Mediterranea Saving Humans

Mediterranea Saving Humans ist eine italienische Nichtregierungsorganisation. Sie wurde gegründet um im Mittelmeer die Lage zu beobachten und in Seenot geratene Boatpeople zu retten, nachdem die Masse der übrigen NGOs von italienischen Behörden durch rechtliche Hürden weitgehend handlungsunfähig gemacht worden waren. Dazu betreibt die Gruppe die Schiffe Mare Jonio und Alex unter italienischer Flagge.[1] Das Projekt wird finanziell und organisatorisch von Aktivisten des deutschen Sea-Watch-Vereins unterstützt.[2]

Einsätze

Vorwurf illegaler Beihilfe zur Immigration im Mai 2019

Am 9. Mai 2019 rettete die Besatzung der Mare Jonio zusammen mit der italienischen Küstenwache vor der libyschen Küste etwa 66 Personen, deren Schlauchboot gekentert war, aus der See. 30 Personen davon nahm das Schiff auf. Der Innenminister Matteo Salvini kündigte erst an, dass beide Schiffe die Menschen nicht an Land bringen dürften, was später aber doch gestattet wurde.[3] Anschließend lief das Schiff nach Norden, wo es von italienischen Behörden aufgebracht und nach Lampedusa eskortiert wurde. Dort beschlagnahmte man nach Angaben des Innenministers das Schiff. Salvini behauptete, es hätte sich um einen Tage vorher von der Rettungsorganisation geplanten Akt der illegalen Immigration gehandelt und ließ ein Ermittlungsverfahren wegen der Begünstigung illegaler Einwanderung einleiten.[4] Die Hilfsorganisation berichtete von einer Durchsuchung, bestritt aber die Beschlagnahmung.[5] Die Staatsanwaltschaft von Agrigent lehnte die von Innenminister Salvini geforderte vorbeugende Beschlagnahmung des Schiffes am 10. Mai 2019 wegen fehlender Beweise ab.[6] Ein Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Beihilfe zur illegalen Immigration gegen die Besatzung wurde im Oktober 2021 durch die Staatsanwaltschaft in Agrigent eingestellt. Menschen in einem Schlauchboot auf dem Mittelmeer seien per se Schiffbrüchige und um Menschen aus Seenot zu retten, brauche es keine eigene Genehmigung. Dies sei im internationalen Seerecht geregelt.[7]

Beschlagnahmung der Alex Juli 2019

Am 5. Juli 2019 erreichte das Schiff Alex, eine Segelyacht, die eigentlich nur als Begleitschiff der Mare Jonio vorgesehen war,[8] die Gewässer vor Lampedusa mit 54 tags zuvor aufgenommenen Personen an Bord. Wie kurz zuvor bei der Sea-Watch 3 verweigerten die Behörden zunächst die Erlaubnis zum Einlaufen.[9] Die italienische Regierung lehnte eine Aufnahme der Personen auf Lampedusa ab und verwies auf das etwa 100 km entfernte Malta als Alternative. Die Sprecherin der Organisation, Alessandra Sciurba, erklärte am 6. Juli 2019 die Reise für die Passagiere zu lang und unmöglich zu realisieren.[10][11] Am Nachmittag des 6. Juli 2019 lief der Schiffsführer Tommaso Stella im Hafen von Lampedusa ohne Genehmigung ein.[12][13] Am 7. Juli durften die Geretteten an Land und die Yacht wurde wegen eines Ermittlungsverfahrens zur illegalen Migration gegen Besatzungsmitglieder von den italienischen Behörden beschlagnahmt.[14] Im Februar 2020 wurde vom Gericht in Palermo festgestellt, dass die sieben Monate währende Beschlagnahmung unrechtmäßig war.[15]

Unrechtmäßige Beschlagnahmung September 2019

Am 28. August wurden von einem sinkenden Flüchtlingsboot etwa 100 Menschen vom Rettungsschiff Mare Jonio gerettet. Nach Angaben der Überlebenden waren zuvor 6 Personen, darunter auch Babys, ertrunken.[16] Die italienische Küstenwache brachte Kinder und Frauen in Lampedusa an Land. Der Mare Jonio wurde mit den verbliebenen 34 geretteten Menschen verboten, einen italienischen Hafen anzulaufen, da die Betreiber Gesetze nicht befolgen und Notfälle provozieren würden.[17] Am 3. September durfte das Rettungsschiff nach tagelanger Blockade in den Hafen von Lampedusa einlaufen und die italienischen Behörden beschlagnahmten es nach den umstrittenen italienischen Einwanderungsvorschriften.[18] Im Februar 2020 hob ein Gericht in Palermo die illegale Beschlagnahmung auf.[19]

Die Organisation kündigte Mitte März 2020 an, den Einsatz ihrer beiden Schiffe Mare Jonio und Alex wegen der COVID-19-Pandemie einzustellen.[20] Im Juni 2020 nahm die Mare Jonio ihre Fahrten wieder auf.[21]

Anfang September 2020 lief die Mare Jonio erneut aus und nahm am 11. September vom Maersk Frachter Etienne 27 Migranten auf, die dessen Besatzung einen Monat zuvor unter umstrittenen Umständen an Bord genommen hatte. Die Aktivisten machten die Behörden von Malta für den Rettungseinsatz der Etienne Anfang August verantwortlich und verlangten anschließend das Anlanden der Personen.[22] Schließlich erklärte sich Italien bereit, die Migranten in Pozzallo an Land zu lassen.[23]

Festsetzungen der Mare Jonio

Nach einer Inspektion wurde die Mare Jonio Ende September 2020 von italienischen Behörden im Hafen von Pozzalo festgesetzt. Die Hilfsorganisation beklagte in einer Pressemitteilung eine angeblich systematische Verhinderung von Rettungseinsätzen.[24]

Im April 2024 wurde die Mare Jonio auf der Grundlage eines Migrationsdekrets[25] festgesetzt, das 2023 von der rechtsgerichteten Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eingeführt worden war.[26] Die Betreiber müssen eine Geldstrafe von 10.000 Euro zahlen.[26]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Mediterranea. In: www.mediterranearescue.org. Abgerufen am 15. Juli 2019 (englisch).
  2. „Mediterranea / Mare Jonio“ sea-watch.org, abgerufen am 9. Mai 2019
  3. Flüchtlinge gerettet – Salvini verärgert. In: tagesschau.de, 10. Mai 2019, abgerufen am 15. Juli 2019.
  4. Lorenzo Tondo: Italian authorities order seizure of migrant rescue ship. Guardian, 20. März 2019, abgerufen 8. Oktober 2020.
  5. Fabio Albanese: „Le due navi che hanno salvato i migranti sono arrivate in Italia. La Mare Jonio sequestrata“ La Stampa vom 11. Mai 2019
  6. Non convalidato il sequestro preventivo della nave Mare Jonio. Lettera 43, abgerufen 19. Mai 2019.
  7. Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Seenotretter ein. Zeit, 20. Oktober 2021, abgerufen am 20. Oktober 2021.
  8. „NGO-Schiff rettet 54 Migranten in libyschen Gewässern“ Stol.it vom 5. Juli 2019.
  9. Deutsches Rettungsschiff „Alan Kurdi“ nimmt 65 Migranten an Bord. Welt.de vom 5. Juli 2019
  10. Flüchtlinge: Italienisches Rettungsschiff legt trotz Verbots in Lampedusa an. In: Handelsblatt. 6. Juli 2019, abgerufen am 15. Juli 2019.
  11. Mediterranea on Alex case: „in these conditions sailing to Malta would seriously endanger health and safety of people on board. Lampedusa is the only possible place of safety.“ In: www.mediterranearescue.org. 6. Juli 2019, archiviert vom Original am 6. Juli 2019; abgerufen am 15. Juli 2019 (englisch).
  12. Trotz Salvini-Verbot: Italienisches Rettungsschiff setzt Kurs auf Lampedusa. Fast 60 Menschen an Bord. In: FOCUS Online. 6. Juli 2019, abgerufen am 15. Juli 2019.
  13. Rettungsschiff trotzt Salvini: „Alex“ auf dem Weg nach Lampedusa. In: www.zdf.de. ZDF, 6. Juli 2019, abgerufen am 15. Juli 2019.
  14. Italy migrants: Migrants allowed off charity ship despite ban. BBC, 7. Juli 2020, abgerufen 8. Oktober 2020.
  15. Torna in mare dopo sette mesi il veliero Alex, Mediterranea applaude: „Il sequestro era illegittimo“. Sicilia News, 22. Februar 2020, abgerufen 8. Oktober 2020.
  16. Migrants, babies rescued at sea as survivors say six drowned. News24, 30. August 2019, abgerufen 31. August 2019.
  17. Italy disembarks some migrants from rescue ship Mare Jonio but won't lift ban (Memento vom 31. August 2019 im Internet Archive). CNA, 30. August 2019, abgerufen 31. August 2019.
  18. Rettungsschiff „Mare Jonio“ auf Lampedusa beschlagnahmt. FAZ.net, 3. September 2019, abgerufen 8. Oktober 2020.
  19. Migranti: tribunale Palermo dissequestra Mare Jonio. ANSA 4. Februar 2020, abgerufen 8. Oktober 2020.
  20. „Migranti, Ong annunciano stop alle missioni: ‚Ce lo impone la pandemia‘“ ilgiornale.it vom 18. März 2020
  21. Charity boats resume Mediterranean migrant rescue after two-month Covid-19 break. France24, 11. Juni 2020, abgerufen 8. Oktober 2020.
  22. „Migranti, terzo salvataggio per Open Arms, le persone a bordo ora sono 276.“ repubblica.it. Abgerufen am 12. September 2020.
  23. Alessandra Ziniti: „Unhcr: ‚Italia esemplare nell'accoglienza ai migranti, ma dov'è l'Europa?‘“ repubblica.it. Abgerufen am 14. September 2020.
  24. NGO-Schiff Mare Jonio auf Sizilien festgesetzt. Stol.it, 25. September 2020, abgerufen 13. Oktober 2020.
  25. Dominik Straub: Migrationsdekret in Italien: Flüchtlinge müssen ab in den Norden. In: Der Tagesspiegel Online. 14. Januar 2023, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 6. April 2024]).
  26. a b ORF.at Agenturen red: Rettungsschiff „Mare Jonio“ in Italien festgesetzt. 6. April 2024, abgerufen am 6. April 2024.