Matthias Jügler

Matthias Jügler (* 1984 in Halle/Saale) ist ein deutscher Schriftsteller.

Leben

Jügler wuchs im Plattenbauviertel Silberhöhe im südlichen Halle/Saale auf, wo u. a. auch sein zweiter Roman Die Verlassenen spielt. Er studierte unter anderem Skandinavistik in Greifswald und Oslo sowie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Er arbeitet auch als Herausgeber und freier Lektor und lebt in Leipzig.

Literarisches Werk

Als Autor

2015 debütierte Jügler mit dem Roman Raubfischen im Verlag Blumenbar. Der Großvater des 16-jährigen Ich-Erzählers Daniel ist an amyotropher Lateralsklerose (ALS) erkrankt und wird innerhalb kürzester Zeit sterben. Daniel „entführt“ den Großvater, als dieser schon künstlich beatmet werden muss, und fährt mit ihm ein letztes Mal nach Schweden, um zu fischen. Jügler schreibt dazu auf seiner Homepage, er habe jahrelang ausschließlich Spaß-Texte geschrieben über „90-er-Jahre-Trash“, im Prinzip sei es aber um nichts gegangen.

„Irgendwann im Jahre 2012 oder 2013 schrieb ich dann das erste Mal einen Text, der nicht auf Pointe ausgerichtet war. Mit anderen Worten: Ich begann zum ersten Mal in meinem Leben über das zu schreiben, was mir wirklich wichtig war: Was tun, wenn ein geliebter Mensch zu verschwinden droht? Diese Texte ließen mich nicht mehr los – und bald darauf begriff ich, dass ich die ersten Kapitel eines Romans schrieb.“

Innerhalb eines Jahres sei dann Raubfischen entstanden.[1]

2021 folgte sein zweiter Roman Die Verlassenen, der zeigt, wie die Nachgeboreren der Opfer der SED-Diktatur von ebendieser geprägt werden. Für Jan Drees vom Deutschlandfunk erscheint der Roman als ein „tiefschwarzes Zeugnis ostdeutscher Erinnerungskultur und darin als eines der besten Bücher dieses Literaturfrühlings“.[2] Wiebke Porombka beeindruckte es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nachhaltig, wie Jügler „ebenso konzise und unaufgeregt wie gleichermaßen eindrücklich und eindringlich zu erzählen versteht“.[1] Ulrich Seidel schrieb für die Frankfurter Rundschau, die Sätze seien „präzise, kraftvoll“ – Matthias Jüglers Roman ist ein „Meisterwerk der Knappheit“.[3] Im Magazin Playboy hieß es in der Juliausgabe 2021 über Die Verlassenen: „Kurzes Drama, das lange nachhallt. So sanft und tiefgründig geschrieben wie ein Opern-Präludium von Puccini.“

Das Hörbuch erschien bei Buchfunk und wurde eingesprochen von Florian Lukas. Es stand auf der Longlist des Preises der deutschen Schallplattenkritik 2021 in der Kategorie „Wortkunst“.[4] Zuvor sendete MDR Kultur das Hörbuch in seiner Sendung Lesezeit komplett. Das Hörbuch landete ebenfalls auf der Hörbuchbestenliste von Hr2-kultur. Redakteur Michael Cerha sagte: „Allein, wie Jügler den Abend schildert, an dem sein Protagonist als Sechsjähriger vom schweigenden, später selbst wortlos in den Tod gehenden Vater, den ‚Herzinfarkt‘ der Mutter mehr erspürt als erfährt, ist hohe Sprachkunst.“[5]

Im Jahr 2022 erhielt Jügler den Klopstockpreis für neue Literatur des Landes Sachsen-Anhalt für sein bisheriges Gesamtwerk. Matthias Jügler verstehe es, „auf uneindeutige Weise eine Atmosphäre zu erzählen, die von einem Dazwischen zeugt: zwischen Kind und Mann, allein und einsam, gehalten und im freien Fall, System und Rand. Stellvertretend für mehrere Generationen setzt er in seinem aktuellen Roman seine Figuren ihrem jeweiligen Verlassensein aus.“ Dabei erweise sich Jügler als eine „besondere ostdeutsche Stimme im Chor der Gegenwartsliteratur“, so das Urteil der Jury.[6] 2023 wurde er zum Stadtschreiber von Halle ernannt.[7]

Die Auseinandersetzung mit den Folgen der DDR auf unsere heutige Gesellschaft ist das zentrale Thema Jüglers. Auch seine Leidenschaft zum Angeln spielt immer wieder eine Rolle in seinen Texten, nicht nur in seinen Romanen, sondern auch in Interviews, die auf MDR Kultur liefen: So führte er längere Interviews mit dem Autor und Journalisten Max Scharnigg[8] und dem Schweizer Bestsellerautor Joachim B. Schmidt,[9] während er mit ihnen am Starnberger See und in Reykjavík fischte. Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb er einen Essay über den Karpfen in der Literatur.[10]

Als Herausgeber

Jügler hat bislang zwei Anthologien herausgegeben. 2016 erschien beim Suhrkamp Verlag das Buch Wie wir leben wollen. Texte für Solidarität und Freiheit. 2020 erschien beim Piper Verlag WIR. GESTERN. HEUTE. HIER. Beide Anthologien befassen sich mit Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Migration und aktuellen politischen Werten. Vertretene Autorinnen und Autoren sind unter anderem: Saša Stanišić, Ulrike Draesner, Miku Sophie Kühmel, Katerina Poladjan, Antje Rávik Strubel, Stephan Thome, Senthuran Varatharajah, Shida Bazyar, Kristine Bilkau, Bov Bjerg und Nora Bossong.

Veröffentlichungen

  • Raubfischen. Roman. Blumenbar beim Aufbau Verlag, Berlin 2015.
  • Wie wir leben wollen. Anthologie. (Hrsg.) Suhrkamp Verlag, Berlin 2016.
  • Erste Sahne von Bendik Kaltenborn (Übersetzung aus dem Norwegischen). Graphic Novel, Avant-verlag, Berlin 2019.
  • WIR. GESTERN. HEUTE. HIER. (Hrsg.) Piper Verlag, München 2020.
  • Die Verlassenen. Roman. Penguin Verlag, München 2021, ISBN 978-3-328-60161-6.

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. a b Matthias Jügler: Matthias Jügler. Abgerufen am 13. Januar 2023.
  2. deutschlandfunk.de: Matthias Jügler: „Die Verlassenen“ - Eine späte Stasi-Tragödie. Abgerufen am 13. Januar 2023.
  3. Matthias Jügler: „Die Verlassenen“ – Die Stasi schreibt mit. Abgerufen am 13. Januar 2023.
  4. Die neue Longlist 3/2021 ist da!, auf schallplattenkritik.de
  5. Matthias Jügler „Die Verlassenen“. Abgerufen am 14. Januar 2023.
  6. Klopstock-Preis 2022 verliehen. Abgerufen am 13. Januar 2023.
  7. mdr.de: Matthias Jügler ("Die Verlassenen") ist neuer Stadtschreiber von Halle | MDR.DE. Abgerufen am 9. März 2023.
  8. mdr.de: MDR KULTUR Spezial: Black Friday "Angeln statt Shoppen". Abgerufen am 13. Januar 2023.
  9. mdr.de: Zwei Mann am Fjord: Matthias Jügler und Joachim B. Schmidt im Gespräch. Abgerufen am 13. Januar 2023.
  10. Matthias Jügler: Hommage an den Karpfen: Ein selten kluger Fisch. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 14. Januar 2023]).
  11. Ein Blick hinter die Fassade. Abgerufen am 13. Januar 2023.