Meyer Isser Pines

Meyer Isser Pines (geb. 1881; gest. 1942 oder 1943) war ein Historiker der jiddischen Literatur, Literaturwissenschaftler, Journalist und eine öffentliche Persönlichkeit. Er war einer der Gründer der Zionistisch-Sozialistischen Partei in Russland. Er war der Vater von Shlomo Pines.

Leben

Meyer Isser Pines wurde in Mogiljow, Russisches Kaiserreich, in eine wohlhabende Familie geboren und wurde in Rozinay (Grodno) erzogen, wo er eine Jeschiwa besuchte. Er studierte dann von 1900 bis 1902 an der Universität Bern Rechtswissenschaften und Philosophie und setzte sein Studium an der Sorbonne in Paris bis zum Abschluss seiner Dissertation 1910 fort. In den Revolutionsjahren 1905/1906 war Pines einer der Führer der "S.S."-Partei (Sozialisten-Zionisten).

Der jiddische Schriftsteller und Journalist Pines, der in den 1920er-Jahren in Berlin lebte, war in seiner Jugend, gemeinsam mit Zangwill, Gründer und Anführer der territorialistischen Bewegung (ITO) sowie Mitgründer der Rigaer jüdischen Zeitung Die Jüdische Stimme.

1941, während des Zweiten Weltkriegs, gehörte er zu denjenigen, die im Rahmen des Austauschabkommens im Austausch gegen deutsche Staatsbürger in die Sowjetunion geschickt wurden. Vermutlich kam er 1942 oder 1943 in einem sowjetischen Arbeitslager ums Leben. Sein Sohn Shlomo Pines war ein israelischer Philosoph, Forscher der jüdischen und allgemeinen Philosophie.

Werk und Wirkung

Meyer Isser Pines ist Verfasser einer in jüdischen Kreisen seinerzeit weit verbreiteten Histoire de la littérature judéo-allemande (1911),[1] die 1913 „von Georg Hecht bearbeitet“ als Die Geschichte der jüdischdeutschen[Anm 1] Literatur erschien. Er hatte 1910 an der Sorbonne damit promoviert. Das Buch wurde auch ins Jiddische (Warschau, 1911; Übersetzer: Eljaschoff unter dem Pseudonym Ba'al Machschowes) und Russische übersetzt. Israel Zinberg[2] und Ber Borochov stempelten das Werk als dilettantisch ab, ein Urteil, das auch von späteren Gelehrten vertreten wurde.[3] Pines erfasste in seinem Werk keine jüdischen Schriftsteller, die auf Hochdeutsch schrieben (z. B. Heinrich Heine), sondern nur Autoren des Jiddischen. Aus seiner Sicht waren die Erstgenannten am Volkstümeln.[4]

Franz Kafka, der zeitweise ein starkes Interesse für die jiddische Sprache und Literatur entwickelte, las Pines’ deutsch-jüdische Literaturgeschichte, vermutlich in einer jiddischen Übersetzung, nach seinen eigenen Worten „gierig, wie ich es mit solcher Gründlichkeit, Eile und Freude bei ähnlichen Büchern noch niemals getan habe.“[5]

Publikationen

  • Die Geschichte der jüdischdeutschen[Anm 1] Literatur. Nach dem französischen Original bearbeitet von Georg Hecht. (Histoire de la littérature judéo-allemande). Gustav Engel, Leipzig 1913. Online 2. Auflage 1922

Literatur (Auswahl)

  • Pines, Meir Jsser, in: Wininger 1925 ff., Band 5, S. 36 f.
  • Meyer Isser Pines, in: Jüdisches Lexikon 1927, Band IV, 1, Sp. 945 f.
  • Kazuo Ueda: Franz Kafka und die jiddische Literatur (II): Über M. Pinès̓ "L' histoire de la littérature Judéo-Allemande". 高知大学学術研究報告. 人文科学編 (通号 32) 1983, S. 1–33 (online abrufbar)

Fußnoten

  1. a b In der deutschen Übersetzung ist im Titel und allen anderen Stellen von „jüdischdeutscher“ Literatur bzw. Theater die Rede; es wird also kein Bindestrich verwendet.

Einzelnachweise

  1. Digitalisat - Sie enthält unter anderem Kapitel zu den jiddischen Schriftstellern S. I. Abramowitsch (Mendele Moicher Sforim), Izchak Ioel Linezki, Simon Frug, J. L. Perez, Morris Rosenfeld, Mordechai Spektor, Jakob Dinesohn, S. Rabinowitsch (Scholem Alejchem) und Jizchok Leib Perez.
  2. Elias Schulman / Jean Baumgarten: Zinberg, Israel. In: encyclopedia.com. Abgerufen am 1. Juni 2022 (englisch).
  3. Meyer Isser Pines. In: Jewish Virtual Library. American-Israeli Cooperative Enterprise, abgerufen am 1. Juni 2022 (englisch).
  4. Klaus Hermsdorf, „Deutsch-jüdische“ Schriftsteller? Anmerkungen zu einer Literaturdebatte des Exils, Zeitschrift für Germanistik, Band 3, No. 3 (August 1982), S. 278–292. https://www.jstor.org/stable/23975271
  5. Frank Kafka: Tagebuch 24. Januar 1912. - Vgl. Ritchie Robertson: Kafka: Judentum - Gesellschaft - Literatur. Springer-Verlag, 2016. Online-Teilansicht auf Google-Books, S. 31.