Mer hahn en neue Oberkeet

Bachkantate
Mer hahn en neue Oberkeet
BWV:212
Anlass:Geburtstagsfeier
Entstehungsjahr:1742
Entstehungsort:Leipzig
Gattung:Weltliche Kantate
Solo:S B
Instrumente:Flöte; Horn; Str.; Bc
AD:ca. 30 min
Text
Christian Friedrich Henrici
Liste der Bachkantaten

Mer hahn en neue Oberkeet (BWV 212) ist eine der bekanntesten weltlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs. Bekannt ist sie unter der Bezeichnung „Bauern-Kantate“; Bachs originale Bezeichnung war „Cantate burlesque“. Hochdeutsch lautet ihr Titel „Wir haben eine neue Obrigkeit“.

Entstehung

Der Text der Kantate stammt von Christian Friedrich Henrici (genannt Picander) (1700–1764) und entstand für den 30. August 1742. An diesem Tag feierte der Erb-, Lehn- und Gerichtsherr Carl Heinrich von Dieskau (1706–1782), kurfürstlich-sächsischer Kammerherr, auf dem Rittergut Kleinzschocher bei Leipzig mit einem großen Feuerwerk seinen 36. Geburtstag und nahm gleichzeitig, wie damals üblich, die Huldigung der ihm untergebenen Bauern entgegen.

Picander hatte in seiner Eigenschaft als Vorsteher der Stadt-Trank-Steuereinnahme, Weininspektor und Visir im Kreis Leipzig den Kreissteuerinspektor Dieskau zum Vorgesetzten. Sein Text trägt volkstümlich-derbe und manchmal ironische Züge und spielt auf eine Reihe lokaler Personen und Ereignisse der damaligen Zeit (z. B. Verletzung von Fischerei-Recht) an, wobei auch die Nachbarorte Knauthain und Cospuden genannt werden.

Es gilt als möglich, dass Picander Bach bat, seine Dichtung in Musik umzusetzen. Bei der Bauernkantate handelt es sich um die Bach-Kantate mit dem spätesten feststellbaren Entstehungsdatum.

Thematik

Es finden Feierlichkeiten statt, zu denen der Kammerherr Bier ausschenken lässt. Dies ist der Anlass für ein Gespräch zwischen einem namentlich nicht genannten Bauern (Bass) und der Bäuerin Mieke (Sopran), deren Dialog nach dem rein instrumentalen Eingangsstück die ganze Kantate prägt. Sie freuen sich über das Fest, tauschen teils zweideutige, teils eindeutige erotische Angebote aus und sprechen auch über die Machenschaften des Steuereinnehmers (Schösser); das Hauptthema ist jedoch das Lob des Gutsherrn Dieskau; auch dessen Frau und ihre Sparsamkeit werden erwähnt. Stellenweise wird dabei obersächsische Mundart verwendet („Guschel“ = Mund, „Dahlen“ = Liebesspiel, „Ranzen“ = Bauch, „prinkel“ = bisschen, „Neu-Schock“ = 60 Groschen).

Besetzung

  • ein Bauer (Bass)
  • Mieke, eine Bäuerin (Sopran)
  • Dreistimmiges Streicherensemble aus Violine, Viola und Basso continuo, zu dem in jeweils einem Satz Traversflöte, Horn und zweite Violine hinzutreten.

Besonderheiten

Entsprechend dem Charakter des Textes schuf Bach eine relativ schlicht gehaltene Komposition mit kurzen Sätzen und meist einfacher Begleitung. Mehrfach griff er auf populäre Tanzformen und volkstümliche Melodien zurück (zum Beispiel den zweiten, schnellen Teil „Mit dir und mir ins Federbett, mit dir und mir aufs Stroh“ des Großvatertanzes) sowie Teile aus früheren eigenen Stücken (Satz 14 aus BWV Anhang 11 und Satz 20 aus BWV 201/7).

Die Ouvertüre besteht aus einer groben Aneinanderreihung verschiedener höfischer Tänze ohne Übergänge, ohne Rücksicht auf Takt- und Tonartenwechsel (von A-Dur nach a-Moll und wieder zurück). Diese gewissermaßen bäuerliche Kompositionsart wird gelegentlich als ironische Anspielung auf die Thematik seitens Bachs interpretiert.

Die Arie Dein Wachstum sei feste und lache vor Lust! stammt ursprünglich aus der Kantate Der Streit zwischen Phoebus und Pan, wo Pan sie mit den Worten Zu Tanze, zu Sprunge, so wackelt das Herz vorträgt.

Erinnerungsorte

Das Schloss Kleinzschocher als Ort der Uraufführung der Kantate wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. An einem erhaltenen Torpfeiler befindet sich eine verblichene Erinnerungstafel mit dem Text: Auf diesem Grundstück führte Joh. Seb. Bach am 30. Aug. 1742 seine Bauernkantate auf.

Auf dem Friedhof von Kleinzschocher wurde im Juli 2000 eine etwas über einen Meter hohe Steinsäule aufgestellt, die neben Blumenmotiven ein Zitat aus der Bauernkantate zeigt, in welchem Kleinzschocher erwähnt wird. Die Inschreift lautet: Klein-Zschocher müsse / So zart und süße / Wie lauter Mandelkerne sein. / Bauernkantate J. S. Bach 1742

Seit 2002 heißt der zum ehemaligen Rittergut Kleinzschocher führende frühere Schloßweg in Erinnerung an die Bauernkantate.Kantatenweg.[1]

2010 wurde beschlossen, eine von der Windorfer Straße abzweigende neue Stichstraße nach einer der Hauptpartien der Bauernkantate als Miekeweg zu benennen.[2]

Literatur

  • Alfred Dürr: Johann Sebastian Bach: Die Kantaten. Bärenreiter, Kassel 1999, ISBN 3-7618-1476-3.
  • Werner Neumann: Handbuch der Kantaten J. S. Bachs. 5. Aufl. 1984, ISBN 3-7651-0054-4.
  • Hans-Joachim Schulze: Die Bach-Kantaten: Einführungen zu sämtlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs. Evangelische Verlags-Anstalt, Leipzig / Carus-Verlag Stuttgart 2006, (Edition Bach-Archiv Leipzig) ISBN 3-374-02390-8 (Evang. Verl.-Anst.), ISBN 3-89948-073-2 (Carus-Verl.)
  • Alfred Dürr: Johann Sebastian Bach: Die Kantaten. 7. Auflage. Bärenreiter, Kassel 1999, ISBN 3-7618-1476-3.
  • Christoph Wolff, Ton Koopman: Die Welt der Bach-Kantaten. J. B. Metzler, Stuttgart/Weimar 2006, ISBN 978-3-476-02127-4.

Aufnahmen (Auswahl)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kantatenweg. In: Website der Stast Leipzig. Abgerufen am 29. Oktober 2023.
  2. Miekeweg. In: Website der Stast Leipzig. Abgerufen am 29. Oktober 2023.

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Siegel von Johann Sebastian Bach
Friedhof Kleinzschocher Stein Bauernkantate.jpg
Autor/Urheber: Martin Geisler, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Friedhof Kleinzschocher: Im Jahr 2000 errichtete Steinsäule zur Bauernkantate mit dem Zitat der Textstelle der Erwähnung Kleinzschochers:

Klein-Zschocher müsse / So zart und süße / Wie lauter Mandelkerne sein.
Tafel Bauernkantate.jpg
Autor/Urheber: Geisler Martin, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Tafel an der Torsäule zum ehemaligen Schloss Kleinzschocher zur Erinnerung an die Uraufführung von Bachs Bauerkantate
Text der Tafel: "In diesem Grundstück führte Joh. Seb. Bach am 30. August 1742 seine Bauernkantate auf"