Mille Miglia

Mille-Miglia-Wegweiser
Alfa Romeo 6C 2300B Mille Miglia Spyder, Bj. 1938
(c) LSDSL, CC BY-SA 2.0 de
Das BMW 328 Touring-Coupé, mit dem von Hanstein/Bäumer 1940 die Ersatz-Mille-Miglia gewannen
BMW 328 Roadster „Mille Miglia“
Pressekonferenz zur Mille Miglia 2018 mit Franco Gussalli Beretta, Jacky Ickx und Sponsor Karl-Friedrich Scheufele

Mille Miglia (Abkürzung: MM; italienisch: Mille „Tausend“, Miglia „Meilen“) bezeichnete ein Autorennen über öffentliche Straßen auf einem Dreieckkurs im Norden von Italien in den Jahren von 1927 bis 1957. Der Name Mille Miglia wurde 1977 für die Neuauflage des Rennens wieder eingeführt.

Geschichte

Nach der Targa Florio galten die Tausend Meilen (Mille Miglia) als Klassiker unter den Langstrecken-Straßenrennen (die Carrera Panamericana kam in den 1950er Jahren hinzu) und als Grundlage für den Begriff „Gran Turismo“ (GT), der schnelle Reisesportwagen für Langstreckenrennen beschreibt, wie sie etwa von Ferrari eigens für die MM entwickelt wurden. Die MM gehörte zur 1953 eingeführten Sportwagen-Weltmeisterschaft.

Die erste Auflage des Großen Preises von Italien hatte 1921 auf dem Circuito di Montichiari in Brescia stattgefunden. Ab 1922 wurde das Rennen auf den neu errichteten Circuito di Monza ausgetragen.

Im Dezember 1925 setzten sich vier junge Männer aus Brescia – Conte Franco Mazzotti, Conte Aymo Maggi, Renzo Castagneto und Giovanni Canestrini – das Ziel, ihre Heimatstadt zu einem Zentrum des Motorsports zu machen, indem sie ein Rennen veranstalten würden. Es sollte ein Straßenrennen – zumeist über unbefestigte Landstraßen – werden und in Brescia starten und enden. Die Sportwagen-Enthusiasten Aymo Maggi und Franco Mazzotti wählten einen Kurs von Brescia durch ganz Norditalien zur Hauptstadt Rom und wieder zurück nach Brescia. Als Streckenlänge ergaben sich ungefähr 1600 Kilometer, was 1000 englischen Meilen entspricht. Als Begründung für die Wahl dieser Längeneinheit verwies man auf die „Alten Römer“, die auch schon in Meilen gemessen hätten.

Zwei Jahre nach dem Beginn der Überlegungen fiel am 26. März 1927 in der Via Rebuffone der Startschuss für 77 Wagen. Die Premiere des Rennens gewann ein OM 665 „Superba“ aus Brescia mit den Werksfahrern Ferdinando Minoia und Giuseppe Morandi in einer Zeit von 21 Stunden, 4 Minuten und 48 Sekunden und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 77 km/h. Noch heute trägt bei der historischen Auflage des Rennens immer ein OM die Startnummer 1. Bereits drei Jahre später lag der Schnitt bei 100 km/h, als Tazio Nuvolari aus Mantua, den die Italiener liebevoll „il Mantovano Volante“, den fliegenden Mantuaner, nannten, seinen ersten Mille-Miglia-Sieg gegen den Erzrivalen Achille Varzi feierte. 1933 gelang dem Ausnahme-Rennfahrer mit Beifahrer Decimo Compagnoni in einem Alfa Romeo 8C 2300 das Siegeskunststück zum zweiten Mal.

Seit der Premiere 1927 gewannen fast ausschließlich Italiener auf einheimischen Fabrikaten wie Alfa Romeo, Lancia und Ferrari, jedoch konnte auch Mercedes zweimal gewinnen, 1931 mit Rudolf Caracciola und 1955 mit Stirling Moss. Er startete am 1. Mai 1955 um 7:22 Uhr morgens mit der Startnummer 722 mit einem Mercedes-Benz 300 SLR und erreichte dank des Gebetbuches seines Beifahrers, des Journalisten Denis Jenkinson, nach 10 Stunden 7 Minuten und 48 Sekunden das Ziel. Die dabei erreichte Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 157,62 km/h war die schnellste jemals auf dieser Strecke gefahrene.

Nicht nur schnelle Sportwagen nahmen an den Mille Miglia teil, sondern auch kleine Tourenwagen wie Renault 4CV oder Kleinstwagen wie Fiat 500. Diese Fahrzeuge waren über 20 Stunden unterwegs, mit Start noch vor Mitternacht und Ankunft im Dunkeln. 1955 starteten auch Fahrzeuge mit Dieselmotoren: drei private Teams auf Mercedes-Benz W120 (180 D) mit 40 PS (29 kW) und Werksteams von Fiat mit dem 1400 D und Peugeot auf 403 Diesel. Der österreichische Mercedes-Händler Helmut Retter mit dem Beifahrer Walter Larcher, gewann mit einem Mercedes 180 D mit 16 Stunden, 52 Minuten und 25 Sekunden (Durchschnittstempo 94,645 km/h). Mercedes nutzte diesen Erfolg für seine Werbung und verkaufte noch 1955 über 20.000 Mercedes 180 D; der Diesel wurde zum meistverkauften Typ dieser Baureihe.[1]

Bereits 1938 geriet die MM durch einen schweren Unfall in die Kritik. Ein Fahrer hatte in Bologna auf Straßenbahnschienen die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und war in eine Zuschauergruppe gerast, wobei zehn Menschen getötet und 26 verletzt wurden. Das Rennen wurde anschließend in der alten Form mit Stadtdurchfahrten verboten. So wurde 1940 nur ein ca. 165 km kurzer Kurs in der Po-Ebene insgesamt neun Mal befahren. Als Zweite von drei Ausländern in der Geschichte der MM gewannen Huschke von Hanstein und Copilot Walter Bäumer auf einem aerodynamisch verkleideten BMW 328, mit dem auf den geraden Straßen zwischen Brescia, Cremona und Mantua ein Schnitt von 166 km/h erzielt wurde. Die Gesamtfahrzeit des Duos für die rund 1500 km betrug 8 Stunden, 54 Minuten und 46 Sekunden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die MM auf dem großen Kurs wieder mit Begeisterung aufgenommen, die damit verbundenen Risiken beurteilte man im Vergleich zu den gerade erst erlebten kriegerischen Auseinandersetzungen als untergeordnet. Auch bekannte Fahrer aus der Vorkriegszeit wie Rudolf Caracciola und insbesondere Tazio Nuvolari nahmen die Herausforderung erneut an. Später wurde ihm zu Ehren der Kurs auch durch seine Heimatstadt Mantua geführt.

Aber auch junge Fahrer machten von sich reden, wie 1954 Hans Herrmann, der seinen flachen Porsche 550 noch vor einem herannahenden Zug unter einer sich schließenden Bahnschranke hindurch steuerte, wobei er und sein Beifahrer Herbert Linge die Köpfe einziehen mussten.

Im Jahre 1957 fand die Mille Miglia zum letzten Mal statt, da am 12. Mai ein schwerer Unfall des Spaniers Alfonso de Portago mehrere Todesopfer gefordert hatte. Nach einem Reifenschaden bei hoher Geschwindigkeit nahe dem Dorf Guidizzolo, zwischen Mantua und dem Ziel in Brescia geriet sein Ferrari ins Schleudern und tötete zehn Zuschauer, darunter fünf Kinder. Auch Portago und sein Beifahrer Edmund kamen ums Leben. Insbesondere die Kirche verlangte die Einstellung des populären Spektakels. Gegen das Team und den Reifenhersteller Englebert wurde in einem drei Jahre dauernden Prozess ermittelt mit dem Vorwurf, auf einen Reifenwechsel kurz vor dem Ziel aus Zeitgründen verzichtet zu haben. Der Unfall war ausschlaggebend dafür, dass die Mille Miglia in dieser Form verboten wurde.

Die MM wurde noch von 1958 bis 1961 als eine Art Rallye veranstaltet, wobei nur auf kurzen, abgesperrten Teilstrecken auf Zeit gefahren wurde.

Die Strecke von Bologna auf den Passo della Raticosa wurde bis 1969 für Bergrennen genutzt. Das weiter südlich in Richtung Florenz gelegene Teilstück über den Futapass diente als Westteil des 66 km langen Straßenkurses von Mugello, auf dem bis 1967 WM-Läufe ausgetragen wurden.

Wiederbelebung als Touristische Veranstaltung

Seit 1977 findet jeweils im Mai als viertägige „Mille Miglia Storica“ eine jährliche Neuauflage mit historischen Fahrzeugen statt, deren Typen damals teilgenommen hatten. Hierbei wird nicht mehr auf Höchstgeschwindigkeit gefahren, sondern auf Gleichmäßigkeit und Zuverlässigkeit. Diese Veranstaltung gilt als Keimzelle vieler ähnlicher Events mit Oldtimern wie der Ennstal-Classic in Österreich. Bei der „Mille Miglia“ geht es auch um das Reise-Erlebnis und den abendlichen Austausch der Teilnehmer. Es geht, auch seitens der Veranstalter und der durchfahrenen Gemeinden, eher um Tourismus, Kulinarik und das „Sehen und Gesehenwerden“ mit prachtvollen, meist aufwendig auf Neuwert restaurierten Oldtimer-Fahrzeugen.

Gesamtsieger

JahrTeamGesamtsiegerFahrzeugFahrzeitMeisterschaft
1927Italien 1861 Officine MeccanicheItalien 1861 Ferdinando Minoia
Italien 1861 Giuseppe Morandi
OM Tipo 665 Sport21:04:48,200zählte zu keiner Meisterschaft
1928Italien 1861 SA Alfa RomeoItalien 1861 Giuseppe Campari
Italien 1861 Giulio Ramponi
Alfa Romeo 6C 1500 Sport Spider Zagato19:14:05,800zählte zu keiner Meisterschaft
1929Italien 1861 SA Alfa RomeoItalien 1861 Giuseppe Campari
Italien 1861 Giulio Ramponi
Alfa Romeo 6C 1750 SS Spider Zagato18:04:23,000zählte zu keiner Meisterschaft
1930Italien 1861 SA Alfa RomeoItalien 1861 Tazio Nuvolari
Italien 1861 Giovanni Battista Guidotti
Alfa Romeo 6C 1750 GS16:18:59,400zählte zu keiner Meisterschaft
1931Deutsches Reich Daimler-Benz AGDeutsches Reich Rudolf Caracciola
Deutsches Reich Wilhelm Sebastian
Mercedes-Benz SSKL16:10:10,000zählte zu keiner Meisterschaft
1932Italien 1861 Alfa RomeoItalien 1861 Baconin Borzacchini
Italien 1861 Amedeo Bignami
Alfa Romeo 8C 2300 Spider Touring14:55:19,400zählte zu keiner Meisterschaft
1933Italien 1861 Scuderia FerrariItalien 1861 Tazio Nuvolari
Italien 1861 Decimo Compagnoni
Alfa Romeo 8C 2300MM Spider Zagato15:11:50,000zählte zu keiner Meisterschaft
1934Italien 1861 Scuderia FerrariItalien 1861 Achille Varzi
Italien 1861 Amedeo Bignami
Alfa Romeo 8C 2300 Monza Spider Brianza 2.614:08:05,000zählte zu keiner Meisterschaft
1935Italien 1861 Scuderia FerrariItalien 1861 Carlo Maria Pintacuda
Italien 1861 Alessandro Della Stufa
Alfa Romeo 8C 2900B14:04:47,000zählte zu keiner Meisterschaft
1936Italien 1861 Scuderia FerrariItalien 1861 Antonio Brivio
Italien 1861 Carlo Ongaro
Alfa Romeo 8C 2900A13:07:51,000zählte zu keiner Meisterschaft
1937Italien 1861 Scuderia FerrariItalien 1861 Carlo Maria Pintacuda
Italien 1861 Paride Mambelli
Alfa Romeo 8C 2900A14:17:32,000Italienische Sportwagenmeisterschaft
1938Italien 1861 Alfa CorseItalien 1861 Clemente Biondetti
Italien 1861 Aldo Stefani
Alfa Romeo 8C 2900B Spider MM Touring11:58:29,000Italienische Sportwagenmeisterschaft
1939Italien 1861 Benito MussoliniItalien 1861 Ercole Boratto
Italien 1861 Consalvo Sanesi
Alfa Romeo 6C 2500 SS10:37:19,000Italienische Sportwagenmeisterschaft
1940Deutsches Reich NS BMW-WerkeDeutsches Reich NS Fritz Huschke von Hanstein
Deutsches Reich NS Walter Bäumer
BMW 328 Berlinetta Touring8:54:46,600zählte zu keiner Meisterschaft
1947ItalienItalien Emilio RomanoItalienItalien Clemente Biondetti
Italien Emilio Romano
Alfa Romeo 8C 2900B Berlinetta Touring16:16:39,000zählte zu keiner Meisterschaft
1948ItalienItalien Scuderia FerrariItalienItalien Clemente Biondetti
ItalienItalien Giuseppe Navone
Ferrari 166S Coupé Allemano15:05:44,000zählte zu keiner Meisterschaft
1949ItalienItalien Scuderia FerrariItalienItalien Clemente Biondetti
ItalienItalien Ettore Salani
Ferrari 166MM Barchetta Touring12:07:05,000zählte zu keiner Meisterschaft
1950ItalienItalien Scuderia FerrariItalien Gianni Marzotto
Italien Marco Crosara
Ferrari 195 Sport Touring Berlinetta Le Mans13:39:20,000zählte zu keiner Meisterschaft
1951ItalienItalien Scuderia FerrariItalien Luigi Villoresi
ItalienItalien Piero Cassani
Ferrari 340 America Berlinetta Vignale12:50:18,000zählte zu keiner Meisterschaft
1952ItalienItalien Scuderia FerrariItalien Giovanni Bracco
ItalienItalien Alfonso Rolfo
Ferrari 250S Berlinetta Vignale12:09:45,000zählte zu keiner Meisterschaft
1953ItalienItalien Scuderia FerrariItalienItalien Gianni Marzotto
ItalienItalien Marco Crosara
Ferrari 340MM Vignale10:37:19,000Sportwagen-Weltmeisterschaft
1954Italien Scuderia LanciaItalien Alberto AscariLancia D2411:26:10,000Sportwagen-Weltmeisterschaft
1955Deutschland Daimler-Benz AGVereinigtes Konigreich Stirling Moss
Vereinigtes Konigreich Denis Jenkinson
Mercedes-Benz 300 SLR10:07:48,000Sportwagen-Weltmeisterschaft
1956ItalienItalien Scuderia FerrariItalien Eugenio CastellottiFerrari 290MM11:37:10,000Sportwagen-Weltmeisterschaft
1957ItalienItalien Scuderia FerrariItalien Piero TaruffiFerrari 315 Sport10:27:47,000Sportwagen-Weltmeisterschaft

Literatur

  • Hans-Jörg Götzl, Hans Dieter Seufert: Mille Miglia. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-613-03318-4. (EA Stuttgart 2006).
  • Rolf Häring (Texte), Conrad Piepenburg (Photos). Miile Miglia. Die legendären tausend Meilen. Podszun Verlag, Brilon 1988, ISBN 3-923448-50-3.

Weblinks

Commons: Mille Miglia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Christof Vieweg: Ein Sieg für den Diesel. Zwei Autonarren treten mit 40 PS zur Mille Miglia an. In: Welt am Sonntag 2. Mai 2010, Seite 55. (Online verfügbar)

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