Mirotworez

Mirotworez
„Pro bono publico“ (Lateinisch für: „Für das öffentliche Wohl“)
SprachenUkrainisch, Russisch
BetreiberZentr Mirotworez
RedaktionHeorhij Tuka[1]
RegistrierungKiew
Onlineseit 2014
https://myrotvorets.center/

Mirotworez, auch Myrotworez transkribiert, (ukrainisch Миротворець, wissenschaftliche Transliteration Myrotvorecʹ, Aussprache [mɪrɔ'tvɔrɛt͡sʲ], deutsch Friedensstifter) ist die Webpräsenz der ukrainischen, nichtstaatlichen Organisation Zentr Mirotworez (Центр «Миротворець», Zentrum „Friedensstifter“).

Inhalt

Laut Eigendarstellung handelt es sich beim Zentr Mirotworez um ein „Zentrum der Forschung über Anzeichen von Verbrechen gegen die nationale Sicherheit der Ukraine, Frieden, Humanität und das Völkerrecht“. Zudem biete es „Informationen für Strafverfolgungsbehörden und spezielle Dienste bezüglich pro-russischer Terroristen, Separatisten, Söldner, Kriegsverbrecher und Mörder“ an.[2]

Auf der Internetseite werden unter einem Reiter namens „Tschistilische“ (Чистилище, Fegefeuer) persönliche Daten von Personen veröffentlicht, die von den Betreibern als „Feinde der Ukraine“ angesehen werden.[3] Internationale Bekanntheit erlangte sie im Fall der Ermordung der Oppositionellen Oles Busyna und Oleh Kalaschnikow im Jahr 2015. Beide wurden samt vollständiger Adressen im „Fegefeuer“ eingetragen und einen bzw. zwei Tage später vor ihren jeweiligen Wohnhäusern niedergeschossen.[4][5]

Im Mai 2016 veröffentlichte Mirotworez über 4000 Namen, Telefonnummern und Mailadressen von in- und ausländischen Journalisten, die aus der Ostukraine berichtet hatten.[6][7] Die OSZE und das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) zeigten sich besorgt.[8] Insgesamt umfasste die Liste im Januar 2022 über 187.000 Namen.[9]

Organisation

Emblem von Myrotvorets (verwendet 2014 bis 2022)
Mitglieder der Mirotworez im Februar 2015

Das Zentr Mirotworez begann sich im Sommer 2014 in Folge des laufenden Russisch-Ukrainischen Krieges zu entwickeln. Es wurde im Dezember desselben Jahres als Projekt der ukrainischen NGO Narodnyj Tyl (Народний Тил, etwa Nationale Heimatfront) begründet.[10] Dabei handelt es sich laut Eigenangaben um eine Non-Profit-Organisation, die die Ukrainische Armee mit Sachspenden unterstützt (z. B. medizinischer Ausrüstung).[11] Mirotworez soll Verbindungen sowohl zum ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU als auch zum Innenministerium der Ukraine haben.[12][13][14][15]

Mitbegründer und Leiter von Nardodnyj Tyl ist Heorhij Tuka, der am 22. Juli 2015 von Präsident Petro Poroschenko zum Gouverneur der Oblast Luhansk ernannt wurde. Poroschenko sagte dazu wörtlich: „Ich betone noch einmal: Er ist ein neuer Mensch mit einem tadellosen Ruf, mit Intoleranz gegenüber Korruption, mit neuem Denken, mit modernen Nicht-Standard-Entscheidungen und vor allem – mit der Ukraine im Herzen. Das ist Heorhij Tuka.“[16][17] Ende April 2016 wurde Tuka vom Präsidenten aus seinem Amt enthoben und noch am selben Tag zum Stellvertretenden Minister für Angelegenheiten von vorübergehend besetzten Gebieten und Binnenvertriebenen ernannt.[18][19][20]

2015 umfasste das Zentrum Friedensstifter laut eigener Aussage ca. 250 Mitglieder, die sowohl in als auch außerhalb der Ukraine lebten. Direktor der Organisation ist Roman Sajzew, ehemaliger Mitarbeiter eines SBU-Büros in der Oblast Luhansk.[21] Mirotworez veröffentlicht seit seiner Gründung wiederholt Informationen über ausländische Staatsbürger, die in der Ukraine auf Seiten der Separatisten kämpfen oder kämpften. Dies führte unter anderem dazu, dass Anfang 2016 bulgarische Behörden ein Strafverfahren gegen Georgi Blisnakow, einen Bürger Bulgariens, einleiteten. Gegen mindestens vier weitere Personen wurden ähnliche Schritte erwogen.[22][23]

Kontroversen

Am 14. April 2015 wurden die Euromaidan-Gegner Oles Busyna und Oleh Kalaschnikow von einem Autor mit dem Pseudonym „404“ unter dem Reiter „Fegefeuer“ auf Mirotworez eingetragen. Diese Einträge beinhalteten Beschreibungen und die vollständigen Adressen der beiden Oppositionellen. Im Fall von Busyna war auch eine Handynummer aufgelistet. Kurz darauf klagte Kalaschnikow über Todesdrohungen, die er in Folge der Veröffentlichung erhalten habe.[24] Am Abend des 15. sowie am Mittag des 16. April wurden die Regierungskritiker vor ihren jeweiligen Wohnhäusern in Kiew niedergeschossen.[25] Kurz nach den Morden wurden auf dem Twitter-Account des Mirotworez folgende Nachrichten verfasst:

  • „Für den erfolgreichen Abschluss des ihm gestellten Auftrags wurde dem Agenten ‚404‘ heute ein außerordentlicher Titel vergeben sowie ein wertvolles Geschenk ausgehändigt.“
  • „Agent ‚404‘ hat sich erneut ausgezeichnet. Für den erfolgreichen Abschluss des heutigen Kampf-Auftrages erhält er einen kurzzeitigen Urlaub.“[26]

Einige Tage nach den Erschießungen behaupteten die Betreiber der Website, dass die Daten des Journalisten Busyna erst nach seiner Ermordung veröffentlicht wurden. Dies sei im Laufe einer „Spezialoperation“ mit dem Ziel geschehen, die „Wata“ (abfällige Bezeichnung für pro-russische Personen) dazu zu provozieren, sich selbst und ihre Bekannten auf Mirotworez zu suchen. Durch das Eingeben ihrer Daten im Suchfeld der Seite würden sie diese an das Zentr Mirotworez verraten. Die Tweets der Einrichtung hätten denselben Zweck erfüllt.[27] Seitenbegründer Heorhij Tuka sagte in einem Interview, dass sich nach den Morden das Konzept von Mirotworez nicht ändern werde. Leute, die als Separatisten und Terroristen verdächtigt werden, sollten sich einfach an ein Gericht wenden. Er würde auch die Adressen von Bojko, Bondarenko, Chomutjnnik und „anderem Dreck“ bereitstellen, wenn er sie denn kennen würde. Zudem seien auf Mirotworez die Daten von mehr als 25000 Menschen abgespeichert. Mehr als 300 von ihnen wären entweder verhaftet oder getötet: „Warum sollte ich mir Sorgen um irgendwelche zwei ‚Podonki‘ (etwa Abschaum, Bodensatz) machen, die Schuld am Krieg sind?“[28]

Gerhard Schröder ist ebenfalls auf der Webseite gelistet.[29] Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik verurteilte die Seite „entschieden“.[30]

Einzelnachweise

  1. Freiwillige stecken hinter der Seite über Verräter und Söldner, die gegen die Ukraine kämpfen (auf Ukrainisch), iPress.ua, 15. Dezember 2014. Abgerufen am 31. Oktober 2016. 
  2. Mirotworez (auf Ukrainisch), Mirotworez, 2016. Abgerufen am 31. Oktober 2016. 
  3. Fegefeuer (auf Ukrainisch), Mirotworez, 2016. Abgerufen am 31. Oktober 2016. 
  4. Hackers have doxed all the reporters covering east Ukraine’s war. Twice., The Washington Post, 27. Mai 2016. Abgerufen am 1. November 2016. 
  5. Branded a ‘Terrorist’ for Reporting Two Sides of Ukraine’s War, The New York Times, 5. Juni 2016. Abgerufen am 1. November 2016. 
  6. Journalisten kritisieren Reporter-Datenleak, Deutsche Welle, 11. Mai 2016. Abgerufen am 31. Oktober 2016. 
  7. Medienkrieg in der Ukraine: Journalisten auf der schwarzen Liste, Neue Zürcher Zeitung, 13. Mai 2016. Abgerufen am 31. Oktober 2016. 
  8. Dokumentation: Stellungnahmen zum Skandal um die Webseite Mirotworez (Friedensstifter), Bundeszentrale für politische Bildung, 2. Juli 2016. Abgerufen am 31. Oktober 2016. 
  9. Ukraine’s blacklist: Killers, lawyers, writers and spies, The Times, 25. Januar 2022
  10. In der Ukraine ist eine Seite entstanden, die Daten von Terroristen sammelt (auf Ukrainisch und Russisch) (Memento desOriginals vom 31. Oktober 2016 im Internet Archive), NEWSru.ua, 16. Dezember 2014. Abgerufen am 31. Oktober 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.newsru.ua 
  11. Про нас. deutsch Über uns. Narodnyj Tyl, abgerufen am 10. September 2022 (Automatische Übersetzung auf Deutsch).
  12. Ukraine Tries to Terrify Journalists Who Cover the War, The Daily Beast, 12. Mai 2016. Abgerufen am 30. Oktober 2016. 
  13. Ukrainian hackers leak personal information of thousands of journalists, International Business Times, 13. Mai 2015. Abgerufen am 30. Oktober 2016. 
  14. Russian Investigative Committee Opens Criminal Case Against Putin Accuser, The Moscow Times, 8. Oktober 2015. Abgerufen am 30. Oktober 2016. 
  15. »Myrotworez« wieder auf Journalistenjagd, Neues Deutschland, 27. Mai 2016. Abgerufen am 30. Oktober 2016. 
  16. Poroshenko appoints George Tuka Chairman of Luhansk Regional State Administration, UNIAN, 22. Juli 2015. Abgerufen am 1. November 2016. 
  17. Poroshenko appoints volunteer Heorhiy Tuka head of Luhansk Regional State Administration, Ukraine Today, 22. Juli 2015. Abgerufen am 1. November 2016. 
  18. Luhansk Governor Tuka dismissed – media, UNIAN, 29. April 2016. Abgerufen am 1. November 2016. 
  19. Poroshenko appoints member of parliament Harbuz as governor of Luhansk Oblast instead of Tuka, Kyiv Post, 29. April 2016. Abgerufen am 1. November 2016. 
  20. Poroshenko appoints new Luhansk governor, Ukraine Today, 30. April 2016. Abgerufen am 1. November 2016. 
  21. Roman Sajzew: Wir sind ein Knochen im Hals des Kremls. Es werden enorme Ressourcen für unsere Vernichtung verbraucht. (auf Russisch), Fakty i kommentarii, 11. April 2015. Abgerufen am 30. Oktober 2016. 
  22. Die Ukraine kann einen weiteren bulgarischen Söldner verklagen (auf Bulgarisch), Klub Z, 1. März 2016. Abgerufen am 1. November 2016. 
  23. Die Ukraine könnte nicht nur einen, sondern vier Bulgaren verklagen (auf Bulgarisch), BTV, 1. März 2016. Abgerufen am 1. November 2016. 
  24. Datenleak in der Ostukraine: Bedrohung für Journalisten, TAZ, 12. Mai 2016. Abgerufen am 31. Oktober 2016. 
  25. Doppelmord an Maidan-Gegnern: Die Spur der Killer, Spiegel Online, 17. April 2015. Abgerufen am 31. Oktober 2016. 
  26. Berater des ukrainischen Innenministeriums warb für Seite mit den Adressen der ermordeten Busyna und Kalaschnikow (auf Russisch), Delfi, 16. April 2015. Abgerufen am 31. Oktober 2016. 
  27. Spezialoperation „Gjulchataj, öffne die Nachricht!“ (auf Russisch), Mirotworez, 17. April 2015. Abgerufen am 1. November 2016. 
  28. Provokation oder Rache. Wieso Busyna umgebracht wurde (auf Russisch), Westi, 17. April 2015. Abgerufen am 1. November 2016. 
  29. Florian Rötzer: Gerhard Schröder wird als Feind der Ukraine gelistet. Abgerufen am 10. November 2018 (deutsch).
  30. Gerhard Schröder: Deshalb steht er auf der Fahndungsliste der Ukraine. In: welt.de. Abgerufen am 15. November 2018.

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