org. Abgerufen am 22. Juni 2023.

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Luxor Empire radiogram from 1948. Typical for the 78 rpm era, the record player is a changer, designed to be loaded with a stack of shellac records.
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Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Luckenwalde, Tonmöbelfabrik, Polieren Zentralbild Krueger 14.1.1957 "Lohangrin" und "Caruso I" aus Luckenwalde. Als Zubringerbetrieb für den VEB Stern Radio Staßfurt baut die Tonmöbelfabrik Wilhelm Krschlok in Luckenwalde Musiktruhen. Seit einem Jahr läuft bereits die Serie von Typ "Lohangrin". Eine Entwicklung des Betriebes, die Musiktruhe "Caruso I" wird im starken Maße nach Westdeutschland exportiert. Die Inhaber des Betriebes, Herr Krschlok, der mit staatlicher Beteiligung arbeitet, bezeichnete die Materialversorgung, die Zusammenarbeit mit dem Rat des Kreises, den staatlichen Organen und der Notenbank als sehr gut. UBz: "Lohengrin"-Gehäuse in der Poliererei.
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Radiogrammofon Granada III, tillverkare Gylling & Co. Foto: Dan Johansson. Ingår i Musik- och teatermuseets instrumentsamling.
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