Martinskirche (Klosterneuburg)

Südseite der Pfarrkirche St. Martin; links das niedrigere Langhaus, rechts der Chor
Blick Richtung Orgelempore

Die Martinskirche im Norden von Klosterneuburg ist eine dem heiligen Martin von Tours gewidmete römisch-katholische Pfarrkirche. Sie ist Österreichs zweitälteste Martinskirche, gehört zum Dekanat Klosterneuburg der Erzdiözese Wien[1] und wird vom Stift Klosterneuburg betreut.[2]

Kirchengeschichte

Die Kirche wurde auf einem leichten Terrassenvorsprung in beherrschender Lage über der Donau mit wehrhaft ausgebildeter Kirchenhofmauer errichtet. Im südlichen Bereich der Kirche lag eine fränkische Siedlung. Ende des 8. Jahrhunderts, zur Zeit der Awarenkriege, wurde eine hölzerne Kirche mit einem Reihenfriedhof errichtet und unter die Schutzherrschaft des heiligen Martin von Tours gestellt. In der Frühromantik (11. Jahrhundert) wurde ein rechteckiger Steinbau mit Chorquadrat gebaut und im 12. Jahrhundert nach Osten und Westen erweitert. Ende des 13. Jahrhunderts wurde der hochromanische Kirchenbau geschleift und durch einen frühgotischen Neubau ersetzt. Dessen Langhaus entsprach im Wesentlichen dem heutigen Zustand. 1291 stiftete Ritter Ulrich von Kritzendorf eine St.-Bartholomäus- und eine Maria-Magdalena-Kapelle (heute Sakristei), die im Süden des Langhauses angebaut wurden. 1363 folgte der Turmbau beziehungsweise dessen Erhöhung. Um 1420 war die Grundsteinlegung für den jetzigen Chor mit drei Jochen und einem Fünfachtelschluss. Gegenüber dem alten Chor hat er ein Joch mehr und ist gegenüber dem Langhaus überhöht. Des Weiteren wurden im 15. Jahrhundert das Langhaus erhöht und mit Wandpfeilern versehen sowie die südseitigen Kapellen verbunden und Richtung Osten erweitert, so dass ein seitenschiffartiger Anbau entstand.

Bei der Zweiten Wiener Türkenbelagerung 1683 wurde die Kirche gebrandschatzt. Im Zuge der anschließenden Wiederherstellung, die um 1725 abgeschlossen wurde, wurde die Kirche barockisiert.

Ausstattung

Hochaltar

Der monumentale, dreistöckige barocke Hochaltar, der das gesamte spätgotische Chorpolygon ausfüllt, wurde um 1720 von der Wiener Franziskanerkirche hierher übertragen und angepasst. Das Altarbild wurde von dem Maler Sebastian Linck gestaltet und stellt die Apotheose des Heiligen Martin dar.

Der linke und rechte Seitenaltar ist jeweils in einer Kapellennische in der Längswand des Langhauses eingefügt. In der Turmkapelle, ehemals Maria-Lourdes-Kapelle, steht ein Ädikulaaltar aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, der 1982 von der südseitigen Bartholomäuskapelle (jetzt als Sakristei genutzt) hierher übertragen wurde.

Orgel

Das Orgelgehäuse auf der dreiachsigen Empore stammt aus der Zeit um 1730. Das Rückpositiv in der prächtigen Emporenbrüstung ist jüngeren Datums. 1984 setzte der Wiener Orgelbauer Herbert Gollini in das bestehende Gehäuse eine neue dreimanualige Orgel mit Pedal und 32 Registern ein.[3]

I Hauptwerk C–g3
1.Quintadena16′
2.Prinzipal8′
3.Spitzgedackt8′
4.Viola8′
5.Oktave4′
6.Spitzflöte4′
7.Quinte223
8.Superoktave2′
9.Terz135
10.Mixtur V-VI113
11.Trompete8′
II Brustwerk C–g3
12.Copula8′
13.Flöte4′
14.Prinzipa l2′
15.Gemshorn2′
16.Cimbel II13
17.Regal8′
18.Schalmei4′
Tremulant
III Rückpositiv C–g3
19.Gedackt8′
20.Prinzipal4′
21.Rohrflöte4′
22.Oktave2′
23.Nasat113
24.Scharff IV1′
25.Krummhorn8′
Pedalwerk C–f1
26.Subbass16′
27.Oktavbass8′
28.Gedecktbass8′
29.Choralbass4′
30.Rauschpfeife V2′
31.Posaune16′
32.Zinke8′

Glocken

Das Geläute besteht aus fünf Glocken, vier davon dienen als Hauptgeläute. Die Kleinste ist die Sterbeglocke und wird nur geläutet, wenn ein Pfarrmitglied verstorben ist.

Nr.NameGewicht in

Kg.

Durchmesser in

cm.

SchlagtonGießerGussjahr
1Helden- und Martinsglocke881112f′Josef Pfundner1956
2Marienglocke50095g′Bartholomäus Kaffel1844
3Leopoldiglocke??b′Grassmayr1986
4Stephaniglocke??c″Grassmayr1986
5Sterbeglocke54,943b″Josef Pfundner1956

Die Helden- und Martinsglocke ist durch die Initiative von Obmann Johann Leidlmayr und Ludwig Fre· Kassier Franz Ziegler geschaffen worden.[4]

Archäologische Gedenkstätte

Im Zuge von Umbau- und Renovierungsarbeiten wurden zwischen 1977 und 1982 in und um die Kirche archäologische Untersuchungen durchgeführt. Dabei wurden eine 5000-jährige Besiedlungsgeschichte des Kirchenhügels und eine erste Holzkirche im Frühmittelalter (Karolingerzeit) nachgewiesen. Für die Dokumentation der Siedlungsgeschichte des Kirchhügels mit archäologischen Funden, Modellen und einem frühmittelalterlichen Gräber- und Beindepot wurde unterhalb des Hauptschiffes ein Schauraum eingerichtet und am 23. Juni 1984 eröffnet.[5]

Literatur

  • Bundesdenkmalamt (Hg.): Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Niederösterreich, südlich der Donau, Teil 1. Verlag Berger, Horn/Wien 2003, S. 1051f., ISBN 3-85028-364-X.
  • Johannes-Wolfgang Neugebauer: Die Pfarrkirche St. Martin. Einst und heute, Klosterneuburg – Wien 1999, ISBN 3901025839.

Weblinks

Commons: St. Martin Klosterneuburg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Dekanat Klosterneuburg. In: erzdioezese-wien.at, abgerufen am 26. Dezember 2020.
  2. Die 24 Stiftspfarren. In: stift-klosterneuburg.at, abgerufen am 3. Mai 2022.
  3. Informationen zur Orgel, organindex.de, abgerufen am 3. Mai 2022.
  4. Jörg Wernisch (Hrsg.): Glockenverzeichnis von Österreich. S. 104.
  5. Volkskultur Niederösterreich:Archäologische Gedenkstätte St. Martin (Memento vom 5. Oktober 2007 im Internet Archive); abgerufen am 16. Juli 2010.

Koordinaten: 48° 18′ 51,3″ N, 16° 19′ 8,5″ O

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Martinskirche Klosterneuburg Hochalter.JPG
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Hochaltar der Martinskirche in der niederösterreichischen Stadt Klosterneuburg.
Martinskirche Klosterneuburg Richtung Orgelempore.JPG
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Blick zur Orgelempore in der Martinskirche in der niederösterreichischen Stadt Klosterneuburg.
Klosterneuburg - Martinskirche.JPG
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Südansicht der Martinskirche in der niederösterreichischen Stadt Klosterneuburg.