Mnemosyne (Bildatlas)

Der Bilderatlas Mnemosyne ist der Titel eines Projektes des deutschen Kunsthistorikers und Kulturwissenschaftlers Aby Warburg.

Geschichte

Im August 1924 begann Warburg mit der Arbeit an dem Bilderatlas Mnemosyne. Sein vollständiger Titel lautet Mnemosyne, Bilderreihe zur Untersuchung der Funktion vorgeprägter antiker Ausdruckswerte bei der Darstellung bewegten Lebens in der Kunst der europäischen Renaissance.[1] Das Projekt blieb durch Warburgs Tod am 26. Oktober 1929 unvollendet. Es wurde nach 1933 von seinen Mitarbeitern nach London in das Warburg Institute überstellt. Unter der Direktion von Ernst Gombrich – er stand der ikonologischen Methode skeptisch gegenüber – geriet der Bilderatlas in Vergessenheit.[2]

Im Rahmen der Schriftenreihe zum Werk von Aby Warburg ist im Jahr 2000 eine Werkausgabe über den Bilderatlas erschienen, die Martin Warnke und Claudia Brink herausgegeben haben. Erstmals präsentiert wurde das Projekt im Jahr 2020 in Berlin in den Ausstellungen im Haus der Kulturen der Welt sowie in der Gemäldegalerie.

Arbeitsweise

Ziel des Projektes war es, mit Hilfe von Bildern das vielfältige Weiterleben der Antike in der europäischen Kultur anschaulich zu machen. Ernst Gombrich bemerkte dazu in seiner Warburg-Biographie, dass durch Warburgs Arbeit … das Schicksal der Götter in der astrologischen Überlieferung und die Rolle der antiken Pathosformel in der nachmittelalterlichen Kunst und Kultur beschrieben wurde.[3]

Auf Anregung von Fritz Saxl benutzte Warburg mit schwarzem Stoff bespannte Holzrahmen, auf die er mit Stecknadeln Fotografien von Bildern anheftete, die jeweils zu einem bestimmten Thema oder um einen Schwerpunkt gruppiert und umgruppiert wurden. Dabei beschränkte er sich nicht auf klassische Forschungsobjekte der Kunstwissenschaft, sondern berücksichtigte auch Werbeplakate, Briefmarken, Zeitungsausschnitte oder Pressefotos von Tagesereignissen. Die Tafeln dienten zunächst als Demonstrationsmittel für Vorträge und Ausstellungen, die im Lesesaal der Hamburger Bibliothek stattfanden. Warburg führte hier als ein erster Dozent die Reproduktionen als Mittel der Didaktik in Ausstellungen und als Hilfsmittel des Fachs Kunstgeschichte ein. Der Atlas bestand schließlich aus über 40 Kartons mit ca. 1.500 bis 2.000 Fotos.

Werkausgabe

  • Der Bilderatlas Mnemosyne. Hrsg. von Martin Warnke und Claudia Brink. Abteilung II, Band 1 der Schriftenreihe. Akademie Verlag, Berlin 2000.

Literatur

  • Haus der Kulturen der Welt (Hrsg.): Aby Warburg: Bilderatlas Mnemosyne. Englische Texte von Roberto Ohrt, Axel Heil, Bernd Scherer, Bill Sherman und Claudia Wedepohl. Hatje Cantz, Berlin 2020, ISBN 978-3-7757-4693-9 (vollständiges Bildmaterial von 1929; auch online verfügbar)
    • Rezension: Jonas Engelmann, Memory nach Aby Warburg. Dschungel, Beilage zu jungle world, 46, 2020, S. 2–7 (mit Abb.)
    • Rezension: Andreas Beyer, Der Befreier der Bilder. Das Ende von high and low: Aby Warburgs "Bilderatlas" ist endlich im Original zu sehen, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20. September 2020, Nr. 38.
  • Neville Rowley, Jörg Völlnagel: Zwischen Kosmos und Pathos. Berliner Werke aus Aby Warburgs Bilderatlas Mnemosyne. Deutscher Kunstverlag, Berlin 2020 ISBN 978-3-422-98288-8
  • Andreas Beyer: Aby Warburgs Serendipity, in: Merkur, Juni 2021, 75. Jahrgang, Heft 865, S. 63–70.
  • Michael Krajewski: Mnemosyne: Auf Spurensuche nach archivalischen Bilderfährten. In: Kunstforum international. Bd. 280, Jg. 2022, S. 66–71.
  • Peter Richter: Ein Atlas, der die Welt trägt. In: Süddeutsche Zeitung, 4. September 2020, Nr. 204, S. 10

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Aby M. Warburg »Mnemosyne-Atlas«. Abgerufen am 5. September 2020.
  2. Peter Richter: Ein Atlas, der die Welt trägt. In: Süddeutsche Zeitung, 4. September 2020, Nr. 204, S. 10.
  3. Ernst Gombrich: Aby Warburg. Neuausgabe. Hamburg 2006, S. 375.