Der Ort wurde am Sonntag Invocavit 1283 erstmals urkundlich erwähnt, in einer zu Regensburg ausgestellten Verkaufsurkunde[5], die die Übertragung von Leuchtenbergischen Ländereien um Waldeck an Herzog Ludwig den Strengen dokumentierte:
„silvam welmvzels dimidiam, ad quam pertinent sex ville“
Übersetzung: Der Wald des Welmysl, zu welchem sechs Villen gehören.
Der geheimnisvolle slawische Lokator „Welmysl“ oder „Velemysl“ ist historisch ansonsten nicht fassbar. Im Salbuch Herzog Ludwigs um das Jahr 1285[6] nimmt die Gegend der sechs Villen eine Sonderstellung ein, denn sie war frei von Abgaben und besaß alte Rechte, die wohl Jahrhunderte zurück reichten:
„Item silva welmvzels dimidia ad quam pertinent sex ville et alia multa jura tam in apibus quam in aliis accidentiis“
Übersetzung: Der Wald des Welmysl zur Hälfte, zu dem sechs Villen gehören und vielerlei Rechte, sowohl hinsichtlich Bienen als auch anderer Angelegenheiten.
Die alten Rechte verweisen vermutlich auf Bergbau, Wasser- und Waldnutzung. Auch alter Kirchenzehnt scheint wahrscheinlich, da eine Pfarrei „Welmawsels“ schon 1385 belegt werden kann.[7] Honiggewinnung durch Bienenbeuten (Zeidlerei) bleibt über Jahrhunderte bedeutsam, wie eine Urkunde des Zeidlers Künzel Mülner aus dem Jahr 1435 belegt: Sein Vater, Ott Müller selig vom Melmewssels, habe die Zeidelweide auf dem Oberen Forst 80 Jahre innegehabt.[8]
Während der spätmittelalterlichen Wüstungsperiode verließen die dort siedelnden Familien die klimatisch ungünstige Lage des Fichtelgebirgsortes Mehlmeisel. Bereits 1311 war von „neun Öden“ die Rede,[9] 1422 wurden die Lokalitäten Oberlind, Rapotenreuth und Birk als Öden genannt,[10] im weiteren Verlauf auch die „vier Öden“ Mehlmeisel, Niederlind, Grün und Mähring.[11] 1438 bezeichnete ein Regensburger Pfarr-Register den Ort „Welmausel“ als Wüstung, in dem noch ein Priester in der örtlichen Kirche wirkte, jedoch keine Abgaben entrichtete.[12]
„Welmausel, item plebanus ibidem, devastata est“
Die lokale Heimatforschung spekulierte über einen Überfall von Hussiten oder Plünderungen durch Markgrafen, was sich jedoch bei näherer Betrachtung als reine Erfindung aus der Zeit des 19. Jahrhunderts erwies.[13]
Neuzeit
Eine planmäßige Wiederbesiedlung des Raumes Mehlmeisel fand ab dem Jahr 1468 im Auftrag des Pfalzgrafen Philipp des Aufrichtigen statt. Hintergrund war die Belebung des pfälzischen Bergbaus an den Südausläufern des Fichtelgebirges. Treibende Kraft war dabei der Bergbauunternehmer und Amberger Hofkastner Jakob Parksteiner, der sich in Mehlmeisel mit seiner Familie in einem „Blochwerk“ niederließ und eine Laurentius-Kirche für sein Seelenheil erbaute. Um das Gotteshaus langfristig finanziell abzusichern, organisierte er zwei Ablassbriefe über die päpstliche Nuntiatur in Deutschland.[14] Von 1478 bis 1539 gehörte der Raum Mehlmeisel als Lehen den markgräflichen Hirschbergern zu Weißenstadt.[15] 1539 wurde das gesamte Gebiet in die Hofmark Ebnath einverleibt, unter Führung der Hirschberger zu Ebnath und Schwarzenreuth.[16] Erst im Jahr 1808 erfolgte im Zuge der napoleonischen Reformen unter dem Minister Montgelas die Gründung der Steuergemeinde Mehlmeisel.[17]
Nach dem Dreißigjährigen Krieg arbeiteten auf Mehmeisler Gebiet entlang der Fichtelnaab etliche Eisenhämmer, wie der Hammer Unterlind oder der Hammer Oberlind, die von kurbayerischen Beamten merkantilistisch geführt wurden, bis sich der Staat im Jahr 1865 aus der Führung zurückzog und mit einer Versteigerung den Weg zur Privatisierung in der Gründerzeit frei machte.[18]
Der Ortskern von Mehlmeisel, das heißt, die Gehöfte rund um die alte Dorfkirche (heutige Kriegergedächtniskapelle), wurde am 30. Juni 1849 von einer verheerenden Brandkatastrophe heimgesucht.[19]
Die reichliche Wasserkraft der Fichtelgebirgsflüsse wie Fichtelnaab und Schnaitbach blieb bis weit in das 20. Jahrhundert prägend für die Ortsentwicklung durch Ansiedlung von Armaturschleiferei, Pfannenhämmern, Spiegelglasschleiferei, Holzwollfabrik, Glasperlfabrik, Ziegelhütte, Bierbrauerei. Es erfolgte ab 1890 der Anschluss an das Eisenbahnnetz. Der letzte Zug fuhr im Jahr 1984. Anschließend wurde die Eisenbahnstrecke zurückgebaut und die Trasse wird seither als Fahrradweg genutzt.
Bis zur Gemeindegebietsreform 1972 gehörte Mehlmeisel zum aufgelösten Landkreis Kemnath und damit zur Oberpfalz. 1971 hatten sich die Einwohner mehrheitlich für den Verbleib im Regierungsbezirk Oberpfalz ausgesprochen, was jedoch nicht berücksichtigt wurde.[20] Von 1978 bis 1993 bestand zwischen den Gemeinden Fichtelberg und Mehlmeisel eine Verwaltungsgemeinschaft (VG). Diese wurde nach langjährigen Verhandlungen im Oktober 1993 durch einen Landtagsbeschluss beendet. Seit dem 1. Januar 1994 ist Mehlmeisel wieder eine Gemeinde.
Einwohnerentwicklung
Im Zeitraum von 1988 bis 2018 sank die Einwohnerzahl von 1435 auf 1312 um 123 bzw. um 8,6 %. Ein Höchststand wurde am 31. Dezember 1997 mit 1476 Einwohnern erreicht.
Blasonierung: „Über goldenem Schildfuß, darin ein beblätterter grüner Weißdornzweig mit roten Früchten, gespalten von Silber und Grün; vorne ein grüner Nadelbaum über zwei schräg gekreuzten schwarzen Hacken, hinten ein wachsender silberner Hirsch.“[24]
Religion
Mehlmeisel ist eine überwiegend katholisch geprägte Gemeinde und gehört zum Bistum Regensburg und zum Dekanat Tirschenreuth-Wunsiedel.[25]
Richard Schreiber, Bernhard Prechtl, Josef Wiche: Schriftenreihe zur Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel. 5 Bände herausgegeben von der Gemeinde Mehlmeisel und der Pfarrei Mehlmeisel, 1997 bis 2020.
↑Bischöfl. ZA Regensburg. BDK, VR 1385, fol. 13'-14. Siehe auch Schriftenreihe zur Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel, Band 5, Seite 85ff, herausgegeben von der Pfarrei Mehlmeisel 2020
↑Bayer. HStA München, Landgrafschaft Leuchtenberg Urkunde 3, geschrieben an Sant Johans Tag als er enthaubt wart 1311: „... daz Dorf ze Welmuezels halbez und di newen Oede, die darzu gehorent“
↑StA Amberg, Lehenbuch 164, Fasz. Nr. 164, geschrieben „uff Palm Abend anno 1422“,
↑StA Amberg, Amt Waldeck-Kemnath, Akt 60, Seite 67–68: „Die Vier Öden sind die Öde zu Nyderlindt, die Öde Gruen, die Öde zu Maring und die Öde zu Welmeußel“ (Waldeckisches Protokoll vom 20. Juni 1514)
↑Bayer. HStA München, Hochstift Regensburg, Kanzlei Nr. 49, fol 30'-31. Siehe auch Schriftenreihe zur Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel, Band 5, Seite 101ff, herausgegeben von der Pfarrei Mehlmeisel 2020
↑Eine gründliche Recherche zu diesem Thema befindet sich in: Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel, Band 5, Seite 99ff, im Abschnitt Die Erfindung eines Hussitenüberfalls, verfasst von Josef Wiche 2020
↑Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel, Band 5, Seite 109ff
↑Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel, Band 5, Seite 134ff
↑Hirschberg Schriften 3, Dr. Bernd Thieser: "Die Hofmark Ebnath im 16. Jahrhundert", Seite 186, herausgegeben 2022 vom Historischen Verein für Oberpfalz und Regensburg, Regionalgruppe Otnant
↑Für Details: StA Amberg, Häuser- und Rustikalkataster Kemnath Nr. 79
↑Siehe Schriftenreihe zur Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel, Band 3, Seite 282, herausgegeben von der Gemeinde Mehlmeisel im Jahr 2007
Loretokirchlein in Unterlind (Gemeinde Mehlmeisel) - Foto Otto Pilz.jpg Autor/Urheber:Otto J. P.,
Lizenz:CC BY-SA 4.0 Die Loreto-Kapelle in Unterlind wird im Volksmund auch Hammerkirchl genannt. Die barocke Wallfahrtsstätte wurde im Jahre 1686 vom dortigen Hammerherrn, dem Freiherrn von Altmannshausen, errichtet. Im Laufe der Jahrhunderte, heute vor allem am Feiertag Mariä Himmelfahrt (15. August), ist es zu einem Treffpunkt vieler Gläubiger aus dem gesamten Fichtelgebirgsraum geworden. In vielen Häusern finden Familienfeste statt. Weggezogene Mehlmeiseler kehren an diesem Tag für einige festliche Stunden zurück in die alte Heimat. Auch die Loreto-Kapelle in Unterlind ist wie alle anderen eine dem Patrozinium „Unserer Lieben Frau von Loreto“ geweihte Kirche. Die Kapelle, gleichbedeutend mit einer Santa Casa in den böhmischen Gnadenorten, ist eine getreue Nachbildung des Heiligen Hauses in Loreto. Die fensterlosen Seitenwände, das Tonnengewölbe mit einem Sternenhimmel, die imitierte Backsteinmauerwerk und der von der Wand abgerückte Altar belegen dies.