Michael Hainisch

Michael Arthur Josef Jakob Hainisch (* 15. August 1858 in Aue bei Schottwien, Kaisertum Österreich; † 26. Februar 1940 in Wien) war parteiloser österreichischer Sozial- und Wirtschaftspolitiker und von 1920 bis 1928 Bundespräsident der Republik Österreich. Er löste Karl Seitz als Staatsoberhaupt ab.

Michael Hainisch (Aufnahme von Georg Fayer, 1927)
Ehefrau Emilie Auguste, geb. Figdor

Leben

Michael Hainisch war der Sohn der österreichischen Frauenrechtlerin Marianne Hainisch, geb. Perger, die 1857 in die Industriellenfamilie Hainisch eingeheiratet hatte und mit ihrem Mann, Michael, auf der Liegenschaft der Baumwollspinnerei Aue bei Schottwien wohnte. In dem zum Betrieb gehörenden, wahrscheinlich 1788 fertiggestellten Herrenhaus[1][Anm. 1] wurde Hainisch geboren.

Nach seiner juristischen Ausbildung an den Universitäten Leipzig und Wien (1882 Promotion zum Dr. jur. in Wien) studierte er in Berlin Nationalökonomie bei Adolph Wagner und Gustav von Schmoller (mit ihm im Seminar saß Hermann Bahr[2]) und war 1886 bis 1890 im k.k. Staatsdienst tätig. Dann beschäftigte er sich mit agrar- und sozialpolitischen Problemen und nutzte das Gut bei Spital am Semmering, das ihm seine Frau Emilie Auguste Figdor geschenkt hatte, als Musterbetrieb für praxisnahe Lösungen, – berühmt wurde seine Zuchtkuh „Bella“ mit Rekordmilchleistungen.

In Wien war er als Volksbildner tätig und Mitbegründer der Wiener Zentralbibliothek und der Deutschen Turnerschaft (1890). Er unterstützte Ludo Moritz Hartmanns Initiative zur Gründung der ersten Volkshochschule Österreichs. Am 2. Dezember 1900 wurde ein Aufruf zur Konstituierung einer Volksuniversität veröffentlicht, den er wie Ernst Mach, Rosa Mayreder und Julius Tandler unterzeichnete. Auf Grund seiner Weltanschauung, liberal und großdeutsch gesinnt, wird er zu den österreichischen Fabiern gezählt, blieb aber trotz seiner Nähe zur Großdeutschen Volkspartei parteilos. 1918 wurde er Generalrat der Österreichisch-ungarischen Bank, der Notenbank des noch im gleichen Jahr zerfallenden Österreich-Ungarn.

Bronzemedaille von Bundespräsident Michael Hainisch, 1920 (o. J.). Künstlerin Grete Hartmann, geborene Chrobak, 1869–1946 Wien

Michael Hainisch wurde am 9. Dezember 1920 auf Vorschlag der Christlichsozialen, die ihren eigenen Kandidaten Viktor Kienböck nicht durchgebracht hatten, von der Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat in gemeinsamer Sitzung) zum ersten Bundespräsidenten der Republik Österreich gewählt und blieb dies nach seiner Wiederwahl 1924 bis zum 10. Dezember 1928. Er löste Karl Seitz ab, der als Präsident der Nationalversammlung von seiner Wahl in diese Funktion am 5. März 1919 bis zur Angelobung Hainischs als Staatsoberhaupt fungiert hatte, ohne diesbezüglich einen Titel zu führen. Zuvor hatten vom 30. Oktober 1918 an die drei gleichberechtigten Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung gemeinsam diese Funktion ausgeübt.

Das Bundespräsidentenamt war bis 1929 noch nicht mit den Rechten ausgestattet, die ihm die Verfassungsnovelle 1929 übertrug; so wurde die Bundesregierung damals (wie seit 1949 z. B. der deutsche Bundeskanzler) vom Parlament gewählt und nicht, wie ab 1930, vom Bundespräsidenten bestellt.

Auf Grund seiner korrekten Amtsführung war Hainisch bei allen politischen Lagern anerkannt. Er war Förderer der Landwirtschaft, der Elektrifizierung der Eisenbahnen, des Fremdenverkehrs, des österreichisch-deutschen Handels, des ländlichen Brauchtums und der Schaffung eines Denkmalschutzgesetzes. Nach seiner zweiten Amtsperiode als Bundespräsident fungierte er 1929/1930 als parteiloser Handelsminister in der Bundesregierung Schober III des Bundeskanzlers Johann Schober.

1938 sprach sich Michael Hainisch wie Karl Renner als überzeugter Großdeutscher für den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich aus.

Hainisch besaß u. a. ein Ehrendoktorat der Universität Innsbruck[3] und war Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften.

Michael Hainisch starb im 19. Wiener Gemeindebezirk im Haus Perntergasse 17[4] auf der Hohen Warte. Er wurde in der Familiengruft am Nordwestabhang des Schafkogels in Eichberg (Gemeinde Gloggnitz) in Niederösterreich zur letzten Ruhe gebettet.

Hainisch-Gruft in Eichberg

Werke

  • Die Zukunft der Deutschösterreicher. Eine statistisch-volkswirtschaftliche Studie. 1892.
  • Der Kampf ums Dasein und die Socialpolitik. 1899.
  • Die Heimarbeit in Österreich. Bericht erstattet der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz. 1906.
  • Die Entstehung des Kapitalzinses. 1907.
  • Einige neue Zahlen zur Statistik der Deutschösterreicher. 1909.
  • Das Getreidemonopol. 1916.
  • Ist der Kapitalzins berechtigt? Voraussetzungen und Grenzen des Sozialismus. 1919.
  • Wirtschaftliche Verhältnisse Deutsch-Österreichs. 1919. (Nachdruck 1992).
  • Die innere Kolonisation in Deutsch-Österreich. 1920.
  • Die Landflucht, ihr Wesen und ihre Bekämpfung im Rahmen einer Agrarreform. 1924.
  • Rede bei der Promotion zum Ehrendoktor der Staatswissenschaften. 1925.
  • —, Norbertine Bresslern-Roth (Ill.): Aus mein’ Leb’n. 1930.
  • — (Hrsg.): Die Viehzuchtwirtschaft mit Weide- und Güllebetrieb auf dem Gute Jauern.[5] Ein Beispiel aus der Praxis für das bäuerliche Alpenland. 1931.
  • Reden und Abhandlungen über Agrarpolitik und Landwirtschaft. 1932.
  • —, Norbertine Bresslern-Roth (Ill.): Was Z’samklábt’s. 1935.
  • —, Friedrich Weissensteiner (Bearb.): 75 Jahre aus bewegter Zeit. Lebenserinnerungen eines österreichischen Staatsmannes. 1978.

Literatur

Weblinks

Commons: Michael Hainisch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Manfred Hösch: Lagetypologie der Industriebetriebe im Viertel unter dem Wienerwald bis 1850. Dissertation. Technische Universität Wien, Baden bei Wien 1984, Textband, S. 440 sowie 456, online (PDF; 17 MB); Bildband, Pläne 5 und 6, online (PDF; 11 MB).
  2. Hermann Bahr: Kritik der Gegenwart. Haas & Grabherr, Augsburg 1922, S. 293–296. (Volltext online)
  3. Ehrendoktorate der Innsbrucker Universität. In: Neue Freie Presse, Abendblatt, Nr. 23054/1928, 19. November 1928, S. 1, unten links. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp;
    Das Innsbrucker Ehrendoktorat für Dr. Hainisch und Dr. Held. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 23055/1928, 20. November 1928, S. 6, Mitte rechts. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  4. Michael Hainisch im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  5. Charles Scolik (Fotogr.): Unser Bundespräsident als Landwirt. Bilder von dem Mustergut Jauern am Semmering. In: Wiener Bilder, Nr. 41/1928 (XXXIII. Jahrgang), 7. Oktober 1928, S. 8 f. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrb

Anmerkungen

  1. (…) eines der ansehnlichsten Herrenhäuser aus der Zeit Maria Theresias. Groß sind seine Ausmaße: Frontlänge 49 m, Haustiefe 13 m, Gesimshöhe hangseits 8 m, verbaute Fläche 700 m² und umbauter Raum 7.500 m³ (…) , aus: Johann Gloggnitzer: Johann Gloggnitzer erzählt von Gloggnitz und Umgebung, Stadtgemeinde Gloggnitz, Gloggnitz 1971, S. 85, OBV.
    Nach 1908 wurde, unter neuem Eigentümer, das mehrgeschossige herrschaftliche Gebäude jahrzehntelang als Fremdenpension geführt. Heute, 2014, bestehen vom Herrenhaus noch große Teile der Außenmauern. (Welt-Icon)

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Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.
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Bundesdienstflagge der Republik Österreich nach Dr. Peter Diem entsprechend Anlage 2 österreichisches Wappengesetz, jedoch in den heraldischen Farben schwarz-rot-gelb
Emmy Hainisch, geb. Figdor.jpg
Emilie Hainisch (1863–1941; geb. Figdor), Ehefrau von Michael Hainisch (1858–1940), österreichischer Politiker und Bundespräsident der Republik Österreich (1920–1928).
Michael Hainisch (1858–1940) 1927 © Georg Fayer (1891–1950) OeNB 10453976.jpg
Michael Hainisch (1858–1940), österreichischer Politiker und Bundespräsident der Republik Österreich (1920–1928).
Bronze Medal of Michael Hainisch, President of Austria 1920 (ND).jpg
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Medallist: Grete Hartmann, née Chrobak (1869–1946}
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Michael Hainisch (1858-1940), President of the Federal Republic of Austria 1920 - 1928, 1858 Aue bei Schottwien, Austria - 1940 Vienna.

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Die Gruft des österr. Bundespräsidenten Michael Hainisch in Eichberg bei Gloggnitz