Weltmuseum Wien
Weltmuseum Wien in der Hofburg in Wien | |
Daten | |
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Ort | Neue Burg, Heldenplatz, 1010 Wien |
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Leitung | |
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Das Weltmuseum Wien, zuvor Museum für Völkerkunde, ist ein ethnologisches Museum in der Wiener Hofburg. Es enthält Sammlungen aus allen Kontinenten. Zudem verfügt es über eine Bibliothek, ein Archiv und eine bedeutende Fotosammlung.
Geschichte
Ethnographische Sammlungen der Habsburgermonarchie
Bereits im 16. Jahrhundert wurden in den sogenannten Kunst- und Wunderkammern ethnographische Objekte gesammelt. Bedeutende Stücke, wie etwa eine Federkrone aus der Zeit Montezumas, fanden sich etwa in der „Ambraser Sammlung“ von Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, die in der Zeit der Napoleonischen Kriege nach Wien übersiedelt wurde.
Zuwachs bekam die Sammlung v. a. durch im 18. und 19. Jahrhundert unternommenen Expeditionen und Reisen, etwa durch den Weltumsegler James Cook (1728–1779) (Kaiser Franz I. ließ am Beginn des 19. Jahrhunderts Objekte in London ersteigern), den Naturforscher Johann Natterer (Österreichische Brasilien-Expedition 1817–1836) und durch die österreichische Fregatte Novara.[1]
Ab 1876 wurden die Bestände der Anthropologisch-Ethnographischen Abteilung des „k. k. Naturhistorischen Hofmuseums“, des späteren Naturhistorischen Museums übernommen. Darunter befand sich auch die Sammlung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand von Österreich-Este, der 1892/93 eine Weltreise unternommen hatte. Sie allein umfasst etwa 14.000 Objekte.
Museum für Völkerkunde
Nach dem Scheitern des Projektes eines Kulturhistorischen Museums (ab 1925)[2] erfolgte am 25. Mai 1928[3] schließlich die Eröffnung eines eigenen „Museums für Völkerkunde“ im ursprünglich als Wohntrakt geplanten Corps de Logis der Neuen Burg. Die ideologischen Machtkämpfe der Zwischenkriegszeit (Deutschnationalismus) schlugen sich auch in der Sammlungspraxis nieder.[2]
In der Nachkriegszeit wurden entscheidende Umbaumaßnahmen vorgenommen. Dies ermöglichte eine Erweiterung des Programms, das durch zahlreiche Wechselausstellungen geprägt war. Schloss Matzen und die Kartause Gaming fungierten dabei als Außenstellen des Museums.[1]
Sanierungsphasen
In den 1990er und 2000er Jahren wurden zahlreiche Umbauarbeiten vorgenommen. So wurden etwa die Kellerräume zu Depots ausgebaut, in denen sich heute die Sammlungen des Museums befinden. 2001 wurde das Museum im Zuge der Ausgliederung der Bundesmuseen Teil des KHM Museumsverbandes[1] Aufgrund weiterer Arbeiten am Gebäude musste das Haus von 2004 bis 2007 geschlossen werden. Mit einer großen Benin-Ausstellung wurde das Museum nach umfangreicher Sanierung im Mai 2007 wieder eröffnet.[4] Das galt allerdings nur für Sonderausstellungen.[5] Die Dauerausstellung war inzwischen schon seit 2001 nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich.
Weltmuseum Wien
Im April 2013 wurde das Museum in Weltmuseum Wien umbenannt.[6]
Ab November 2014 war das Museum für Umbauten geschlossen. Kulturminister Josef Ostermayer forderte aus finanziellen Gründen eine Redimensionierung der Neugestaltung.[7] Im Jänner 2015 wurde bekannt, dass das Weltmuseum auf 3900 Quadratmeter Ausstellungsfläche verkleinert werden sollte. Gleichzeitig sollte ein Haus der Geschichte mit rund 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche geschaffen werden.[8] Das Weltmuseum Wien wurde am 25. Oktober 2017 mit einem von André Heller gestalteten Open-Air am Heldenplatz wiedereröffnet.[9][10]
Sammlungsschwerpunkte
Das Museum besitzt über 250.000 ethnografische Objekte, über 140.000 historische Fotografien und 146.000 Druckschriften zur Kultur und Geschichte außereuropäischer Völker. Neben der Sammlung von Cook mit Objekten aus Ozeanien und Nordamerika gibt es präkolumbische Federarbeiten wie die letzte existierende Federkrone aus der Zeit Montezumas, die große Sammlung Johann Natterers von der österreichischen Brasilien-Expedition, Bronzen aus dem westafrikanischen Königreich Benin sowie etwa 14.000 Objekte, die Thronfolger Franz Ferdinand auf seiner Weltreise zusammentragen ließ.[11]
Das Weltmuseum Wien beherbergt neun Sammlungen:
- Afrika südlich der Sahara
- Nordafrika, Vorder-, Zentralasien und Sibirien
- Ostasien: Korea, China, Japan
- Süd-, SO-Asien, Himalaya
- Insulares Südostasien
- Südamerika
- Ozeanien und Australien
- Nord- und Mittelamerika
- Fotosammlung
Kolonialismus und Restitution
Das Museum verfügt über eine weitläufige Sammlung von Artefakten aus ehemaligen europäischen Kolonien, ohne selbst Kolonialmacht gewesen zu sein. Durch die Tätigkeit österreichischer Beamter in Kolonialverwaltungen[12] und Käufe österreichischer Sammler und Ethnologen fanden auch wertvolle Benin-Brozen und Masken aus der Subsahara den Weg in die Sammlung.
Im Rahmen der Provenienzforschung und europäischer Projekte zur Rückgabe kolonial belasteter Objekte, richtete auch das Weltmuseum ein Expertengremium zur möglichen Rückgabe von Objekten in unrechtmäßigem Besitz des Museums ein[13], veranlasste jedoch noch keine konkreten Restitutionen an Herkunftsländer.
Leitung
Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums mit Museum für Völkerkunde und Österreichischem Theatermuseum ist seit Beginn 2009 Sabine Haag. Ab 2010, nach dem Abgang von Christian Feest, leitete sie auch das Museum für Völkerkunde interimistisch.[14] Mit 1. Mai 2012 wurde der Niederländer Steven Engelsman Direktor des Museums[15] und mit 1. Jänner 2018 folgte ihm Christian Schicklgruber in dieser Funktion nach.
Jonathan Fine, der die Leitung im Juli 2021 nach einer langjährigen Tätigkeit am Ethnologischen Museum Berlin übernahm, äußerte sich in Bezug auf die Diskussionen über Rückgaben von Kulturgut kolonialer Herkunft wie folgt:[16]
„Für mich ist ein Museum eine Abwägung zwischen dem sinnlichen Erleben von Objekten und der Anknüpfung an die brennenden Diskussionen. Wir können diese Museen als Ausgangspunkt für Fragestellungen nutzen, die in reine Kunstmuseen nicht passen würden.“
Direktoren seit 1928
- Fritz Röck: 1928–1945
- Robert Bleichsteiner: 1945–1953
- Leopold Schmidt: 1954–1955 (kommissarische Leitung)
- Etta Becker-Donner: 1955–1975
- Hans Manndorff: 1976–1993
- Armand Duchateau: 1993–1994 (interimistische Leitung)
- Peter Kann: 1994–2002
- Gabriele Weiss: 2002–2004 (interimistische Leitung)
- Christian Feest: 2004–2010
- Sabine Haag: 2010–2012 (vertreten durch Barbara Plankensteiner)
- Steven Engelsman: 2012–2017
- Christian Schicklgruber: 2018–2021
- Jonathan Fine: seit 1. Juli 2021[17]
- Claudia Banz: ab Februar 2025[18]
Galerie
- Stupa und Prajnaparamita, Mongolei, 18. Jahrhundert
- Mukudj-Maske aus Gabon, 19. Jahrhundert
- Kopf des Xipe Totec, Mexiko, um 1500 n. Chr.
- Altmexikanischer Federkopfschmuck, Mexiko, 15. Jahrhundert
- Traditionelles Tanzkostüm aus Java, Indonesien, 2015
- Lakshmi-Narayana Sandstein aus Indien, 12. Jahrhundert
- Uma-Maheshwara Chlorit aus Indien, 12. Jahrhundert
Filme
- Museums-Check mit Markus Brock: Weltmuseum Wien. 30 Min. Erstausstrahlung: 8. Juli 2018.[19]
Literatur
- Museum für Völkerkunde in Wien (Hrsg.): Das Museum für Völkerkunde in Wien. Residenz, Salzburg/Wien 1980, ISBN 3-7017-0260-8.
- Wilhelm P. Bauer (Hrsg.): Museum für Völkerkunde Wien. Westermann, Braunschweig 1980.
- Peter Linimayr: Wiener Völkerkunde im Nationalsozialismus. Lang, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-631-46736-2.
Weblinks
- Offizielle Website des Weltmuseums Wien
- Weltmuseum Wien. In: Wien.info
- Der Standard vom 28. Juli 2021: Museumspolitik Neuer Weltmuseum-Direktor Fine: „Der Kolonialismus prägt unsere Welt“, Interview mit Stefan Weiss
Einzelnachweise
- ↑ a b c Fakten und Geschichte zum Weltmuseum Wien. Weltmuseum Wien
- ↑ a b Veronika Stachel: Gründung als Schauplatz ideologischer Machtkämpfe. 29. April 2024, abgerufen am 29. April 2024.
- ↑ Österreichische Nationalbibliothek: ANNO, Reichspost, 1928-05-26. S. 7, abgerufen am 24. Mai 2018.
- ↑ Webpräsenz des Museums für Völkerkunde ( vom 28. Februar 2011 im Internet Archive)
- ↑ Sonderausstellung «Naga – Schmuck und Asche» bis 11. Juni 2012 rezensiert von Samuel Herzog, NZZ vom 26. Mai 2012, abgerufen am 9. Juni 2012
- ↑ Völkerkundemuseum mutiert zum Weltmuseum Wien. derStandard.at vom 4. April 2013.
- ↑ orf.at – Weltmuseum: Umbaupläne abgelehnt. orf.at vom 26. November 2014.
- ↑ Ostermayer zu Weltmuseum: „Nutzen Chance“. orf.at, 19. Jänner 2015.
- ↑ Neu gestaltetes Weltmuseum Wien wird am 25. Oktober eröffnet. Salzburger Nachrichten, 30. Mai 2017.
- ↑ In 14 Sälen durch die Kontinente. Der Wert der kulturellen Vielfalt orf.at, 24. Oktober 2017.
- ↑ Wissenschaftliche Sammlungsbereiche Weltmuseum Wien
- ↑ Weltmuseum Wien: Weltmuseum Wien: Sammlungsbereiche. 21. Juli 2022, abgerufen am 14. November 2022.
- ↑ Koloniale Kulturgüter: Österreich richtet Expertengremium ein. Abgerufen am 14. November 2022 (österreichisches Deutsch).
- ↑ KuratorInnen und wissenschaftliche MitarbeiterInnen ( vom 25. Oktober 2009 im Internet Archive)
- ↑ Steven Engelsman wird neuer Direktor des Museums für Völkerkunde. In: derStandard.at vom 24. Oktober 2011.
- ↑ Stefan Weiss: Neuer Weltmuseum-Direktor Fine: "Der Kolonialismus prägt unsere Welt". In: derStandard.de. 28. Juli 2021, abgerufen am 14. Dezember 2021 (österreichisches Deutsch).
- ↑ Jonathan Fine neuer Chef im Weltmuseum. In: ORF.at. 31. März 2021, abgerufen am 31. März 2021.
- ↑ Claudia Banz wird neue Direktorin des Weltmuseums. In: ORF.at. 26. September 2024, abgerufen am 26. September 2024.
- ↑ Museums-Check: Weltmuseum Wien. In: Fernsehserien.de. Abgerufen am 15. November 2020.
Auf dieser Seite verwendete Medien
Photo aus dem ausgestellten Photoalbum der Sammlung Este. Erzherzog Franz Ferdinand mit Begleitung vor dem Fujiya-Hotel in Miyanoshita, Hakone-Gebirge, 16. August 1893 (2 v.r. Heinrich von Sieboldt)
Autor/Urheber: GodwinPaya, Lizenz: CC BY-SA 4.0
The Weltmuseum Wien is one of the world’s leading ethnographical museums, situated in the Hofburg Palace on Vienna’s Austrian
Autor/Urheber: Gryffindor, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Glassed courtyard of the Corps de Logis wing of Hofburg palace in Vienna.
Autor/Urheber: Gryffindor, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Xipe Totec Kopf, Mexiko, um 1500 n. Chr., Ton, Farbe. Museum für Völkerkunde Wien.
Autor/Urheber: Wolfgang Sauber, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Museum für Völkerkunde (Wien). Uma-Maheshvara ( 12. Jhdt. ), Chlorit, aus Indien.
Autor/Urheber: Gryffindor, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Prajnaparamita. Mongolei, 18. Jahrhundert, Papier. Stupa, Mongolei, 18. Jahrhundert, Bronze Feuervergoldung.
Autor/Urheber: Wolfgang Sauber, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Museum für Völkerkunde (Wien). Bhairava ( 18.Jhdt. ), Kupfer vergoldet, aus Nepal.
Autor/Urheber: Manfred Werner (Tsui), Lizenz: CC BY-SA 3.0
Traditionelles Tanzkostüm aus Java aus der Sammlung des Weltmuseums Wien, ausgestellt im Rahmen von Choy Ka Fais SoftMachine: Exhibition während des Tanzfestivals ImPulsTanz 2015, Weltmuseum, Wien, Österreich.
Autor/Urheber: Wolfgang Sauber, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Museum für Völkerkunde (Wien). Lakshmi-Narayana ( 12. Jhdt. ), Sandstein, aus Indien.
Autor/Urheber: Thomas Ledl, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Feather headdress Moctezuma II; Museo Nacional de Antropología e Historia, México (modern reproduction)
Autor/Urheber: Gryffindor, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Mukudj-Maske. Punu, Gabon, Ende 19. Jh. Holz, Pigmente. Wien, Museum für Völkerkunde. I.38. Die weiblichen Mukudji-Masken sind idealisierte Portraits bestimmter Verstorbener, die während des Beräbnisfeier geehrt werden, bei denen sie auf Stelzen kunstvolle Tänze ausführen.