Moriskentanz
Der Moriskentanz (italienisch moresca, aus spanisch morisca) ist ein Bühnentanz des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, dessen Verbreitung sich bis ins 15. Jahrhundert innerhalb der höfischen Renaissancekultur zurückverfolgen lässt. Über seine theater-, tanz- und musikhistorische Bedeutung hinaus ist der Moriskentanz jedoch auch von volkskundlichem Interesse. Das Wort Moriske, auch moriscos genannt (spanisch morisco ‚maurisch‘) leitet sich von der Bezeichnung für die Mauren ab, die nach dem Sieg der Reconquista in Spanien lebten. Die lange Zeit geltende These, der Moriskentanz sei nordafrikanischen Ursprungs und im 12. Jahrhundert aus dem Kampf zwischen Mauren und Christen in Spanien entstanden, um sich von dort aus über ganz Süd- und Westeuropa zu verbreiten, lässt sich heute jedoch durch Ergebnisse aus der deutschsprachigen Forschung widerlegen. Vielmehr wird angenommen, dass der Ursprung des Moriskentanzes in archaischen Fruchtbarkeitsriten begründet liegt.
Ursprungsdebatte
Die beiden grundlegenden Meinungen, die sich bei den bislang unternommenen Versuchen zur Erklärung des Moriskentanzes herausgebildet haben, sind von P. P. Domokos beschrieben worden:
„Einer Erklärung nach ist der Moriskentanz ein Tanz historischen Charakters, der seinen Ursprung in den Kämpfen der christlichen Bevölkerung südlicher Länder mit den Sarazenen (Mohren) hat. Daher stamme auch sein Name. Seine aus dieser Erklärung stammende Benennung kann bis ins 15. Jahrhundert zurück verfolgt werden. Nun erklingt aber am Fuße zahlreicher Moriskentänzer die Schelle, eine der wichtigsten Requisiten dieses Tanzes. Nun ist die Schelle ebenfalls ein unerläßliches Requisit der Danza de Cascabeles im 14. Jahrhundert. Dementsprechend bildete sich die Auffassung heraus, daß die beiden Tänze im Laufe der Zeit zu einem einzigen Tanz verschmolzen sind.“[1]
Ausführung
Der besonders in der höfischen Renaissancekultur Italiens beliebte Tanz zeichnet sich durch verschiedene charakteristische Sprünge und Körperverdrehungen aus. Ihn zu tanzen erfordert eine gewisse akrobatische Fertigkeit, weshalb früher auch unterschiedlichste traditionelle Akteure wie Gaukler (italienisch buffoni) darauf spezialisiert waren. Das Hüpfen und Springen der Narren und Akrobaten in Filmen über das Mittelalter basiert wohl auf Vorstellungen über diesen Tanz. Mitunter wird das wilde Springen als Hinweis für den Ursprung des Moriskentanzes im Schwerttanz interpretiert. Auch diese Annahme lässt sich heute widerlegen, da es sich hierbei nur um eine Ausprägung neben vielen handelt, wie etwa die moreška auf der kroatischen Insel Korčula.[2]
Der Moriskentanz benötigte vermutlich eine Reihe von Charakterdarstellern in verschiedenen Rollen. Insgesamt 16 Figuren sollten das ganze mittelalterliche Bevölkerungsspektrum darstellen. Die Zuordnung zu den einzelnen Charakteren erfolgt heutzutage aufgrund fehlender Dokumente eher willkürlich. So unterscheidet man zum Beispiel: „Bauer“, „Dame“, „zur Hochzeit bereiter Jüngling“, und so weiter. Die Beliebtheit des Moriskentanzes zeigt sich in den holzgeschnitzten Moriskentänzern des Bildhauers Erasmus Grasser aus München.[3] Die über 500 Jahre alten Holzfiguren zeigen die einzelnen Teilnehmer an einem Moriskentanz. Inspiration für diese Figurentruppe war ein Festbankett des Herzogs Christoph des Starken.
Heutzutage fehlt jedoch eine genaue Vorstellung darüber, wie der Moriskentanz tatsächlich getanzt wurde. Ein Buch über das Tanzen im höfischen Kontext aus dem 16. Jahrhundert spricht etwas diffus von „Tanztappungen“ und „Fußmarkierungen“. Man nimmt an, dass ein großer Teil des Moriskentanzes spontan improvisiert wurde.
Der Moriskentanz wird vielerorts heute noch gepflegt, und unter anderem von Gruppen in München[4], Kaltenberg[5] Korčula und während der Landshuter Hochzeit.
Der Morris dance in England
Als besondere Form des Moriskentanzes, wenn nicht sogar als eigenständige Tanzform für sich, gilt der englische Morris dance.[6][7][8]
Während die frühesten Erwähnungen aus dem 15. Jahrhundert den Morris dance im höfischen Kontext beschreiben, scheint es, dass der Tanz im 16. Jahrhundert vornehmlich im popularkulturellen Kontext anzutreffen war; William Kempe, kurz zuvor noch Schauspieler bei William Shakespeare, soll 1599 einen Morris dance tanzend von London nach Norwich gereist sein, worüber er in seinen Nine Daies Wonder (1600) berichtet. Der Morris dance wird von einzelnen Gruppen, so genannten Sides, getanzt. Ursprünglich waren die Tänzer ausschließlich Männer, inzwischen gibt es aber auch gemischte Sides, in denen auch Frauen tanzen.
Das Wiederaufleben des Morris dance im 20. Jahrhundert ist den Bemühungen englischer Volkskundler wie Cecil Sharp, Maud Karpeles und Mary Neal zu verdanken, die Tänze und Musik aufzeichneten und die Tradition des Morris dance wiederbelebten. Als Startpunkt des „Morris Revival“ gilt allgemein der 26. Dezember 1899.
Heute werden im Wesentlichen sechs regionale Stile unterschieden:
- Cotswold Morris: Tänze aus Gloucestershire und Oxfordshire, üblicherweise mit Taschentüchern oder Stöcken getanzt, die die Handbewegungen unterstreichen sollen
- North West Morris
- Border Morris: von der englisch-walisischen Grenze
- Long Sword Dances aus Yorkshire und Süd-Durham
- Rapper Sword Dances aus Northumberland und Durham
- Molly Dancing aus East Anglia
Die Musik wurde ursprünglich auf pipe and tabor (Einhandflöte und Trommel) oder Fiddle gespielt. Heute sind auch andere Instrumente üblich, am häufigsten das Melodeon. Auch andere Trommeln werden verwendet. Cotswold- und Schwert-Tänzer wurden meist von einem einzelnen Musiker begleitet, Northwest- und Border-Sides oft von einer Gruppe von Musikern.
- (c) Jo, CC BY-SA 2.0
Morris-Tänzer in Adderbury
Literarische Verarbeitung
Terry Pratchett erwähnt den Moriskentanz als volkstümlichen Tanz im Königreich Lancre in den Romanen Lords und Ladies, Der Winterschmied sowie im Prolog zu Alles Sense.
Siehe auch
Literatur
- Charlotte Gschwandtner: Moresca. Vielfalt und Konstanten einer Tanzpraxis zwischen 15. und frühem 17. Jahrhundert. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2017.
- Pál Péter Domokos: Der Moriskentanz in Europa und in der ungarischen Tradition. In: Studia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae, Bd. 10, Fasc. 3/4 (1968) Akadémiai Kiadó, S. 229–311. JSTOR 901447
- Thomas Kuster: Die Moreskentänze(r): Eine Form der fürstlich Kurzweil. In: Maximilian I. – Triumph eines Kaisers: Herrscher mit europäischen Visionen. Hrsg. v. Tiroler Kunstkataster (u. a.), Tiroler Landesregierung, Innsbruck 2005–2006, ISBN 3-902112-03-4, S. 42–48.
Weblinks
- Stadtgründungsfest München 2016 – Moriskentänzer, Teil 1/2. Youtube-Video
- Der Fröhlichen Kreis. Zeitung der Bundesarbeitsgemeinschaft Österreichischer Volkstanz. 53. Jahrgang, Nummer 2, Juli 2003
Einzelnachweise
- ↑ Domokos: Der Moriskentanz in Europa und in der ungarischen Tradition. 1968, S. 229.
- ↑ en:Moreška (englische Wikipedia)
- ↑ Grassers Moriskentänzer in der Sammlung des Münchner Stadtmuseum
- ↑ Moriskentanz in München
- ↑ Kaltenberger Moriskentänzer
- ↑ Morris Dance (engl. Wikipedia)
- ↑ Morristanz-Videos auf Dancilla
- ↑ The Morris Tradition booklet, deutsch
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Glockenspiel eines Moriskentänzers über dem Juwelier Fridrich (J. B. Fridrich GmbH & Co. KG) in München.
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Cotswold en:Morris dance with handkerchiefs, en:Oxford, 2004-05-01. Copyright © Kaihsu Tai.
"Trachtenbuch" des Christoph Weiditz, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Hs. 22474. Bl.
107–108 Der Moriskentanz. Español: "Danza morisca".Autor/Urheber: Die Autorenschaft wurde nicht in einer maschinell lesbaren Form angegeben. Es wird Maschinenjunge als Autor angenommen (basierend auf den Rechteinhaber-Angaben)., Lizenz: CC BY-SA 3.0
: Die Kaltenberger Moriskentanzgruppe führen ihr Können beim Kaltenberger Ritterturnier vor
- : The morisken dance groupe of Kaltenberg
- Source: own work
- Date: July 2005, Kaltenberg, Germany
- Author: Maschinenjunge
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Morris dancers along the Thames near Richmond, c. 1620. Detail of The Thames at Richmond, with the Old Royal Palace
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Deutschland, Bayern, Landkreis Fürstenfeldbruck, Gemeinde Olching, Moriskentänzerskulptur, gestiftet vom "Komitee Faschingszug Olching" im Jahr 1984 in Feurstr. 21, Nachempfunden: dem Moriskentänzer mit löwenbesetzter Mütze („Zauberer“) von Erasmus Grasser, 1480, Größe der Figur mit Sockel etwa 2,20 Meter
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Moriskentänzer beim Trachtenumzug in München.
English Elizabethan clown Will Kempe dancing a jig from Norwich to London in 1600
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Kopien von Moriskentänzern von Erasmus Grasser im alten Rathaussaal München. Die Originale stehen im Münchner Stadtmuseum.
Morris dancing in the grounds of Wells Cathedral, Wells, England. (Exeter Morris Men) Photographed by Adrian Pingstone in July 2006 and placed in the public domain.
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Adderbury Day of Dance, Red Lion Pub, Adderbury, Oxfordshire
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North West en:Morris dance, en:Oxford, 2004-05-01. Copyright © Kaihsu Tai.
The dancers in the picture are from the Horwich Prize Medal Morris.